Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:

„Ein Jugendkanal muss aus dem Bestand realisiert werden“

von am 23.09.2013 in Archiv, Dualer Rundfunk, Interviews, Jugendkanal, Medienpolitik, Medienwirtschaft, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, Rundfunk

<h4>Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:</h4>„Ein Jugendkanal muss aus dem Bestand realisiert werden“
Thomas Kreuzer

Kreuzer für Streichung von drei Digitalkanälen – Für Erhalt von ZDFinfo

23.09.13 Interview mit Thomas Kreuzer, Staatsminister und Chef der Bayerischen Staatskanzlei

In einem medienpolitik.net-Gespräch hat sich der Chef der bayerischen Staatskanzlei Thomas Kreuzer dafür eingesetzt, dass von den sechs Digitalkanälen der ARD und des ZDF drei erhalten bleiben: ZDFneo, ZDFinfo und tagesschau 24. Der neu geplante Jugendkanal soll trimedial ausgerichtet werden. Kreuzer machte in dem Gespräch deutlich, dass es für ein neues Jugendangebot nicht mehr Geld geben wird: „Ich gehe davon aus, dass die zunächst veranschlagten Mittel, die durch Streichung der drei Kanäle ZDFkultur, EinsExtra und EinsFestival eingespart werden, ein entsprechendes Angebot ermöglichen.“ Kreuzer betonte aber auch, dass sich Sparen für die Sender auch lohnen müsse und nicht „durch Finanzausgleichsmechanismen konterkariert“ werden dürfe. Der Bayerische Medienminister spielt damit auf die Forderungen kleiner Sender an, den Finanzausgleich innerhalb der ARD neu zu regeln.

medienpolitik.net: Herr Kreuzer, der SWR baut EinsPlus mit neuen Programmen weiter zu einem Jugendkanal aus. Entspricht das auch den Vorstellungen Bayerns, dass aus diesem Digitalkanal ein gemeinsamer Jugendkanal von ARD und ZDF entstehen soll?

Thomas Kreuzer: Wichtig ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk alle Altersgruppen anspricht und damit seinem Auftrag gerecht wird. Ministerpräsident Seehofer hat bereits im Oktober letzten Jahres im Vorfeld der Münchner Medientage den Jugendkanal gefordert, jedoch unter der Voraussetzung, dass damit keine Beitragserhöhung verbunden ist. Dies ist nur möglich, wenn andere Angebote eingespart werden. Weiter ist unverzichtbar, dass der Jugendkanal von Anfang an trimedial ausgerichtet ist. Jugendliche nutzen Inhalte über unterschiedliche Technologien, sind flexibel in der Zeit der Nutzung und gewöhnt, sich ihre Themen selbst zusammen zu stellen. Deshalb muss in dem Konzept, das ARD und ZDF bis Oktober erarbeiten werden, eine überzeugende Lösung zur Integration der Fernsehprogramme mit Radiosendern und neuen Medien enthalten sein.

medienpolitik.net: Was halten Sie davon, wenn das ZDF ZDFneo als Experimentierfeld behält, um die „älteren“ Jugendlichen anzusprechen, die ARD den Digitalkanal tagesschau24 behält und die ARD für den ARD-ZDF-Jugendkanal die Federführung erhält und alle anderen Digitalkanäle eingestellt werden?

Thomas Kreuzer: Es gibt viele denkbare Optionen. Am Ende muss ein stimmiges Konzept stehen, mit geschärftem öffentlich-rechtlichem Profil, um die Akzeptanz bei den Bürgern für den von allen finanzierten Rundfunk zu sichern. Die von Ihnen genannten Programme haben durchaus ihre Relevanz. ZDFneo erreicht ein jüngeres Publikum als das ZDF-Hauptprogramm. Für die ARD ist tagesschau24 eine wichtige Marke, die in die Internetwelt ausstrahlt. Eine Federführung für den Jugendkanal bei der ARD ist sachlogisch naheliegend, weil dort die Kombination mit den Radioprogrammen einfacher erfolgen kann. Ich gehe davon aus, dass deshalb der Vorschlag auch von der gemeinsamen Arbeitsgruppe von ARD und ZDF in diesem Sinne erfolgen wird.

medienpolitik.net: Es gibt den Vorschlag der SPD, die Zuständigkeit für Phoenix und 3Sat zu ändern. Ist das sinnvoll?

Thomas Kreuzer: Eine klare Trennung der Zuständigkeiten hatten wir bereits vor Jahren diskutiert. Es zeigte sich aber, dass es mit einer Zusammenarbeit im Ergebnis besser läuft, trotz mancher Synergieeffekte einer eindeutigen Zuordnung. Die Programmmacher, die etwas davon verstehen, sind für eine gemeinsame Verantwortung bei Phönix. Ich begrüße es, dass er als Ereigniskanal wieder deutlich hervortreten soll. Dafür ist es hilfreich, wenn beide Sendergruppen aktuelle Bezüge zuliefern können.

medienpolitik.net: Was halten Sie von der Idee, den KiKa ab 20.00 Uhr für Angebote von Jugendlichen zu nutzen, das würde doch sicher auch die Kosten senken?

Thomas Kreuzer: Zumindest würden die technischen Ressourcen optimal genutzt. Entscheidend ist aber etwas anderes: Die Auffindbarkeit des neuen Angebots. Das neue Licht soll ja nicht unter den Scheffel gestellt werden. Ich glaube deshalb, dass eine Parallele KiKa-Juka auf die Zielgruppe eher abschreckend wirken könnte, weil die Jugendlichen dann dort den pädagogisch-moralischen Finger vermuten. Das neue Angebot sollte nicht bemüht „jugendlich“ sein, sondern als ein normales Angebot für Jugendliche interessant gestaltet werden.

medienpolitik.net: Das ZDF fordert für einen Jugendkanal mehr Geld. Ist das wegen der zusätzlichen Programmangebote berechtigt?

Thomas Kreuzer: Sowohl Ministerpräsident Seehofer als auch ich haben immer betont, dass der Jugendkanal aus dem Bestand realisiert werden soll. Denn stetig wachsender Finanzbedarf der Rundfunkanstalten ist den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr zu vermitteln. Letztlich liegt es aber in der Zuständigkeit der unabhängigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), den Bedarf zu beziffern. Ich gehe davon aus, dass die zunächst veranschlagten Mittel, die durch Streichung der drei Kanäle ZDFkultur, EinsExtra und EinsFestival eingespart werden, ein entsprechendes Angebot ermöglichen. Erfolgreiche Private kommen mit weniger aus. Vergessen sie nicht das umfassende Programmvermögen von ARD und ZDF.

medienpolitik.net: Verbunden mit dem Jugendkanal gibt es auch die Forderung, die Sieben-Tage-Frist bei Mediatheken zu verändern. Was halten Sie davon?

Thomas Kreuzer: Angesichts der technischen Fortentwicklung müssen wir den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nachjustieren. Gegenwärtig sind die Sender verpflichtet, alle ihre Angebote bis sieben Tage einzustellen, zusätzlich sorgen Telemedienkonzepte und ein zeitunabhängiges Archivangebot dafür, dass ein umfassendes Angebot im Netz vorhanden ist. Änderungen werden jedoch nur mit dem Drei-Stufen-Test möglich. Hier halte ich weniger Formalismus für angebracht. Weil aber die heutige Regelung auf Forderungen der EU zurückgeht, müssen wir die Neubeauftragung auch in Brüssel vorklären.

medienpolitik.net: Ein crossmediales Jugendangebot von ARD und ZDF führt auch zu mehr mobilen Angeboten, zu neuen Apps. Fürchten Sie hier erneut Konflikte mit privaten Medienanbietern?

Thomas Kreuzer: Wir dürfen nicht übersehen: Schon heute ist Rundfunk mobil, denken sie nur an das Autoradio. Aber natürlich werden neue Angebote dazu kommen müssen. Gerade die jugendliche Zielgruppe nutzt die Smartphones und Tablets intensiv. Der Auftrag, klar definiert, auch hinsichtlich des erwartenden Qualitätsniveaus, sollte genug Sicherheit für die Planungen Privater bieten. Vor publizistischem Wettbewerb müssen sich unsere privaten Medienhäuser nicht fürchten.

medienpolitik.net: Wovon hängt es vor allem ab, ob ein gemeinsames Jugendangebot von ARD und ZDF beauftragt werden wird?

Thomas Kreuzer: Die Rundfunkanstalten müssen uns ein schlüssiges Konzept für die Zukunft ihrer Digitalkanäle vorlegen, hinterlegt mit einem Geschäftsplan und plausibler Finanzierung. Nur mit frei werdenden Kapazitäten wird es ein gemeinsames Jugendangebot geben. Zudem muss das Konzept überzeugend darlegen, dass mit dem neuen Kanal der Generationenabriss tatsächlich überwunden wird. Es genügt weder eine Kopie erfolgreicher Privater noch der massenhafte Einkauf von US-Serien. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Kreativität bei ARD und ZDF vorhanden ist.

medienpolitik.net: Immer mehr Zuschauer nutzen die Inhalte von ARD und ZDF online. Hat das dann nicht zur Konsequenz, dass die öffentlich-rechtlichen Sender auch mehr in die digitalen Verbreitungswege investieren müssen und dafür zusätzliche Gebührenmittel benötigen?

Thomas Kreuzer: Die KEF hat all das bereits berücksichtigt. Und über sieben Milliarden Euro Beitragsmittel ermöglichen eine ganze Menge! Der Schluss auf zusätzliche Beitragsmittel ist also nicht zwingend. Die neuen Nutzungsgewohnheiten führen umgekehrt auch dazu, dass auf andere Angebotstechniken oder Inhalte verzichtet werden kann. Mit einer forcierten Nutzung der Digitaltechnik können also Kosten eingespart werden. Vernetzung ist hier das entscheidende Stichwort. Das aktuelle Programm kann im Smart-TV künftig ganz einfach mit Abrufangeboten verbunden werden.

medienpolitik.net: Welche Themenfelder sehen Sie für Kosteneinsparungen über die Digitalkanäle hinaus noch?

Thomas Kreuzer: Zum Glück machen es die Sender bereits vor, wo und wie gespart werden kann. Dadurch gelang es den Ländern, die 17,98 € über mehrere Jahre stabil zu halten. Personalumfang, Rechteeinkauf, Zusammenlegung von Einrichtungen und Straffung von Strukturen – hier gab und gibt es viele Möglichkeiten, den Sendern wieder finanzielle Spielräume zu eröffnen. Zudem haben die Experten der KEF in den vergangenen Jahren durch ihre Untersuchungen und Berechnungen die Transparenz erhöht. Sparen muss sich allerdings für die Sender auch lohnen und darf vor allem nicht durch Finanzausgleichsmechanismen konterkariert werden.

Der Beitrag wurde in der promedia-Ausgabe Nr. 10/2013 erstveröffentlicht.

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