Leistungsschutzrecht:

„Die VG Media ist für uns der ideale Partner“

von am 02.04.2014 in Allgemein, Archiv, Digitale Medien, Interviews, Journalismus, Leistungsschutzrecht, Rundfunk

<h4>Leistungsschutzrecht: </h4>„Die VG Media ist für uns der ideale Partner“
Maren Ruhfus (Geschäftsführerin der VG Media), Dr. Eduard Hüffer (Geschäftsführer Aschendorff Medien) und Christoph Keese (Executive Vice President der Axel Springer SE)

VG Media vertritt ab sofort die Rechtsansprüche von Presseverlagen mit

02.04.14 Interviews mit Maren Ruhfus, Geschäftsführerin der VG Media,  Dr. Eduard Hüffer, Geschäftsführer Aschendorff Medien, Christoph Keese, Executive Vice President der Axel Springer SE

Zwölf  Presseverlage werden das ihnen durch das Leistungsschutzrecht verbriefte Recht auf eine Vergütung bei der Nutzung von Online-Inhalten durch die VG Media vertreten lassen. Das  Bundeskartellamt hat deren Eintritt als Gesellschafter in die VG Media GmbH freigegeben. Die neuen Gesellschafter werden im Wege einer Erhöhung des Stammkapitals 50 Prozent der Geschäftsanteile der VG Media GmbH übernehmen. Zu den Printverlagen gehören unter anderem Aschendorff Medien GmbH & Co. KG, Axel Springer SE, Burda, die Funke Mediengruppe und die Mediengruppe M. DuMont Schauberg.  

medienpolitik.net: Frau Ruhfus, die VG Media hat bisher die Urheber- und Leistungsschutzrechte von 144 TV- und Hörfunksendern vertreten. Wie hoch ist die Ausschüttung?

Maren Ruhfus: Seit ihrer Gründung hat die VG Media über 400 Millionen Euro an die privaten Sendeunternehmen ausgeschüttet. In den letzten drei Jahren wurden durchschnittlich fast 40 Millionen Euro Umsatz pro Jahr erwirtschaftet – und dies ohne die ausstehenden Vergütungen der Kabel Deutschland Vertriebs und Service GmbH in Höhe von etwa 46 Millionen Euro, die das Landgericht Berlin der VG Media im August 2013 nach langjährigem Rechtsstreit zugesprochen hat. 

medienpolitik.net: Herr Dr. Hüffer, die VG Media vertritt künftig auch das Leistungsschutzrecht der Presseverleger. Wie passen diese doch grundsätzlich unterschiedlichen Verbreitungs- und Nutzungswege unter das Dach einer gemeinsamen Verwertungsgesellschaft?

Dr. Eduard Hüffer: Die strukturellen Veränderungen im Medienmarkt und die zunehmende Medienkonvergenz, auch in Bezug auf die Verbreitungswege, stellen Zeitungsverleger und Sendeunternehmen vor vergleichbare Herausforderungen. Sowohl das Sendesignal als auch das digitale verlegerische Angebot werden von international agierenden Infrastrukturbetreibern genutzt, die gerade kleinen oder mittelständischen Medienunternehmen gerne ihre Bedingungen diktieren wollen. Aus dieser gemeinsamen Erfahrung heraus liegt es nahe, dass die privaten Medienunternehmen ihre Leistungen nun gemeinsam wahrnehmen und damit ihre Verhandlungsposition gegenüber den Monopolisten der digitalen Wirtschaft stärken.      

medienpolitik.net: Herr Keese, warum haben die Presseverlage keine eigene Verwertungsgesellschaft gegründet?

Christoph Keese: Die VG Media ist für uns der ideale Partner. Sie hat die längste Erfahrung bei der erfolgreichen Durchsetzung der Rechte von Medienunternehmen. Hinzu kommt, dass die Interessen der Sendeunternehmen denen der Verlage sehr ähnlich sind. Ein wichtiges Argument für uns war auch, dass die Sendeunternehmen den Verlagen weitgehende Selbstbestimmungsrechte hinsichtlich der Tarifaufstellung und des Verteilungsplans eingeräumt haben. So kann das Leistungsschutzrecht der Presseverleger zügig, effektiv und auf breiter Basis lizenziert werden.

medienpolitik.net: Können die Verleger jetzt auch bei der Tarifgestaltung der Sendeunternehmen mitreden?

Dr. Eduard Hüffer: Presseverleger und Sendunternehmen entscheiden im Gesellschafterkreis und im Beirat gemeinsam über strategische Fragen, die die Gesellschaft betreffen. Tarife und Verteilungspläne werden jedoch im Beirat von Verlegern und Sendeunternehmen in zwei so genannten Kurien getrennt voneinander festgelegt. 

medienpolitik.net: Einige Presseverlage der sogenannten „Quality Alliance“ machen nicht mit. Warum nicht, Frau Maren Ruhfus?

Maren Ruhfus: Das müssen Sie natürlich in erster Linie diese Verlage fragen. Jedenfalls haben wir einzeln mit diesen Verlagen ausführlich über die Wahrnehmung ihres Leistungsschutzrechtes durch die VG Media gesprochen. Letztendlich bleibt es eine Entscheidung, die jedes Unternehmen für sich treffen muss. Die meisten Verlage der „Quality Alliance“ haben nicht endgültig abgesagt und die VG Media steht als Verwertungsgesellschaft selbstverständlich allen Verlagen, die Ihr Leistungsschutzrecht zur Wahrnehmung einbringen wollen, weiterhin offen. 

medienpolitik.net: Herr Dr. Dr. Eduard Hüffer, sehen Sie als mittelständischer Verleger dabei nicht die Gefahr, dass zwei große Verlage alle anderen in der VG Media dominieren?

Dr. Eduard Hüffer: Die Gefahr sehe ich überhaupt nicht. Die derzeitige Gesellschaftsstruktur der VG Media ist mit 25 Gesellschaftern ausgeglichen und bildet die Branchen gut ab.

Die mittelständischen Verlage, wie die Aschendorff GmbH & Co. KG, die ich vertrete, oder die Augsburger Presse-Druck Verlags-GmbH sind darüber hinaus im Beirat vertreten und wahren die Interessen der lokalen Verlage. Die Axel Springer SE und die Burda GmbH, die Sie wohl meinen, sind auf der Versammlung der Wahrnehmungsberechtigten am 13. März 2014 ebenfalls nur mit jeweils einem Vertreter in den Beirat gewählt worden. 

medienpolitik.net: Frau Maren Ruhfus, ab wann wird die VG Media die Interessen der Presseverleger vertreten?

Maren Ruhfus: Ab sofort. Die neuen Gesellschafter haben mit dem Beitritt zur VG Media einen Wahrnehmungsvertrag unterschrieben und der Gesellschaft bereits ihr neues Leistungsschutzrecht übertragen. Inzwischen nimmt die VG Media bereits über 200 digitale verlegerische Angebote wahr und vertritt damit heute den Großteil der deutschen Presseverlage.

medienpolitik.net: Herr Christoph Keese, existieren bereits Nutzungsvereinbarungen für die Online-Angebote von Presseverlagen? Wann, meinen Sie, wird das erste Geld an die Verlage „fließen“?

Christoph Keese: Der Beirat der VG Media, dem Herr Dr. Dr. Eduard Hüffer und ich angehören, wird, wie es das Wahrnehmungsrecht vorsieht, in nächster Zeit einen Tarif  beschließen. Auf dieser Grundlage wird die VG Media Vertragsverhandlungen mit einschlägigen Branchenverbänden oder einzelnen Nutzern führen. Sobald der erste Vertrag geschlossen wird, werden Lizenzzahlungen an die VG Media abgerechnet. Wann das erste Lizenzentgelt fließt, hängt also davon ab, wie zügig sich die Nutzer des Leistungsschutzrechts mit der VG Media einigen können. 

medienpolitik.net: Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger ist in seiner Formulierung umstritten. Welches Recht will die VG Media denn konkret durchsetzen, Frau Maren Ruhfus?

Maren Ruhfus: Das Leistungsschutzrecht der Presseverleger umfasst das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder von Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten – also Newsaggregatoren. Hier ist das Gesetz sehr klar und die VG Media wird sich mit Lizenzangeboten an diese Nutzergruppen wenden.

medienpolitik.net: Die VG Media hat in der Vergangenheit vielfach klagen müssen, um die Urheber- und Leistungsschutzrechte der TV- und Radiosender durchzusetzen. Erwarten Sie bei der Durchsetzung des Leistungsschutzrechtes für Pressevertreter ebenfalls einen langwierigen Gang durch die gerichtlichen Instanzen?

Dr. Eduard Hüffer: Wir hoffen natürlich, uns zügig und auf Augenhöhe mit den Nutzern auf eine angemessene Vergütung einigen zu können. Sollten einzelne Suchmaschinenbetreiber oder Newsaggregatoren jedoch nicht bereit sein, für die Verwertung unserer Leistungen zu zahlen, gibt das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz den Weg zur Schiedsstelle und den nachfolgenden Instanzen vor. Die VG Media hat bei der Durchsetzung der Angemessenheit eines Tarifs viel Erfahrung – auch deswegen haben sich die Verlage für diese Verwertungsgesellschaft entschieden. 

medienpolitik.net: 12 Presseverlage übernehmen 50 Prozent der Gesellschaftsanteile der VG Media. Werden damit die Interessen der bisherigen Gesellschafter aus dem Kreis der Sendeunternehmen weniger berücksichtigt, bzw. worin bestehen die gemeinsamen Interessen von Presseverlagen und Sendeunternehmen?

Maren Ruhfus: Die private Medienwirtschaft befindet sich in einer industriepolitischen Auseinandersetzung zwischen privat finanzierten Inhalteanbietern auf der einen und international tätigen Infrastrukturbetreibern auf der anderen Seite. Es geht dabei nicht um den Vertriebsweg – digital oder print –, sondern um ein „Common Level-Playing-Field“ und damit um Augenhöhe in Verhandlungen mit marktmächtigen Infrastrukturbetreibern.

Die VG Media kann die Interessen der bisherigen Gesellschafter und Wahrnehmungsberechtigten mit dem Hinzukommen der Presseverleger nun auf wesentlich breiterer Basis und als starke Stimme der gesamten privaten Medienwirtschaft noch eindringlicher vertreten. Von diesem Zusammenschluss können meines Erachtens alle Seiten nur profitieren. 

medienpolitik.net: Bisher sind Verwertungsgesellschaften „branchenrein“ aufgestellt. Wird sich das durch die Konvergenz grundsätzlich ändern?

Christoph Keese: Im Internet spielen solche Kategorien keine Rolle. Der europäische Gesetzgeber hat daher mit der jüngst verabschiedeten Richtlinie zur kollektiven Rechtewahrnehmung explizit ein Aufbrechen der „branchenreinen“ Verwertungsgesellschaften forciert und mehr Wettbewerb zwischen den Verwertungsgesellschaften gefordert. 

medienpolitik.net: Sind Sie hier Trendsetter?

Maren Ruhfus: Warum nicht? Von jeher hat sich die VG Media der Forderung der EU-Kommission nach mehr Wettbewerb  um Rechteinhaber verpflichtet gefühlt und arbeitet, auch ein Mandat der Richtlinie, grenzüberschreitend in Europa. 

medienpolitik.net: Frau Maren Ruhfus, woher nehmen Sie und die VG Media die Kompetenz für diese – für Sie neue – Branche?

Maren Ruhfus: Viele unserer bisherigen Wahrnehmungsberechtigten sind eng mit den Presseverlagen verbunden. So sind einige Verlagshäuser Gründer und langjährige Gesellschafter von Radio- und Fernsehsendern. Sender, wie beispielsweise N24 oder Radio ffn, produzieren ebenso professionell journalistisch hochwertige Inhalte wie die Redaktionen der Verlage.

Übrigens bieten sowohl Radio- als auch Fernsehsender digitale verlegerische Angebote im Netz an und sind somit Inhaber des Leistungsschutzrechts für Presseverleger. So haben bereits über die Hälfte der von der VG Media vertretenen Sendeunternehmen ihr Leistungsschutzrecht der Presseverleger der VG Media zur Wahrnehmung übertragen.

medienpolitik.net: Der Gesetzgeber hat neben dem Leistungsschutzrecht der Presseverleger  auch einen Beteiligungsanspruch der Urheber vorgesehen. Wie sollen die Urheber beteiligt werden?

Christoph Keese: Das Leistungsschutzrecht der Presseverlage stellt einen Beitrag zur Sicherung von publizistischer Qualität und Vielfalt dar, auch im Interesse der Journalisten. Vorerst aber kommen auf die Verlage Kosten für die Durchsetzung des Rechts zu. Die Journalisten werden zu klären haben, wer ihren Beteiligungsanspruch wahrnimmt. Das können sie selber tun, oder sie können jemanden anderen damit betrauen. Sobald jemand auf uns zukommt, führen wir natürlich Gespräche. Zur Höhe der Beteiligung können wir noch nichts sagen. Sie ist im Gesetz ja nicht festgeschrieben. Darüber wird dann zu verhandeln sein. 

medienpolitik.net: Die VG Media setzt sich für die Durchsetzung der Urheber- und Leistungsschutzrechte ein. Was erwarten Sie von der Bundesregierung für einen besseren Schutz des geistigen Eigentums? Ist das, was im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist ausreichend?

Dr. Eduard Hüffer: Der Schutz geistigen Eigentums bildet ein gemeinsames Interesse der gesamten privaten Medienwirtschaft und der Journalisten als Urheber. Sendeunternehmen und Presseverleger verkaufen nun mal keine Fernseher oder weißes Papier, sondern Inhalte. Diese Inhalte müssen geschützt und deren Nutzung vergütet werden, damit Journalisten bezahlt und neue Inhalte geschaffen werden können. Deswegen begrüßen Presseverleger und Sendeunternehmen gleichermaßen die vereinbarte Verschärfung der Providerhaftung für Plattformen, die illegale Inhalte verbreiten. Das allein reicht aber nicht – wir brauchen unbedingt mehr Aufklärung zur Stärkung des gesellschaftlichen Bewusstseins für den Wert schöpferischer Leistungen.

medienpolitik.net: Welche Forderungen priorisieren Sie speziell bei der Wahrung der Urheber- und Leistungsschutzrechtsinteressen ihrer Wahrnehmungsberechtigten, Frau Maren Ruhfus?

Maren Ruhfus: Unser prioritäres Anliegen ist bekannt. 50 Jahre nach der Schaffung der Privatkopie im Urheberrechtsgesetz und nahezu 30 Jahre nach dem Markteintritt der privaten Sendeunternehmen ist es allerhöchste Zeit, dass die TV- und Radiosender endlich auch für die private Vervielfältigung ihres Programms angemessen kompensiert und mit den anderen Rechteinhabern gleichgestellt werden. Das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Matthias Leistner zeigt, dass der Ausschluss der Sendeunternehmen vor dem Hintergrund der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sogar europarechtswidrig ist. Bei dieser Forderung unterstützen uns auch die Presseverleger. Der Gesetzgeber muss die längst überfällige Gesetzesanpassung endlich vornehmen.

Der Beitrag wurde in der promedia-Ausgabe Nr. 4/2014 erstveröffentlicht.

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