Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:
„Der Phantasie sind zum Glück keine Grenzen gesetzt“

EinsPlus erreicht von allen ARD/ZDF-Digitalkanälen den jüngsten Altersdurchschnitt
23.09.13 Interview mit Alexander von Harling, Leiter des ARD-Digitalkanals EinsPlus
EinsPlus hat ab 16. September seine jungen Sendestrecken ausgeweitet: Unter dem Motto »Fernsehen für Dich!« startete der vom SWR verantwortete ARD-Digitalkanal mit einer Reihe von neuen Formaten, neuen Staffeln beliebter Sendungen und neuen Inhalten für alle unter 30 Jahren sein neues Programmschema. EinsPlus zeigt jetzt täglich rund 16 Stunden junges Programm. EinsPlus.de geht zeitgleich mit neuem Design an den Start und alle neuen Sendungen sind schon vor der TV-Ausstrahlung in voller Länge abrufbar. Der Digitalkanal EinsPlus hat jedoch einen anderen Programmauftrag: EinsPlus soll sich auf die Formate Service, Ratgeber und Wissen konzentrieren. Mit der Umwandlung zu einem Jugendprogramm greift Intendant Peter Boudgoust der Entscheidung der Ministerpräsidenten vor. Noch ist nicht sicher, ob sie zustimmen, dass aus EinsPlus ein ARD/ZDF- Jugendkanal wird.
medienpolitik.net: Herr Alexander von Harling, seit April 2012 strahlt EinsPlus abends ein Programm vor allem für Jugendliche aus. Wie haben sich die Quoten der 14-49-Jährigen seitdem entwickelt?
Alexander von Harling: Das primäre Ziel ist ja nicht Quote, sondern Innovation: neues Programm für Zuschauer zwischen 14 und 29 Jahren zu entwickeln, Nachwuchsmoderatoren eine Chance zu eröffnen und neue, vor allem crossmediale Produktionsweisen zu erproben. Es hat sich der erwartbare Effekt eingestellt, dass dieses deutlich veränderte Programmangebot der „Jungen Primetime“ zunächst manch ältere Zuschauer irritiert. So hat sich gegenüber April 2012 der Marktanteil im Abendprogramm in dieser Zielgruppe um 0,1 Prozentpunkt verringert. Erfreulich ist für uns aber, dass wir zum Beispiel mit Festival-Events gerade in der jungen Zielgruppe von 14 bis 29 Jahren schon jetzt sehr gute Marktanteile erzielen und dass EinsPlus mit der „Jungen Primetime“ bei einem Durchschnittsalter von 47 Jahren mit Abstand der jüngste öffentlich-rechtliche Digitalkanal und im Schnitt um 8 Jahre jünger geworden ist.
medienpolitik.net: Welche Angebote finden bei Jugendlichen vor allem Anklang?
Alexander von Harling: Wir merken, dass auch für einen kleinen Spartenkanal wie EinsPlus eine Chance in Live-Events liegt. So hatten wir auch in diesem Jahr mit der dreitägigen Live-Sendung von „Rock am Ring“ wirklich großen Erfolg mit 1,85 Millionen Zuschauern und in der Zielgruppe der 14- bis 29-jährigen im Durchschnitt 1,9 {4ae5f2cfbae1b1bdedfa59fe4a07f58bb35532ad595a47938acbe0c93e3e4f45} Marktanteil. Daneben zeigen uns Panel-Diskussionen mit Jungen Menschen, der Blick auf die Online-Daten und Social Media, dass natürlich unterhaltsame Formate mit Prominenten gut funktionieren, wie eine Sendung mit Jan Böhmermann und Olli Schulz oder ein Stadtportrait von Rostock mit dem Sänger „Marteria“ unter dem Titel „My Hometown“.
medienpolitik.net: Seit Mitte September Sie dieses Angebot für Jugendliche erweitert. Welche Erfahrungen der vergangenen 18 Monate sind hier mit eingeflossen?
Alexander von Harling: Wichtig war uns, im neuen Programmschema einen besseren Audience-Flow herzustellen. So haben wir, auch dank des im vergangenen Jahr gewachsenen Programmbestands junger Formate, die einzelnen Tage stärker themenaffin strukturiert, etwa mit einem durch Comedy geprägten Samstagabend oder der Primetime am Sonntag, die voll auf dokumentarische Formate setzt. Durch die Wiederholung der jungen Formate unter anderem am Vorabend können wir nun denen, die auf EinsPlus als den ARD-Kanal mit den jungen Inhalten aufmerksam geworden sind, ein verlässlicheres Angebot machen.
medienpolitik.net: Sie zeigen täglich rund 16 Stunden junges Programm. Sind das alles neue Angebote, die beim SWR oder ARD noch nicht gesendet worden sind?
Alexander von Harling: Nein, dabei sind auch Sendungen, die wir übernehmen und wiederholen. Wir wollen damit ja auch ein Programmangebot machen, das die unterschiedlichen jungen Sendungen der Häuser zusammenführt.
medienpolitik.net: Wie hoch ist davon der Anteil eigener Entwicklungen und Eigenproduktionen?
Alexander von Harling: Etwa zwei Drittel der Sendeplätze können wir mit Formaten besetzen, die wir im SWR speziell für junge Zielgruppen entwickelt haben, davon wiederum etwa die Hälfte gemeinsam mit externen Produzenten.
medienpolitik.net: Erstmals sind auch Filme zu sehen. Warum zeigen Sie jetzt Filme?
Alexander von Harling: Wenn wir junge Leute auch im linearen Programm erreichen und auf die neuen Inhalte aufmerksam machen wollen, dann müssen wir Ihnen schon anbieten, was sie suchen. Und das sind unstrittig Filme und Serien. Wir wollen damit aber vor allem die Möglichkeit nutzen, junge Lebenswelt und die junge Sicht auf unsere Gesellschaft zu reflektieren, unserer Zielgruppe auch Diskussionsstoff zu bieten. Dafür setzen wir auf Filme wie „Shoppen“ oder „Parkours“ aus dem Programmbestand der ARD. Und bei geeigneten Filmen werden wir auch das Programmschema mal aushebeln, um über ein spannendes Thema direkt mit jungen Leuten zu diskutieren. So entsteht ein echter Mehrwert.
medienpolitik.net: Können Sie sich künftig auch fiktionale Eigenproduktionen, z.B. Serien in EinsPlus vorstellen?
Alexander von Harling: Der Phantasie sind ja zum Glück keine Grenzen gesetzt – aber realistisch? Nein. Dafür müssten sich einige Voraussetzungen ändern, vor allem bedürfte es einer deutlich höheren finanziellen Ausstattung, wenn man weiß, was Filme und Serien kosten.
medienpolitik.net: Sie zeigen die neuen Formate vorab bereits Online. Warum?
Alexander von Harling: Weil wir es ernst meinen mit der crossmedialen Ansprache unserer Zielgruppe. Es ist ja einfach so, dass ein bedeutender Teil des Medienkonsums der Zielgruppe online stattfindet. Also nutzen wir das Netz nicht nur als Sendungsarchiv, sondern bieten auch exklusiven Content, der erst ein paar Tage später ausgestrahlt wird – und hoffen damit natürlich auch, auf das gesamte Angebot von EinsPlus und auf Sendungen aufmerksam zu machen, die wir nicht vorab online stellen dürfen oder wollen.
medienpolitik.net: Warum braucht man dann noch einen TV-Kanal, wenn das Programm auch Online, und sogar vorab, genutzt werden kann?
Alexander von Harling: Fernsehen bleibt weiter ein Leitmedium, trotz der rasanten Veränderung der Mediennutzung in der jungen Generation: Obwohl die Zeit für Online-Nutzung sich vervielfacht hat, ist auch bei den 12-29jährigen die Sehdauer bei minimalen Schwankungen unverändert: Im Jahr 2000 haben die Zuschauer zwischen 12 und 29 Jahren im Durchschnitt exakt so lange ferngesehen wie im Jahr 2012, nämlich 134 Minuten. Unabhängig von allen inhaltlichen, politischen und rechtlichen Gründen für ein starkes öffentlich-rechtliches Fernsehen erübrigt sich schon dadurch die Frage, finde ich.
medienpolitik.net: Wie entwickelt sich die Kooperation zwischen EinsPlus und den jüngeren SWR-Radioangeboten SWR3 und Das Ding?
Alexander von Harling: Für alle Seiten fruchtbar. Mit dem gemeinsamen „Entwicklungslabor Junge Formate“ hat der SWR eine crossmediale Zusammenarbeit etabliert, in der der Nutzen gemeinsamer Entwicklung und gemeinsamer Produktion für jedes Medium – Fernsehen, Hörfunk und Online – offensichtlich geworden ist. Das macht nicht nur viel Spaß, es bringt vor allem Innovation, und zwar sowohl inhaltlich-redaktionell wie auf Seiten der Produktion. Und mittlerweile geht das ja auch über den SWR hinaus. Die Sendung „Lateline“ mit Jan Böhmermann zum Beispiel ist ja eine Hörfunk-Sendung von fünf Jungen Wellen der ARD, die wir nun auch im Fernsehen umsetzen. Und an weiteren crossmedialen ARD-Projekten noch für dieses Jahr arbeiten wir gerade sehr konkret.
medienpolitik.net: Existiert eine Programmübernahme junger Formate anderer ARD-Anstalten?
Alexander von Harling: Ja, wir senden bereits seit längerem solche Übernahmen: Zum Beispiel „Puls“ vom BR, „Die allerbeste Sebastian-Winkler-Show“ von WDR und BR, „Guse Berlin“ vom RBB, „7 Tage“ vom NDR, die „Wochenwebschau“ von Radio Bremen oder „Zärtlichkeiten im Bus“ vom MDR.
medienpolitik.net: Wieviel kostet EinsPlus seit April 2012 mehr, seitdem es auf Jugendliche ausgerichtet ist, im Vergleich zu vorher?
Alexander von Harling: Der SWR hat 2012 für das Entwicklungslabor Junge Formate, aus dem die meisten jungen Inhalte produziert werden, für drei Jahre jeweils etwa 4,5 Mio. Euro bereitgestellt. Daraus werden all diese neuen Produktionen finanziert.
Der Beitrag wurde in der promedia-Ausgabe Nr. 10/2013 erstveröffentlicht.