Rundfunk:

„Ein Jugendkanal kann nur ein Baustein sein“

von am 22.04.2013 in Allgemein, Archiv, Dualer Rundfunk, Internet, Interviews, Medienpolitik, Medienregulierung, Netzpolitik, Netzpolitik, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, Plattformen und Aggregatoren, Regulierung, Rundfunk

<h4>Rundfunk: </h4>„Ein Jugendkanal kann nur ein Baustein sein“
Staatssekretärin Jacqueline Kraege, Chefin der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz I © Staatskanzlei Rheinland-Pfalz

Kraege tritt für Überprüfung der Sieben-Tage-Frist bei Mediatheken ein

22.04.13 Interview mit Jacqueline Kraege, Chefin der Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz

Die Ministerpräsidenten hatten ARD und ZDF aufgefordert, bis Ende April ein Konzept für die weitere Ausgestaltung der Fernsehangebote, besonders der Digitalkanäle zu unterbreiten. Dabei sollte vor allem auf die Schärfung des öffentlich-rechtlichen Profils Wert gelegt werden. Inwieweit die Vorschläge von ARD und ZDF zur Reduzierung der Digitalkanäle dieser Vorgabe entsprechen, wollen die Länder bis zum Sommer entscheiden. Die Entscheidung für einen Jugendkanal wird jedoch wesentlich von zwei Faktoren abhängen: 1. Dass es ein gemeinsamer Kanal von ARD und ZDF wird. 2. Dass die Kosten eines solchen Kanals an anderer Stelle eingespart werden können.

medienpolitik.net: Frau Kraege, die Debatte über das neue Beitragsmodell für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schwillt nicht ab. Erneut gibt es Vorwürfe, dass der Rundfunkbeitrag nicht verfassungskonform ist. Haben die Länder bei ihrem Beschluss vorschnell gehandelt, hätten Sie mehr das Modell prüfen müssen?

Jacqueline Kraege: Ich halte das neue Beitragsmodell im Grundsatz nicht nur für verfassungsmäßig, sondern auch für eine sachgerechte und überzeugende Lösung.Der Diskussions- und Prüfungsprozess hat mehrere Jahre gedauert. Zudem enthält der Staatsvertrag eine Evaluationsklausel, die es den Ländern ermöglicht, Nachjustierungen vorzunehmen, wenn in Einzelfällen Härten entstehen. Es wurden in den langjährigen Beratungen, die schließlich im Beitragsstaatsvertrag mündeten, alle in Betracht kommenden Modelle eingehend diskutiert. Mit guten Gründen kamen die Länder zu dem Ergebnis, dass alle anderen Modelle, z.B. eine Steuerfinanzierung, ein modifiziertes Anknüpfen am Empfangsgerät bzw. eine Bürgerabgabe weit größere Nachteile und rechtliche Risiken mit sich bringen. Dass die von den Ländern gewählte Typisierung „Wohnung“ sachgerecht ist, verdeutlichen auch folgende Fakten: In über 97 Prozent der Wohnungen ist mindestens ein Fernsehgerät vorhanden, in über 70 Prozent der Wohnungen befindet sich ein internetfähiger PC, mit dem Radio- und Fernsehempfang möglich ist. Der Gesetzgeber ist daher berechtigt, eine Typisierung dahingehend vorzunehmen, dass die Wohnung Anknüpfungspunkt für die Beitragspflicht ist. Und diese Typisierung bildet die Realität ab.

medienpolitik.net: Wurde über das Modell zu wenig in der Öffentlichkeit diskutiert, wurden die Bürger und Institutionen bei diesem Projekt, das alle betrifft, zu wenig einbezogen, um rechtzeitig alle Einwände abwägen zu können?

Jacqueline Kraege: Die von der Reform der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks berührten Kreise und Institutionen, waren im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens, insbesondere durch die bereits im Oktober 2010 durchgeführte Anhörung eingebunden. Man muss natürlich sehen, dass diese Reform weitreichende Veränderungen der bisherigen Rundfunkfinanzierung mit sich bringt. Um dem Rechnung zu tragen, haben die Länder bereits in einer Protokollerklärung zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag eine umfassende Evaluation im Zeitraum von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Staatsvertrages vorgesehen und dabei werden selbstverständlich auch die Auswirkungen auf den privaten, gewerblichen und öffentlichen Bereich intensiv beleuchtet.

medienpolitik.net: Bei welchen Punkten halten Sie nach bisherigem Erfahrungsstand die Kritiken für berechtigt?

Jacqueline Kraege: Die geäußerte Kritik am neuen Beitragsmodell wird im Rahmen der Evaluation gründlich geprüft werden. Hier stehen die Länder noch am Anfang des Prozesses. Dennoch zeichnen sich mögliche Ansätze bereits ab. So könnte sich bei der Staffelung der Beitragshöhe bei den Betriebsstätten, die sich nach der Beschäftigtenzahl richtet, und bei Unternehmen bzw. Einrichtungen mit besonders vielen Betriebsstätten (Filialproblematik) ein Bedarf zur Nachjustierung ergeben. Um hier entsprechende Aussagen treffen zu können, wird jedoch die weitere Evaluation erforderlich sein.

medienpolitik.net: Im Zusammenhang mit dem Modell wird von den öffentlich-rechtlichen Sendern eine größere Transparenz der Kosten und auch der Strukturen verlangt. Sehen Sie hier die Notwenigkeit und Möglichkeit, dass gesetzlich genauer zu regeln?

Jacqueline Kraege: Wer einen öffentlichen Auftrag erfüllt und dafür von den Bürgern bezahlt wird, muss selbstverständlich Rechenschaft darüber ablegen, wie er mit dem Geld umgeht. Die Rechnungshöfe prüfen den Umgang der Anstalten mit den finanziellen Mitteln bisher bereits sehr gründlich. Rechenschaft ist aber auch öffentlich abzulegen. In einem Wettbewerbsverhältnis, wie es zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk besteht, kann es allerdings für bestimmte Details problematisch sein, wenn nur der eine Wettbewerber seine ganzen Dispositionen offenlegen muss. Es wird also auch legitime Geheimhaltungsgründe geben. Aber die lassen sich mit dem Transparenzgebot in einen vernünftigen Ausgleich bringen.

medienpolitik.net: Welche programmliche Konsequenz ergibt sich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus der besseren finanziellen Absicherung durch den Rundfunkbeitrag?

Jacqueline Kraege: Ein wesentliches Ziel der Neuordnung war es, die Rundfunkanstalten als Träger des Kulturguts Rundfunk für die Zukunft finanziell abzusichern. Nur auf dieser Grundlage mit einer ausreichenden Finanzierung wird es künftig dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk möglich sein, seinen Auftrag im Interesse der Gesellschaft weiterhin zu erfüllen. Dabei wird es, auch aus meiner Sicht, angesichts der Vielfalt der medialen Angebote notwendig sein, dass Profil weiter zu schärfen und sich mit qualitativ hochwertigen Programmen aus der Masse abzuheben. Deshalb hat die Rundfunkkommission der Länder, ARD und ZDF Ende vergangenen Jahres gebeten, ein fortgeschriebenes Konzept für die künftige Ausgestaltung der Digitalprogramme im Fernsehen vorzulegen, wobei gerade auch der Aspekt der Profilbildung eine Rolle spielen soll.

medienpolitik.net: ARD und ZDF verfolgen seit Jahren eine Strategie der Verspartung im Fernsehen. Jetzt soll noch ein Jugendkanal dazukommen. Finden Sie, dass ein Jugendkanal der richtige Weg ist, mehr Jugendliche zu erreichen, oder sollten ARD und ZDF mehr auf eine Online-Vernetzung ihrer Angebote setzen?

Jacqueline Kraege: Welche Strategie hierfür für die Zukunft zu wählen ist, ist letztlich eine schwierige Frage und abschließend von den Anstalten zu beantworten. Fest steht, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Fernsehbereich vor großen Herausforderungen steht. Zum einen haben sich mit den digitalen Medien die Nutzungsgewohnheiten stark verändert, zum anderen droht den öffentlich-rechtlichen Sendern ein Generationenabriss mit Blick auf die Jugend. Insofern halten auch die Länder einen gemeinsamen öffentlich-rechtlichen Jugendkanal für einen möglichen Ansatz, um diesem Problem entgegen zu wirken. Dies kann jedoch, auch aus meiner Sicht, nur ein Baustein einer entsprechenden Strategie der öffentlich-rechtlichen Sender sein, dieses Problem anzugehen. Dazu kommen sicherlich auch ergänzend Überlegungen zu einer Online-Vernetzung geeigneter Angebote, die die Jugendlichen in den Blick nehmen.

medienpolitik.net: Sind Ihrer Meinung nach die finanziellen und programmlichen Voraussetzungen für einen Jugendkanal vorhanden, ohne dass dafür der Beitrag erhöht werden müsste?

Jacqueline Kraege: Hinweise dazu, ob und in welchem Umfang die finanziellen und programmlichen Mittel hierfür bei den Anstalten vorhanden sind, erwarten sich die Länder, von den bis Ende April vorzulegenden Konzepten der Rundfunkanstalten. Insofern möchte ich dem nicht vorgreifen

medienpolitik.net: Ist mit einem Konzept für die zukünftige Ausgestaltung der Fernsehprogramme, um das die Länder die Anstalten gebeten haben sowie einer Entscheidung zu einem Jugendkanal die Präzisierung des Auftrages von ARD und ZDF erfolgt oder sehen Sie darüber hinaus noch weiteren Handlungsbedarf?

Jacqueline Kraege: Die Länder haben die Rundfunkanstalten zur Vorlage ihrer Programmkonzeptionen und Überlegungen bis Ende April gebeten, um diese dann zunächst auf politischer Ebene der Ministerpräsidenten im Sommer zu diskutieren. Welche Folgen die Länder dann auf dieser Grundlage mit Blick auf notwendige gesetzgeberische Aktivitäten zu ziehen haben, bleibt insofern der Diskussion im Länderkreis vorbehalten.

medienpolitik.net: ZDF-Intendant Thomas Bellut hat als ein Junktim für einen gemeinsamen Jugendkanal u.a. Änderungen an der Verweildauer für die Mediatheken genannt. Sehen Sie hier auch – unabhängig vom Jugendkanal – Änderungsbedarf am 12. RÄStV?

Jacqueline Kraege: In den vergangenen Monaten haben die Länder eine Vielzahl von Schreiben der Bürgerinnen und Bürger erreicht, die die im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag getroffenen Bestimmungen zur Verweildauer der Abrufangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durchaus kritisch sehen. Insofern kann ich mir gut vorstellen, dass auch dieser Bereich noch einmal im Länderkreis mit Blick auf mögliche staatsvertragliche Änderungen diskutiert werden wird.

medienpolitik.net: Sie haben kürzlich erklärt, dass eine Einigung im Streit um die „Tagesschau-App“ überfällig sei und die Medienpolitik an dieser Stelle auf den Verhandlungsweg setzt. Aber reicht das? Ist der Streit um diese App und auch die heute.de-App nicht durch eine „schwammige“ Formulierung im 12. RÄStV ausgelöst worden?

Jacqueline Kraege: Die Medienpolitik ist stets gefordert den rechtlichen Rahmen für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags vorzugeben und nicht jede denkbare Fallkonstellation im Einzelnen zu regeln. Dies haben die Länder auch hier mit den entsprechenden rundfunkstaatsvertraglichen Bestimmungen zur Zulässigkeit der öffentlich-rechtlichen Telemedien getan. Diese Regelungen, wie auch die nach diesen Bestimmungen durchgeführten Genehmigungsverfahren im Drei-Stufen-Test wurden auch nicht in dem im Herbst vergangenen Jahres ergangenen Urteil des Landgerichts Köln beanstandet. Daher ist es aus meiner Sicht nach wie vor notwendig, dass sich Verleger und Rundfunkanstalten ihrer Funktion als Qualitätsmedien bewusst werden und eine für die Zukunft tragfähige Lösung für die Präsenz beider Parteien im Netz finden.

Das Interview wurde in der promedia-Ausgabe Nr. 05/2013 erstveröffentlicht.

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