Rundfunk:
„Ich sehe nicht, wie das finanziert werden soll“

Schleswig-Holstein hat gegen ARD-ZDF-Jugendkanal schwerwiegende Bedenken
25.03.13 Interview mit Stefan Studt, Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein
„Ich bin mir nicht sicher, ob er auch die richtige Lösung ist. Wenn ARD und ZDF diesen Wunsch weiter verfolgen, dann müssen sie die Länder noch davon überzeugen. Es erscheint zu einfach, die Lösung in einem noch konturlosen Jugendkanal zu suchen“, so Stefan Studt, Chef der Staatskanzlei von Schleswig-Holstein in einem medienpolitik.net-Gespräch. Es sei die Aufgabe der Anstalten, das bestehende Angebot entsprechend den Bedürfnissen der jungen Generation in allen Angeboten zu entwickeln, so Stefan Studt weiter. Er sehe nicht, wie ein Jugendkanal finanziert werden kann. Der für Medienpolitik zuständige Chef der Staatskanzlei forderte stattdessen, „im Anschluss an den KIKA ein multimediales, interaktives Programmangebot für diese Zielgruppe zu etablieren“.
medienpolitik.net: Herr Stefan Studt, die Ministerpräsidenten wollen den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bis 2014 präzisieren, um längerfristig den Beitrag von 17,98 stabil zu halten. Sehen Sie angesichts der aktuellen, kritischen Debatte zum neuen Rundfunkbeitrag die Notwendigkeit, den Auftrag noch stärker zu reduzieren, damit stärkere Einsparungen möglich sind?
Stefan Studt: Wir nehmen die Kritik am neuen Rundfunkbeitrag ernst. Die Länder haben ja auch vereinbart, dass die Folgen unabhängig überprüft werden sollen und dann gegebenenfalls nachgesteuert wird. Wir werden diese Studie des Instituts DIW econ abwarten müssen, bevor wir uns ein abschließendes Urteil bilden. Die Struktur der Rundfunkbeiträge und die Höhe der Beiträge sind aber zwei verschiedene Paar Schuhe. Die Ministerpräsidenten haben verabredet, dass sie über das Jahr 2015 hinaus Beitragsstabilität wollen. Eine Arbeitsgruppe der Rundfunkkommission wird die Möglichkeiten untersuchen, dieses Ziel zu erreichen. Dann werden wir uns wieder mit dem Thema befassen.
medienpolitik.net: Die Ministerpräsidenten haben ARD und ZDF beauftragt einen Vorschlag für die Nutzung der Digitalkanäle und ein Konzept für einen Jugendkanal bis zum April zu unterbreiten. Ist damit bereits vorentschieden, dass sich die Zahl der Digitalkanäle verringern muss oder können sie auch anders genutzt werden?
Stefan Studt: Die Länder haben die Anstalten um ein Konzept für die zukünftige Ausgestaltung der Fernsehprogramme gebeten. Darin sind ausdrücklich auch Erwartungen an die Profilbildung der Programme formuliert. Das heißt, wir erwarten, dass die ARD und das ZDF sich auf ihre Kernaufgaben als Öffentlich-Rechtliche konzentrieren. Außerdem erwartet die Rundfunkkommission, dass die Anstalten die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachten, die der Staatsvertrag vorgibt. Aus Sicht der Länder besteht bei beidem Optimierungsbedarf. Man kann schon die Frage stellen, ob bestimmte Programmelemente wirklich mehrfach von ARD und ZDF abgedeckt werden müssen. Durch diesen Auftrag an die beiden Öffentlich-Rechtlichen ist aber keine Vorentscheidung für weniger Digitalkanäle oder für einen neuen Jugendkanal getroffen. Es steht den Anstalten frei, den Ländern eine andere Nutzung der Kapazitäten vorzuschlagen. Voraussetzung ist, dass die vorgegebenen Kriterien Profilbildung und Wirtschaftlichkeit erfüllt werden.
medienpolitik.net: Wenn das ZDF auf ZDFkultur verzichtet, bedeutet das nicht zwangsläufig eine Reduzierung der Kulturberichterstattung und damit eines der Kernfelder des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?
Stefan Studt: Dieser Vorschlag des ZDF-Intendanten ist ein erster, sehr konkreter Ansatz, um den Beschluss der Rundfunkkommission umzusetzen. Er passt zu dem Gesamtkonzept, das ARD und ZDF vorlegen müssen. Dabei werden sie natürlich darauf achten, dass die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Kernelemente des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgesichert sind. Dazu gehört auch die Kultur. Thomas Bellut hat selbst darauf hingewiesen, dass die innovativen Programmformate in ZDFkultur von ZDFneo und 3sat übernommen werden können. Dies zeigt, dass die Reduzierung von Programmelementen nicht gleich den Kernbereich betreffen muss. Im Gegenteil, sie kann möglicherweise auch das Profil schärfen.
medienpolitik.net: Die ARD begründet die Überlegungen zu einem Jugendkanal mit der Notwendigkeit, mehr Jugendliche erreichen zu müssen. Sehen Sie die Notwendigkeit auch.
Stefan Studt: Die Fernsehprogramme von ARD und ZDF haben ohne Zweifel ein Problem, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu erreichen. Es gehört aber zum Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, auch diese Zielgruppe zu bedienen. Ein eigener Jugendkanal ist da scheinbar die einfachste Lösung, aber ich bin mir nicht sicher, ob er auch die richtige Lösung ist. Wenn ARD und ZDF diesen Wunsch weiter verfolgen, dann müssen sie die Länder noch davon überzeugen. Es erscheint zu einfach, die Lösung in einem noch konturlosen Jugendkanal zu suchen. Erst einmal müsste aufgearbeitet werden, weshalb ARD und ZDF diese Zielgruppe verloren haben und ob es möglich wäre, Jugendliche und junge Erwachsene wieder dauerhaft zu ARD und ZDF zurück zu holen. Denn heute verhalten die jungen Nutzer sich einfach anders. Sie nutzen Medien über ganz unterschiedliche Technologien, sehen nicht zu bestimmten Zeiten fern und sind nicht an bestimmte Programme gebunden.
medienpolitik.net: Ist ein Jugendkanal – wie man oft hört – nicht auch ein Weg, um die Akzeptanz des Rundfunkbeitrages zu erhöhen?
Stefan Studt: Das glaube ich nicht. Akzeptanz erreicht man nur mit den richtigen Angeboten für diese Zielgruppe im Hauptprogramm von ARD und ZDF, in den Digitalprogrammen, den Hörfunkangeboten und insbesondere im Internet. Auf die Verpackung „Jugendkanal“ zu schreiben reicht allein nicht aus. Es braucht Mut und Kreativität. Ein Beispiel: Die bei ZDFkultur angebotenen Rockkonzerte „Wacken Open Air“ und „Rock am Ring“ haben dem Sender nicht nur eine phantastische Quote in der Zielgruppe beschert. Er bekam auch eine Vielzahl von Zuschriften über die sozialen Netzwerke mit dem Inhalt, dass bei einem solchen Programm öffentlich-rechtliches Fernsehen und auch der Rundfunkbeitrag in Ordnung sind. Daraus folgt: Es ist Aufgabe der Anstalten, das bestehende Angebot entsprechend den Bedürfnissen der jungen Generation in allen Angeboten zu entwickeln und nicht allein das Glück in einem zusätzlichen Spartenprogramm zu suchen.
medienpolitik.net: Der SWR-Intendant hat kürzlich erklärt, ein Jugendkanal könne noch in diesem Jahr starten. Ist es sinnvoll mit einem solch neuen Projekt zu starten, das selbst nach ARD-Schätzung im ersten Jahr zwischen 60 und 80 Millionen Euro kostet, bevor nicht eine Evaluierung des neuen Rundfunkbeitrages erfolgt ist?
Stefan Studt: Die Einschätzung des SWR-Intendanten ist schon sehr sportlich. Für einen Jugendkanal müssen ARD und ZDF sich abstimmen. Dafür müssten erst einmal konkrete Überlegungen zu diesem Programm vorliegen, die offensichtlich noch nicht einmal abgeschlossen sind. Wenn wir ein solche abgestimmte Haltung von ARD und ZDF haben müssen sich die Länder damit befassen, einen entsprechenden Staatsvertrag ausarbeiten und ihn unterzeichnen. Danach muss in 16 Länderparlamenten ein Ratifikationsverfahren durchgeführt werden. Das geht nicht kurz mal in ein paar Monaten. Außerdem sehe ich nicht, wie dies finanziert werden soll. Die genannten 60 bis 80 Millionen Euro müssten von den Anstalten in gleicher Höhe an anderer Stelle kompensiert werden. Dafür würde wohl nicht einmal der Verzicht auf ZDFkultur und auf EinsPlus bei der ARD ausreichen.
medienpolitik.net: Inwieweit würde ein Jugendkanal eine Konkurrenz zu den privaten Sendern darstellen und damit das ausbalancierte Verhältnis des dualen Systems belasten.
Stefan Studt: Das kann man nicht vorhersehen. Dies hängt von dem Konzept, der Umsetzung und den finanziellen Mitteln für ein solches Angebot ab. Natürlich würden die privaten Anbieter einen Jugendkanal als zusätzliche Wettbewerbsbelastung sehen, aber ob das wirklich signifikante Ausmaße hätte, ist offen.
medienpolitik.net: Sehen Sie zu einem Jugendkanal eine Alternative, um mehr Jugendliche dazu zu bringen, Inhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu nutzen?
Stefan Studt: Wir müssen die Jugendlichen zunächst dort abholen, wo sie sich am liebsten aufhalten. Das heißt, im Internet und in den sozialen Netzwerken. Deshalb ist die Verknüpfung von Fernsehprogrammen mit Radiosendern und neuen Medien ein ganz wichtiger Ausgangspunkt. Deshalb sollte breiter und experimenteller gedacht werden als nur an einen 24-stündigen Jugendkanal. Man könnte zum Beispiel damit anfangen, im Anschluss an den KIKA ein multimediales, interaktives Programmangebot für diese Zielgruppe zu etablieren, wo die Inhalte gemeinsam mit den Jugendlichen entwickelt werden. ARD und ZDF könnten Programmteile aus ZDFkultur und EinsPlus verwenden, Querverbindungen zu den Hörfunksendern für Jugendliche ausprobieren und dies mit dem Internet vernetzen. Das wäre alles mit überschaubaren Mitteln möglich. Außerdem könnten die jungen Menschen über einen Beirat beteiligt werden, der ARD und ZDF Rückmeldungen und Anregungen gibt. Vielleicht könnte so das verlorengegangene Vertrauen wieder hergestellt und gemeinsam das Angebot sinnvoll weiter entwickelt werden.
Das Interview wurde in der promedia-Ausgabe Nr. 04/2013 erstveröffentlicht.