Games Factory soll als Kompetenzzentrum für „Serious Games“ etabliert werden – „Wir haben einen langen Atem“

von am 22.06.2012 in Archiv, Gastbeiträge, Glücksspiel, Interviews

Games Factory soll als Kompetenzzentrum für „Serious Games“ etabliert werden – „Wir haben einen langen Atem“
Thomas Müller, Clustermanagement & Sonderprojekte Mülheim & Business GmbH Wirtschaftsförderung Mülheim

Interview mit Thomas Müller, Wirtschaftsförderung Mülheim

Die Games Factory Ruhr existiert seit 2009. Inzwischen sind 17 Unternehmen und Freelancer mit rund 60 Beschäftigten hier ansässig. Dazu gehören mehrere Games-Unternehmen, die zur ersten Liga in Deutschland gehören. Von den rund 1.400 m² vermietbarer Bürofläche sind 1.000 m² inzwischen vermietet. In der Games Factory werden Kompetenzen entlang der Wertschöpfungskette gebündelt. Auch eine Reihe von gemeinsamen Projekten wurde bereits umgesetzt, z.B. auch im Rahmen der Prototypenförderung der Film- und Medienstiftung NRW.

Herr Müller, warum zieht es weitere Unternehmen der Games-Branche nach Mülheim?

Thomas Müller: Die Games Factory ist ein dynamischer und kreativer Ort mit Ambiente, an dem Spieleentwickler und verwandte Medienunternehmen in einer offenen und partnerschaftlichen Atmosphäre mit bester Infrastruktur ihrer Geschäftstätigkeit nachgehen können. Das Potenzial unterschiedlicher Entwickler und Freelancer, die Kooperation von jung und erfahren, führt zu Synergien und Kooperationsmöglichkeiten. Darüber hinaus ist die Anbindung optimal – ob in die Rheinschiene oder innerhalb der Metropole Ruhr. Die Beratungsleistungen und Veranstaltungsangebote der GDI.Ruhr wie auch die Gründerlabore ergänzen dieses Kompetenzzentrum.

Welche Rolle spielen die Unternehmen, die in der Games Factory Ruhr beheimatet sind, für die Games-Branche in NRW und darüber hinaus?

Thomas Müller: Die Firmen in der Games Factory produzieren Softwareprodukte für jede Plattform von kleinen Online-Games, über Mobile- Games und Konsolen-Titel bis hin zu Vollpreis-PC-Spielen. Neben Lizenztiteln wie „Die Drei Fragezeichen“ werden Retro-Titel wie „BoulderDash“ neu aufgelegt oder eigene Ideen produziert wie das „Beste Deutsche Actiongame 2010“ – „Trapped Dead“ oder das Vollpreis-SciFi-Strategiespiel „Pegasus“, das im Sommer auf den Markt kommt. Neben Entertainment-Produkten werden aber auch klassische Industrien mit Produkten beliefert. Diese sogenannten „Serious Games“ vermitteln neben Unterhaltung noch weitere – meist informative oder lehrreiche – Inhalte. So kann z.B. in Museen „trockenes“ Wissen interessant vermittelt werden und den Besucher neugierig auf mehr machen oder Energiekreisläufe durch Simulationen transparent und spannend vermittelt werden. Verschiedene Konzerne sind bereits auf die Games Factory aufmerksam geworden, sodass bereits an entsprechenden Titeln gearbeitet wird. Ziel ist es, die Games Factory in NRW und bundesweit als Kompetenzzentrum für „Serious Games“ zu etablieren.

Welche Unterstützung enthält die Games Factory durch Sie?

Thomas Müller: Die Games Factory Ruhr ist ein von der Games-Branche und der Mülheim & Business GmbH Wirtschaftsförderung „bottom-up“ gemeinsam entwickeltes Projekt und wird mit großer Unterstützung durch die Immobilieneigentümer, die Eheleute Grave, umgesetzt. Man kann also von einem PPP-Modell (Public-Private-Partnership) sprechen, in dem die Stadt Mülheim – vertreten durch die Mülheim & Business GmbH – in den Bereichen Vermarktung, inhaltliche Projekte, Veranstaltungen und Organisation unterstützt. Alles Weitere wird ganz regulär zwischen den jeweiligen Mietern und dem Vermieterehepaar abgewickelt. Eine Ausnahme ist dabei die Game Development Initiative Ruhr (GDI.Ruhr), eine Clusterinitiative für die Games-Branche des Ruhrgebiets, die als Kooperationsprojekt der Universität Duisburg-Essen und der Mülheim & Business GmbH von Land und EU kofinanziert wird. Hier werden zielgerichtete Maßnahmen und Projekte zur Branchenentwicklung in der Region umgesetzt. Die GDI.Ruhr hat ihren Sitz in der Games Factory, wo auch eine Vielzahl von Veranstaltungen der Initiative stattfinden. Zudem wurden die drei Gründerlabore der GDI.Ruhr in der Games Factory eingerichtet.

Könnte man ähnlich auch andere Start-ups neuer Medien bzw. medienverwandter Bereiche fördern?:

Thomas Müller: Das Modell der Games Factory Ruhr und der Gründerlabore ist sicherlich auch auf andere neue Medien oder Konvergenzbranchen übertragbar. Wichtig ist jedoch immer die Beachtung von zentralen Schlüsselfaktoren, die für eine erfolgreiche Realisierung mitbestimmend sind. Wir können aus Erfahrung in der Projektentwicklung und der bisherigen Umsetzung sagen, dass ein solches Projekt als bottom-up Ansatz, also unter starker Berücksichtigung der Anforderungen und Wünsche der Branche, umgesetzt werden sollte. Hier ist ein ständiger Dialog und Austausch mit der Branche wichtig. Zudem braucht man natürlich auch engagierte Partner – wie bei der Games Factory Ruhr z.B. das Eigentümerehepaar, das von der Idee begeistert war und natürlich mit anderen Erwartungen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen agiert, als ein großer Immobilienentwickler oder Investor. Man muss dabei einen langen Atem beweisen. Neben dem Ort ist das inhaltliche Angebot für Gründer wichtig. Mit den Gründerlaboren der GDI.Ruhr finden Gründer(-teams) ein umfassendes Rundum-Sorglos-Paket vor, von den mietkostenfreien Räumlichkeiten samt Büroausstattung, über Hard- und Software bis hin zu Coaching- und Beratungsangeboten. Start-Ups bietet die Games Factory zudem durch die Mischung von lange im Markt etablierten und jungen Firmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ein interessantes und stabilisierendes Umfeld. So können Gründer sich erste Credits durch Kooperationen mit den anderen Firmen verschaffen – diese Erfahrungen und ein funktionierendes Netzwerk sind in späteren Vertragsverhandlungen mit Publishern bedeutsam.

Das Interview wurde im promedia-Special Medienforum NRW 2012 erstveröffentlicht.

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