Medienpolitik:

„ARD und ZDF müssen für Jugendliche relevant werden“

von am 26.08.2013 in Allgemein, Archiv, Dualer Rundfunk, Internet, Interviews, Jugendkanal, Medienordnung, Medienpolitik, Medienregulierung, Medienwirtschaft, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, Regulierung, Rundfunk

<h4>Medienpolitik:</h4>„ARD und ZDF müssen für Jugendliche relevant werden“
Rainer Robra (CDU), Staatsminister und Chef der Staatskanzlei Sachsen-Anhalts

Sachsen-Anhalt ist gegen Jugendkanal aber für crossmediales Jugendangebot

26.08.13 Interview mit Rainer Robra (CDU), Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die auch Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder ist, hat Ende Mai den Intendanten der ARD in Mainz ihre Pläne für eine Neuordnung der Spartenfernsehkanäle von ARD und ZDF vorgestellt. Dabei sollen ARD und ZDF auf vier Kanäle verzichten: auf Eins Festival, Eins Plus, ZDFinfo und ZDFkultur. Tagesschau 24 und ZDFneo sollen bestehen bleiben. Gemeinsam sollen ARD und ZDF dann einen neuen Jugendkanal starten.

In einem medienpolitik.net-Gespräch antwortet Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt auf diese Überlegungen. So fordert zwar Robra als Äquivalent zu einem Jugendangebot, um Kosten zu sparen, die Einstellung von ARD-ZDF-Digitalkanälen, will aber nicht alle vier Angebote infrage stellen. Auch wendet er sich dagegen eine „Jugendkanal“ zu schaffen: „Den Begriff „Kanal“ halte ich in diesem Zusammenhang eher für irreführend. Für die jungen Zuschauer ist die Organisationsstruktur völlig unerheblich. Sie entscheiden allein nach der Attraktion der Inhalte“, so Robra. Für dieses crossmediale Angebot müsse dann auch die Sieben-Tage-Regelung der Mediathek verändert werden. Im Lauf des Jahres 2014 soll ein neuer Staatsvertrag das künftige Angebot von ARD und ZDF regeln.

medienpolitik.net: Herr Rainer Robra, gegenwärtig diskutieren die Länder eine Neuordnung der Digitalkanäle von ARD und ZDF sowie der Gemeinschaftsprogramme. Veröffentlichungen der letzten Zeit nach zu urteilen, ist die Entscheidung bereits gefallen. Wann ist mit dem entsprechenden Staatsvertrag zu rechnen?

Rainer Robra: Die Länder sind noch in der Diskussion mit den Rundfunkanstalten. Das von ARD und ZDF abgestimmte Programmkonzept zur künftigen Ausgestaltung der Digitalprogramme im Fernsehen, das auch die Abgrenzung zu den Gemeinschaftsprogrammen und deren Profilbildung aufzeigt, steht noch aus. Bis zum Jahresende 2013 sind weitere Beratungen der Rundfunkkommission mit Vertretern von ARD und ZDF vorgesehen. Ich befürworte eine neue staatsvertragliche Beauftragung im Lauf des Jahres 2014, denn dieses Thema verträgt keine unendliche Diskussion. Die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler wünschen sich Klarheit, wofür sie die 17,98 Euro monatlich zahlen sollen und ARD und ZDF brauchen bald Planungssicherheit für die Programmstrategie der nächsten Jahre.

medienpolitik.net: Die Vorsitzende der Rundfunkkommission Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat anscheinend vorgeschlagen, bis auf ZDFneo und Tagesschau 24 alle Digitalkanäle einzustellen. Entspricht das auch Ihren, bzw. den Intentionen der CDU-regierten Länder?

Rainer Robra: Ich orientiere mich besonders an den Interessen der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler und verstehe dies auch als Leitlinie aller B-Länder. Die Rundfunkanstalten sind staatsvertraglich beauftragt, durch ihre Angebote die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Im Mittelpunkt des Auftrags stehen Bildung, Information, Beratung, Kultur sowie Unterhaltung, die einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entspricht. Insoweit zeigen sich heute durchaus Defizite. Vor allem gelingt es den Rundfunkanstalten schon seit langem nicht mehr, durch ihre Angebote die Bedürfnisse junger Menschen in ausreichender Weise zu erfüllen. Auch werden nur wenige der „Digitalkanäle“ im ursprünglich erwarteten Umfang eingeschaltet. Eine Anpassung der Beauftragung halte ich daher für die richtige Konsequenz. Digitalkanäle, die bisher weder durch inhaltliche Relevanz noch durch ausreichende Akzeptanz auffielen, belasten nur die Beitragszahler. Ihre Beendigung ist Voraussetzung eventueller neuer Angebote. Angebote, die beibehalten oder anstelle anderer beauftragt werden, müssen sich glasklar von allen anderen öffentlich-rechtlichen und von den privaten Angeboten abgrenzen. Und schließlich: Die Programme von ARD und ZDF müssen für junge Menschen wieder relevant werden. Nur dann hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk insgesamt Zukunft.

medienpolitik.net: Frau Dreyer schlägt auch vor, dass Phoenix komplett von der ARD betreut wird und 3Sat dafür vom ZDF. Warum? Wo liegen die Vorteile, wenn ARTE und der KiKa weiterhin Gemeinschaftsprojekte bleiben?

Rainer Robra: Die zukünftige Aufgabenverteilung von ARD und ZDF sollte eindeutige programmliche Zuständigkeiten aufweisen. Gemeinschaftsprogramme sind und bleiben dort sinnvoll, wo eine möglichst breite Palette kontinuierlicher Zulieferungen zur Auswahl stehen muss. KiKa und Phoenix sind dafür geeignete Beispiele. ARTE benötigt ebenfalls eine breite Basis, um im deutsch-französischen Gesamtangebot überzeugen zu können. ARTE hat sich als modernes, internationales Programm profiliert und ist durchaus gefragt. Von 3Sat kann man das so nicht sagen. Das ZDF als nationale Rundfunkanstalt könnte bei 3Sat die Federführung übernehmen und mit den Partnern ORF und SRG zu einem echten europäischen Programm aufbauen, gleichrangig mit ARTE. Dabei kann sich das ZDF auf seine Erfahrungen mit ZDF-kultur stützen. 3Sat kann zum führenden Kulturprogramm des deutschen Sprachraums werden und neue Brücken Richtung Osteuropa bauen. Die Orchester und Chöre der ARD und die ARD-Kulturradios sollten daran beteiligt werden, was der MDR für die ARD koordinieren könnte. Schließlich zum Thema Information: das Zuschauerinteresse an „Tagesschau24“ ist bisher leider nicht so hoch wie erwartet. Die bekannteste Marke der ARD, die „Tagesschau“, sollte aber die Gelegenheit haben, sich weiter zu profilieren, besonders bei den Telemedien. „ZDF-info“ ist im Vergleich zu „Tagesschau24“ und zu „Phoenix“ anders angelegt und hat bereits einige Akzeptanz erreicht. Einen wichtigen Grund, „ZDF-info“ zu beenden, sehe ich daher momentan nicht, halte aber Kompromisse für denkbar.

medienpolitik.net: Ist mit diesen Überlegungen über eine Neuordnung verschiedener Sender bereits über einen gemeinsamen Jugendkanal entschieden?

Rainer Robra: Seit langem trete ich für ein neues trimediales Jugendangebot von ARD und ZDF ein, weil ich hoffe, dass dem programmlichen Generationenabriss damit auf Dauer entgegengewirkt werden kann. Den Begriff „Kanal“ halte ich in diesem Zusammenhang eher für irreführend. Für die jungen Zuschauer ist die Organisationsstruktur völlig unerheblich. Sie entscheiden allein nach der Attraktion der Inhalte. Wichtig ist daher ein inhaltlich überzeugendes Konzept, das den Ländern vor einer Beauftragung vorliegen muss. Ferner kann das trimediale Jugendangebot nur dann neu beauftragt werden, wenn dafür mindestens ein anderes Angebot wegfällt. Insoweit bieten sich die heutigen Programme „Eins Festival“ und „ZDF-kultur“ an, wobei die Kreativität von „ZDF-kultur“ in ein neues 3Sat einfließen sollte. Aus der Sicht von 14 bis 29 jährigen wäre eine Anbindung an den Kinderkanal wahrscheinlich wenig attraktiv.

medienpolitik.net: Ist ein Jugendkanal mit einer Erhöhung des Rundfunkbeitrages verbunden? Allein aus den Einsparungen aus der Stilllegung von vier Digitalprogrammen lässt er sich ja kaum finanzieren?

Rainer Robra: Die Kosten ergeben sich aus dem inhaltlichen Konzept, das noch nicht vorliegt. Das trimediale Jugendangebot kann nicht beauftragt werden, wenn speziell diese Maßnahme eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags verursachen würde. Ich halte es aber für möglich, dass sich aus einer klugen Neuaufstellung der hier diskutierten Programmaktivitäten insgesamt strukturelle Einspareffekte ergeben. ARD und ZDF müssen ihre Ressourcen für die Inhalteproduktion nutzen und Overheadkosten weiter abbauen.

medienpolitik.net: Die Federführung soll bei der ARD liegen, die auch 2/3 der Kosten und des Programms trägt. Warum dieses Konstrukt?

Rainer Robra: Eine Federführung bei einer ARD-Landesrundfunkanstalt halte ich grundsätzlich für richtig, weil über die ARD der Zugang zu den jungen Radioprogrammen am besten möglich ist. Diese Programme haben seit Generationen ihre jeweilige Community bei jungen Menschen, auch im Internet. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich ein trimediales Jugendangebot auf diese Weise lebendig gestalten lässt.

medienpolitik.net: Als eine Voraussetzung für ein crossmediales Jugendangebot sehen mehrere Länder die Abschaffung der Sieben-Tage-Regelung bei den Mediatheken. Ist das angesichts der komplizierten Verhandlungen mit Brüssel über den 12. RÄStV so einfach möglich?

Rainer Robra: Ja. Hintergrund der Sieben-Tage-Regelung war es unter anderem, ARD und ZDF selbst zu schützen vor dem Wildwuchs, der sich damals auf ihren Webseiten ausbreitete. Hier sind mittlerweile klarere Konturen entstanden, die auf den Regelungen des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags beruhen. Insgesamt haben sich die Dinge im Onlinebereich anders entwickelt als damals angenommen.

medienpolitik.net: Dieses Konzept der „Kanalneuordnung“, das Frau Dreyer präsentiert hat, würde insgesamt anscheinend die ARD stärken, vor allem im Bereich der politischen Informationen. Ist das das Ziel der Länder?

Rainer Robra: Die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler werden von den Ländern wissen wollen, wie ein geänderter Auftrag die öffentlich-rechtlichen Kernkompetenzen Information, Bildung und Kultur insgesamt stärkt und ob die Angebote zukünftig auch für jüngere Menschen relevant sind. Die Stärkung ausgewählter Rundfunkanstalten oder einzelner Positionen reicht als Antwort auf diese Herausforderung nicht aus. Gefragt sind stattdessen die Kreativität und die Motivation der Redakteurinnen und Redakteure sowie die Kooperationsbereitschaft möglichst vieler Rundfunkanstalten, auch aus Kostengründen. Aus Sicht eines ostdeutschen Landes, in dem das duale Rundfunksystem nun immerhin seit 1991 besteht, denke ich an den Wunsch unserer Bürgerinnen und Bürger, sich in den von ARD und ZDF veranstalteten Programmen wiederzufinden. Ich würde es daher begrüßen, wenn auch dieses Ziel in den neuen Programmkonzepten erkennbar und nachhaltig verwirklicht würde.

Der Beitrag wurde in der promedia-Ausgabe Nr. 09/2013 erstveröffentlicht.

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