Internet:
Klarstellungen zur Causa Google

Missbrauch digitaler Monopole verstößt gegen EU-Recht
04.08.14 Von Dr. Christoph Fiedler, Rechtsanwalt, Geschäftsführer Europa- und Medienpolitik im VDZ, Helmut Verdenhalven, Rechtsanwalt, Mitglied der Geschäftsleitung des BDZV
VDZ und BDZV haben 2009 das Bundeskartellamt ersucht, ihres Erachtens wettbewerbswidrige Manipulationen der Ergebnisanzeigen der Google-Suchmaschine abzustellen. Die Bonner Behörde gab die Beschwerde 2010 an die EU-Kommission ab. Dort sind inzwischen wenigstens 26 Missbrauchsverfahren gegen Google Inc. anhängig. Als Ausgangspunkt ist unstreitig, dass Google mit einem Marktanteil von über 90 Prozent bei der Internet-Suche in Deutschland über ein Quasi-Monopol verfügt. Ähnliches gilt für andere europäische Suchmärkte.
I. Google benutzt sein Suchmonopol für die willkürliche Bevorzugung eigener Angebote bei Ranking und Darstellung
Ebenso unstreitig ist, dass der Quasi-Monopolist bei den Suchantworten vielfach seine eigenen Angebote nach Ranking und Darstellung gegenüber Konkurrenzprodukten bevorzugt. Die jeweils verwendeten Relevanzfilter und Platzierungskriterien gelten für alle, nur nicht für Googles eigene Inhalte und Produkte. Beispielsweise werden alle in Frage kommenden Google-Konkurrenten nach den jeweils aktuellen Rankingkriterien bewertet, allein Google-Shopping wird ohne Anwendung dieser Kriterien an allen anderen vorbei nach Gutdünken an die erste Stelle gesetzt. Und während alle anderen, hinter Google zurückgesetzten Seiten mit Link und Text auskommen müssen, erscheint allein das auf den besten Platz gesetzte Google-Angebot mit ansprechenden Bildern, konkreten Produktnamen, Details und Preis.
Auch Google selbst behauptet schon lange nicht mehr, es behandele alle miteinander konkurrierenden Angebote nach den gleichen Kriterien. Google gibt die doppelte Bevorzugung eigener Inhalte in seinen Vorschlägen für einen Vergleich mit der EU-Kommission zu. In dem Vergleichsvorschlag wird vereinbart und mit Beispielsbildern illustriert, wie die Suchmaschine ihre eigenen Angebote nach Gutdünken besser behandeln darf als alle Konkurrenzangebote. Ungeachtet seiner Monopolstellung beansprucht Google das Recht, die eigenen Produkte in der Suche zu begünstigen und Konkurrenzprodukte zu benachteiligen. Spätestens seit Veröffentlichung des ersten Vergleichsvorschlags im Amtsblatt der EU im April 2013 ist die Tatsache der Selbstbegünstigung und Konkurrenzbenachteiligung durch den Monopolisten für jedermann nachlesbar und unbestreitbar. Nur bei der ein oder anderen Medienäußerung reibt man sich die Augen, wenn beispielsweise noch im Juli dieses Jahres gefragt wird „Platziert Google eigene Inhalte prominenter als die der Konkurrenz?“.
II. Die Bevorzugung eigener und Benachteiligung fremder Angebote im Such- und Antwortmonopol ist das grundlegende wettbewerbsrechtliche Problem
Unstreitig ist sodann, dass diese Bevorzugung eigener Angebote durch Google in seiner Monopolsuche die grundlegende Sorge der Wettbewerbshüter im EU-Missbrauchsverfahren ausmacht. Das hat Joaquín Almunia ausdrücklich anerkannt. Schwer zu verstehen ist alleine, wieso Almunia dann nicht von Google verlangt, die Bevorzugung eigener Angebote abzustellen, sondern im Gegenteil die Selbstbevorzugung und Diskriminierung der Konkurrenz in einem sinnlosen Vergleich ausdrücklich billigen will.
III. Die Selbstbegünstigung eigener Angebote durch ein Suchmaschinenmonopol beschädigt Marktwirtschaft und Demokratie
Von Almunia behauptete Unzulänglichkeiten des europäischen Missbrauchsverbots erscheinen vorgeschoben. Scheu vor der Konfrontation mit einem der mächtigsten Monopolisten der Welt, Unsicherheiten in Fragen digitaler Wettbewerbsökonomie oder ordnungspolitische Prinzipienschwäche würden eher zu einem Stil passen, der einen Deal der konsequenten Anwendung des Missbrauchsverbots vorzieht. Die Widersprüchlichkeit des Vorgehens ist offensichtlich: Wenn, wie Almunia es wohl annimmt, das Missbrauchsverbot dem Monopolisten nicht verwehrt, seine eigenen Angebote zu bevorzugen, ist schon nicht erklärlich, wieso Almunia überhaupt diese Ungleichbehandlung für wettbewerbsrechtlich problematisch erachtet und Abhilfe einfordert. Wenn aber, wie Almunia zu Recht erkennt, die Selbstbegünstigung und Drittbenachteiligung das wettbewerbsrechtliche Hauptproblem ist, kann die Fortführung dieser Selbstbegünstigung keine Lösung sein.
Der weitere Hinweis, es gebe keinen Präzedenzfall, erscheint angesichts des historisch ersten Falles eines Internet-Suchmaschinenmonopols naiv. Welcher, wenn nicht der vorliegende Fall ist der Präzedenzfall für die Behandlung digitaler Plattformmonopole, die ihre eigenen Inhalte bevorzugen und den übrigen Markt benachteiligen?
Tatsächlich wäre das Missbrauchsverbot der digitalen Ökonomie mit ihren monopolbegünstigenden Netzwerkeffekten in keiner Weise gewachsen, würde es einem Internet-Suchmonopol die Bevorzugung eigener Angebote gestatten. Eine marktbeherrschende Internet-Suche, die auf der Antwortebene ihre eigenen Produkte im Kampf mit der Konkurrenz um Leser, Zuschauer, Käufer und Wähler bevorzugt, muss vielmehr als der Prototyp des Missbrauchs marktbeherrschender Digitalplattformen angesehen werden.
Wer einerseits über das Quasi-Monopol für die Beantwortung von Internet-Suchen verfügt und andererseits selbst Antworten anbietet, mit deren Bevorzugung er Millionen verdienen kann, ist zwangsläufig in einem fundamentalen Interessenkonflikt. Im Verein mit den positiven Netzwerkeffekten der digitalen Netzökonomie gefährdet dieser Interessenkonflikt den freien Wettbewerb der Produkte, Ideen und Meinungen. Marktwirtschaftliche Demokratien, die in einem digitalen Zeitalter an der Offenheit ihrer ökonomischen und ideellen Märkte festhalten wollen, müssen als minimales Strukturelement die Selbstbegünstigung von Suchmonopolen unterbinden.
Dabei ist schon die Duldung des Monopols nicht selbstverständlich. Sie entspricht der offline geborenen Tradition, nach der das Wettbewerbsrecht Monopole nur unterbindet, wenn sie durch Fusionen entstehen, im Falle des gewachsenen Monopols hingegen lediglich dessen Missbrauch untersagen. Ob dieser Ansatz in der monopolfreundlichen digitalen Ökonomie noch zeitgemäß ist, erscheint fraglich, soll aber hier dahin stehen. Denn selbst wenn man es bei der Unangreifbarkeit gewachsener Monopole belässt, heißt das keinesfalls, dass dem Monopolisten der Suchinfrastruktur auch Internet-Angebote erlaubt bleiben müssen, die als Antworten in der Monopolsuche in Betracht kommen. Google bleibt auch dann Suchmonopolist, wenn alle anderen Aktivitäten verkauft werden müssen. Eine organisatorische Desintegration im Sinne der institutionellen Beseitigung des Interessenkonfliktes zwischen Suche und eigenen Suchantworten ist das wirksamste Mittel zur Beseitigung des Missbrauchs. Es sollte als ultima ratio auch nicht ausgeschlossen werden. Allein im Sinne der Verhältnismäßigkeit ist es richtig, zunächst durch verhaltensbezogene Auflagen eine Abhilfe zu versuchen.
Selbst diese milde verhaltensbezogene Abhilfe ist für Almunia noch zuviel. Sei es in Verkennung der digitalen Netzökonomie oder der Interpretationsanforderungen des Wettbewerbsrechts scheint er wild entschlossen, Google den ersehnten Freibrief zu verschaffen. EU-Kommissionspräsident Barroso kann ihn stoppen. Er muss nur Almunias Ansinnen zurückweisen, den undurchsichtigen Deal auf die Tagesordnung der noch amtierenden EU-Kommission zu setzen. Barroso würde so der Juncker-Kommission die Option für eine konsequente Anwendung des EU-Missbrauchsverbots auch auf digitale Monopole verschaffen. Gestattet Barroso hingegen Almunia, die alte Kommission doch noch zur Kapitulation vor dem Suchmonopol zu bewegen, würde er seine Barroso II-Kommission mit einer tragischen Zeitenwende in der EU-Wettbewerbspolitik verbinden. Die EU-Kommission war bislang die wohl einzige Wettbewerbsbehörde der Welt, die auch gegenüber US-amerikanischen Marktbeherrschern das Missbrauchsverbot konsequent durchsetzte. So brachte sie bspw. Microsoft dazu, jede Bevorzugung des eigenen Internet-Browsers in seinem Betriebssystem-Quasimonopol abzustellen. Dieselbe EU-Kommission würde im Falle eines Vergleichsabschlusses mit ihrer „unglaublichen Schwäche gegenüber Google“ (Le Monde) zum zahnlosen Tiger, ja mit der ausdrücklichen Billigung der Selbstbegünstigung sogar zum Beschützer und Förderer der digitalen Plattformmonopole.
IV. Die Bevorzugung eigener Angebote durch eine Monopolsuchmaschine kann durch ein deutsches Gesetz untersagt werden
Es besteht kein Zweifel, dass der nationale Gesetzgeber, also die Berliner Regierungskoalition, die Bevorzugung eigener Angebote und Diskriminierung von Drittangeboten durch marktbeherrschende Suchmaschinen untersagen kann. Selbst Almunia meint irrig nur, das allgemeine Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV reiche dafür nicht, räumt aber ein, dass die Selbstbegünstigung und Drittdiskriminierung gesetzlich ohne weiteres untersagt werden kann. In dieser Frage verfügt Deutschland auch noch über die Gesetzgebungskompetenz. Das EU-Recht lässt den Mitgliedsstaaten unstreitig einen entsprechenden Spielraum (vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 VO 1/2003).
Da auch der Koalitionsvertrag Neutralität von Suchmaschinen verlangt, „die sicherstellen müssen, dass alle Angebote diskriminierungsfrei aufzufinden sind“, sollte einer engagierten Berliner Gesetzesinitiative nichts im Wege stehen. Es bietet sich an, das Gesetz mit den Ländern in der Diskussion über Elemente einer neuen Medien- und Kommunikationsordnung abzustimmen. Wenn es ein selbstverständliches Element einer solchen Ordnung gibt, dann doch jedenfalls die Neutralität marktbeherrschender digitaler Suchplattformen. Alles andere wäre eine Kapitulation vor dem Missbrauch des Monopols von Marktmacht zum Schaden von Verbrauchen, Wirtschaft und Pluralismus. Keine europäische Alternative zu Googles Suchmonopol zu haben ist das eine; die europäische ökonomische und publizistische Vielfalt der Willkür des Monopolisten auszuliefern, etwas anderes (M. Hanfeld).
Deshalb ist nun eine Regelung nötig, die marktbeherrschenden Suchmaschinen die Bevorzugung eigener Inhalte und anderweitige Diskriminierungen von Inhalten Dritter untersagt. Sie könnte sachgerecht beispielsweise im Telemediengesetz getroffen werden. Eine Länderregelung alleine genügt nicht, da auch nicht mediale Angebote, Dienste und Inhalte erfasst werden müssen. Die Länder könnten aber ggf. medienspezifische Aspekte ergänzen.
V. Ein nationales Verbot ist unabhängig vom EU-Missbrauchsverfahren nötig
Will die EU-Kommission eine in der digitalen Welt relevante Wettbewerbshüterin bleiben, wird sie das Missbrauchsverbot auf das paradigmatische Suchmonopol konsequent anwenden. Auch dann wird das EU-Missbrauchsverfahren noch lange dauern und erscheint es mehr als sinnvoll, wenn Berlin seine Kompetenz wahrnimmt, die Bevorzugung eigener Angebote durch ein Suchmonopol gesetzlich zu untersagen. Das gilt erst Recht, wenn Barroso klein beigibt und die EU-Kommission sich selbst ins Abseits der Billigung des Monopolmissbrauchs stellt.
Eine zügige gesetzliche Regelung ist nicht nur für die Gestaltung der Zukunft Deutschlands dringend angezeigt. Sie könnte darüber hinaus Vorbildcharakter für andere europäische Staaten und letztlich eine sektorspezifische EU-Regulierung haben. Das setzt allerdings voraus, dass die neue EU-Kommission tatsächlich stärker eine europäische digitale Agenda verfolgt und weniger als bislang den Interessen der Technologie-Giganten folgt.
Der Beitrag wurde in der promedia-Ausgabe Nr. 8/2014 erstveröffentlicht.