Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:

„Wenn das Konzept überzeugt, stellt sich die Frage nach der Beauftragung nicht mehr“

von am 12.08.2013 in Archiv, Dualer Rundfunk, Interviews, Jugendkanal, Medienpolitik, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, Rundfunk

<h4>Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:</h4>„Wenn das Konzept überzeugt, stellt sich die Frage nach der Beauftragung nicht mehr“
Albrecht Gerber, Chef der Brandenburger Staatskanzlei

Länder wollen bis Ende des Jahres über ARD-ZDF-Jugendkanal entscheiden

12.08.13 Interview mit dem Chef der Brandenburger Staatskanzlei Albrecht Gerber

Beim Chef der Staatskanzlei Albrecht Gerber löst die Diskussion um den Rundfunkbeitrag „nicht per se den Reflex aus, den Auftrag zu reduzieren bzw. Kanäle zu streichen. Die Länder führen, so Gerber, „in erster Linie eine Qualitätsdebatte und nicht von vorneherein eine Auftragsreduzierungsdebatte“. Unabhängig davon würden die Länder den Auftrag überprüfen bzw. fortentwickeln. Gerber setzt sich in dem medienpolitik.net-Gespräch für ein crossmediales Jugendangebot ein. Wenn ein solches Konzept überzeugt, stelle sich die Frage nach der Beauftragung nicht mehr, sondern nur noch diejenige nach der Finanzierbarkeit, so Gerber.

medienpolitik.net: Herr Gerber, die Ministerpräsidenten wollen den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bis 2014 präzisieren um längerfristig den Beitrag von 17,98 stabil zu halten. Sehen Sie angesichts der kritischen Debatte zum neuen Rundfunkbeitrag, die Notwendigkeit, den Auftrag weiter zu reduzieren, damit stärkere Einsparungen möglich sind?

Albrecht Gerber: Was die Beitragsstabilität über das Jahr 2014 hinaus betrifft: Nach Vorlage des für März 2014 erwarteten 19. KEF-Berichts, der die aktuellen Entwicklungen beim Beitragsaufkommen bis zum Jahresende 2013 berücksichtigen wird, wissen wir mehr. Die Diskussion um den Rundfunkbeitrag löst bei mir nicht per se den Reflex aus, den Auftrag zu reduzieren bzw. Kanäle zu streichen. Dass die Länder von den Anstalten Rationalisierungsmaßnahmen mit Blick auf eine angemessene Belastung der Beitragszahler erwarten, liegt auf der Hand. Unabhängig davon werden die Länder den Auftrag überprüfen bzw. fortentwickeln. Hier führen wir aber in erster Linie eine Qualitätsdebatte und nicht von vorneherein eine Auftragsreduzierungsdebatte.

medienpolitik.net: Die Ministerpräsidenten hatten ARD und ZDF beauftragt, einen Vorschlag für die Nutzung der Digitalkanäle und ein Konzept für einen Jugendkanal zu unterbreiten. Ist damit bereits vorentschieden, dass sich die Zahl der Digitalkanäle verringern muss oder in der jetzigen Form  ganz eingestellt werden?

Albrecht Gerber: Wir reden hier über zwei verschiedenen Paar Schuhe. Die Rundfunkkommission hat ARD und ZDF damit beauftragt, ein Konzept für die künftige Ausgestaltung der Digitalprogramme vorzulegen. Deren Einstellung kann eine Folge von Wirtschaftlichkeitserwägungen in diesem Zusammenhang sein, vor allem, wenn man die Abgrenzung zu den gemeinsamen Programmen in den Blick nimmt. Doch es geht eben nicht nur um Einsparpotenziale, sondern auch um den Erhalt des jeweiligen Markenkerns und des Wettbewerbs zwischen ARD und ZDF. Die Papiere von ARD und ZDF, die inzwischen auf dem Tisch liegen, zeigen aber, dass der Verzicht auf Digitalkanäle möglich ist und offenbar nicht zum Identitätsverlust führt. Das ist eine sehr begrüßenswerte Basis für ein gemeinsames Konzept.

Was den Jugendkanal betrifft, so macht es in der jetzigen Phase überhaupt noch keinen Sinn, sich zu fragen, ob und wenn ja was dafür geopfert werden muss. Es geht doch erst einmal darum, ob wir ein Jugendangebot überhaupt beauftragen wollen. Wir brauchen also eine Antwort darauf, wie es ausgestaltet sein muss, um erfolgreich zu sein. Deshalb hat die Rundfunkkommission ARD und ZDF aufgefordert, bis Ende 2013 eine gemeinsame Ausarbeitung für ein crossmediales Jugendangebot vorzulegen.

medienpolitik.net: Die ARD begründet die Überlegungen zu einem Jugendkanal mit der Notwendigkeit, mehr Jugendliche erreichen zu müssen. Sehen Sie diese Notwendigkeit auch?

Albrecht Gerber: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat kein Angebot, dass die Jugendlichen auffängt, die dem KiKA entwachsen sind. Es wird zunehmend schwieriger, die 14 bis 29-Jährigen über die Hauptprogramme zu erreichen. Sie schalten nicht mehr zu einer bestimmten Uhrzeit den Fernseher an. Ich halte ein speziell auf diese Gruppe zugeschnittenes Angebot, das Radio, Fernsehen und Internet miteinander verknüpft, für eine gute Möglichkeit, um dem Grundversorgungsauftrag entsprechend auch bei den Jugendlichen mit dem öffentlich-rechtlichen Programm anzukommen.

medienpolitik.net: Ist ein Jugendkanal – wie man oft hört – ein entscheidender Weg, um die Akzeptanz des Rundfunkbeitrages gerade unter Jugendlichen zu erhöhen?

Albrecht Gerber: Wenn es ARD und ZDF gelingt, einen Jugendkanal aufzulegen, der die abhanden gekommene Zielgruppe wieder zurückgewinnt – ja, natürlich.

medienpolitik.net: Das ZDF hält einen gemeinsamen Jugendkanal nur unter der Voraussetzung für realisierbar, dass dafür mehr Mittel aus dem Rundfunkbeitrag zur Verfügung gestellt werden. Sollte man für einen Jugendkanal den Rundfunkbeitrag erhöhen?

Albrecht Gerber: Eins nach dem anderen. Zunächst muss ich wissen, wie ARD und ZDF einen erfolgreichen Jugendkanal konzipieren würden. Ohne Schere im Kopf. Ein solches Konzept müsste darlegen, dass es im Sinne des Grundversorgungsauftrages notwendig ist, einen Jugendkanal zu etablieren. Wenn das überzeugt, stellt sich die Frage nach der Beauftragung nicht mehr, sondern nur noch diejenige nach der Finanzierbarkeit. Ist das Angebot kostenneutral durch Einsparungen an anderer Stelle umsetzbar oder zieht es eine Beitragserhöhung nach sich? Dass man vor einer Staatsvertragsänderung rechnet, hat nichts mit dem Zerreden guter Ideen zu tun, sondern mit Fairness dem Beitragszahler gegenüber.

medienpolitik.net: Nach Ansicht der ARD könne und sollte ein Jugendkanal bald starten. Ist es sinnvoll mit einem solch neuen Projekt zu starten, das selbst nach ARD-Schätzung im ersten Jahr zwischen 60 und 80 Millionen Euro kostet, bevor nicht eine Evaluierung des neuen Rundfunkbeitrages erfolgt ist?

Albrecht Gerber: Im Rahmen der Evaluierung werden völlig andere Themen behandelt. Dort geht es um die Struktur des Beitrages, wer welchen Anteil leistet und ob das ausgewogen ist. Der Finanzierungsbedarf der Anstalten ist nicht Gegenstand der Evaluation. Richtig ist aber, dass auch die Beitragsentwicklung in den Blick genommen werden sollte, wenn es schließlich um die Frage der finanziellen Auswirkungen eines Jugendkanals geht. Da wir ARD und ZDF bis Ende des Jahres Zeit gelassen haben und es zuvor eines Rundfunkänderungsstaatsvertrages bedarf, wird ein Jugendkanal wohl kaum starten, bevor im März 2014 die ersten Erkenntnisse in Sachen Beitragsaufkommen vorliegen.

medienpolitik.net: Wäre ein ausschließliches Online-Angebot eine Alternative zu einem Jugendkanal, um mehr Jugendliche dazu zu bringen, Inhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu nutzen?

Albrecht Gerber: Eine solche Beschränkung wäre falsch, gerade wenn man ein starkes Angebot im Netz erreichen möchte. Jüngere Menschen nutzen zwar nicht mehr nur, aber außerdem immer noch das Fernsehen, auch um von dort auf die Online-Angebote der Sender umzusteigen.

medienpolitik.net: Was halten Sie von der Forderung, die Sieben-Tage-Einstellfrist der Mediathek zu ändern?

Albrecht Gerber: Wer über ein crossmediales Jugendangebot nachdenkt, muss sich natürlich fragen, ob die Sieben-Tage-Regelung noch Sinn macht. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass diese Regelung Teil des Gesamtpakets ist, mit dem seinerzeit die EU-Kommission dazu bewegt werden konnte, das Beihilfeverfahren über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einzustellen. Auf dieser Ebene werden Gespräche zu führen sein.

Der Beitrag wurde in der promedia-Ausgabe Nr. 08/2013 erstveröffentlicht.

Print article