Presse:
Abstimmung zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage, Konstantin von Notz

01.03.13 Der Bundestag stimmte über den Gesetzentwurf zur Einführung eines Leistungsschutzrechtes für Presseverlage ab und hat diesen verabschiedet. 293 Abgeordnete bejahten den Gesetzentwurf, es gab 243 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen. medienpolitik.net berichtet aktuell über den Verlauf der Debatte.
Lesen Sie hier die Rede von Konstantin von Notz, MdB, BÜNDNIS 90/GRÜNEN-Bundestagsfraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Lieber Kollege Thomae, wenn man Ihnen hier so zuhört, gewinnt man den Eindruck, Sie verstünden die ganze Aufregung nicht. Der Kollege Krings spricht von einem mutigen Verfahren.
Das letzte Mal, als Sie hier mit einem ganz ähnlichen Vorgehen die Regelungen zum Melderecht in der letzten Kurve geändert haben, haben Sie ein datenschutzrechtliches Eigentor sondergleichen geschossen, was wir jetzt gerade erst im Vermittlungsausschuss mühsam korrigieren mussten. Heute stellen Sie sich hier hin und schießen sofort das nächste Eigentor.
Dabei wissen Sie es besser. Ihr schlechtes Gewissen in Sachen Leistungsschutzrecht dokumentieren Sie durch bizarre Pressekonferenzen. Da lädt der Vorsitzende des Rechtsausschusses, der Kollege Kauder, ein und erklärt sachkundig die mannigfaltigen verfassungsrechtlichen Probleme, von Art. 5 GG bis hin zum nicht erfolgten Notifizierungsverfahren. Gestern nun der Versuch, auf einer neuen Pressekonferenz die Wogen zu glätten: Sie versuchten den Eindruck zu erwecken, man habe das Gesetz völlig entschärft.
Tatsächlich haben Sie das ganze Ding in einer Nacht-und-Nebel-Aktion im Büro des Kollegen Heveling erheblich verschlimmbessert. Mit vagen, gänzlich unbestimmten Rechtsbegriffen helfen Sie keinem Verlag, Sie helfen keiner Journalistin und keinem Journalisten. Sie setzen hier auf ein Beschäftigungsprogramm für Juristen, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie sind nicht imstande, den Grundwiderspruch Ihrer Argumentation, Herr Kollege Heveling, hier aufzulösen. Auf der einen Seite sagen Sie: Wir brauchen ein Leistungsschutzrecht; der Status quo ist untragbar. Eben noch hat das der Kollege Krings gesagt. Auf der anderen Seite beschwichtigen Sie und sagen: Keine Aufregung! Wir ändern ja nichts am Status quo. – Das ist hoch widersprüchlich, und es ist falsch. Die Wahrheit ist: Sie haben keinen blassen Schimmer, was Sie mit diesem Gesetz anstellen.
Dreieinhalb Jahre haben Sie im rechtspolitischen Nebel herumgestochert, was das Leistungsschutzrecht soll, was es könnte, ob es überhaupt trägt. Jetzt liefern Sie hier bewusst nur ein Schlagwort aus dem Koalitionsvertrag ab. Den Rest sollen andere klären: die Anwälte, die Gerichte, der Bundesrat, vielleicht demnächst der Vermittlungsausschuss. Das ist nicht nur politisch unterirdisch, meine Damen und Herren, es ist auch eine Verkennung des Gewaltenteilungsgrundsatzes. Wir als Gesetzgeber müssen die Gesetze hinreichend bestimmt formulieren. Wir können die Probleme nicht einfach an die Rechtsprechung outsourcen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Sie sagen gern, Herr Kollege Krings, die Opposition versucht, dieses Thema hochzuziehen. Ich sage Ihnen einmal, wer dieses Thema noch alles hochzieht: der BDI, die Unternehmensverbände von BITKOM und eco, das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, der Deutsche Journalisten-Verband genauso wie der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten und der Chaos Computer Club. Alle sind gegen Ihren Gesetzentwurf. Das gilt auch für namhafte Verfassungsrechtler und so gut wie alle Urheberrechtsexperten dieses Landes, alle Jugendorganisationen der Parteien, den ehemaligen Chef der Monopolkommission, zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus Ihren eigenen Reihen, darunter auch die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär, die hier netzpolitisch einmal goldrichtig liegt. Schließlich ist auch die gesamte Zivilgesellschaft dagegen, die aller Voraussicht nach mit einer neuen Abmahnwelle überzogen werden wird. Das ist keine hochgezogene Kritik. Dieses Gesetz ist eines, das keiner will und keinem nutzt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Das ganze Unternehmen hat nur einen einzigen Sinn: die Gesichtswahrung Ihrer Kanzlerin, die im letzten Bundestagswahlkampf den großen Verlagen ein solches Gesetz versprochen hat. Wir sind aber als Parlament nicht dazu da, irgendwelche hanebüchenen schwarz-gelben Koalitionsvereinbarungen zu erfüllen.
Justus Haucap hat völlig recht: Das Gesetz, Ihr ganzes Vorgehen ist ein einziges Fiasko. Sie stehen vor einem Scherbenhaufen.
(Zuruf des Abg. Stephan Thomae (FDP))
Sie haben in der Netzpolitik nichts zustande gebracht, und das kleine bisschen Vertrauen, das Sie mit der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ vorne für sich hochgepuzzelt haben, reißen Sie jetzt mit dem Hintern wieder ein.
Wissen Sie, gerade fährt Ihr Wirtschaftsminister ins Silicon Valley und staunt. Kaum ist er wieder zu Hause, verabschieden Sie hier ein Gesetz, das es in keinem anderen Land dieser Welt gibt und das den IT-Standort Deutschland um Jahre zurückwirft, ein Gesetz, das fatal an ein großes netzpolitisches Vorhaben am Ende der letzten Legislatur erinnert, nämlich das verfassungsrechtlich ebenfalls hoch umstrittene Zugangserschwerungsgesetz, das heute zum Glück Geschichte ist.
(Stephan Thomae (FDP): Und wer hat es gemacht?)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Zeit.
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Größe, sich Ihr eigenes Scheitern einzugestehen, haben Sie nicht. Das ist sehr bedauerlich.
Ganz herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)