Netzpolitik:

Der Ruf nach einer Ordnung für die globale Medienwelt wird immer lauter

von am 07.05.2014 in Allgemein, Archiv, Digitale Medien, Medienordnung, Medienpolitik, Netzpolitik, Netzpolitik, Regulierung

<h4>Netzpolitik: </h4>Der Ruf nach einer Ordnung für die globale Medienwelt wird immer lauter
Björn Böhning (SPD), Chef der Berliner Senatskanzlei

Digitale Agenda für Deutschland

07.05.14 Von Björn Böhning, Chef der Berliner Senatskanzlei

Wir sind im letzten Jahr ein großes Stück weitergekommen. Erstmals geht eine Bundesregierung dieses Thema offensiv an. Sie hat sich viel vorgenommen. Allein der Stellenwert, den dieses Thema gewonnen hat, ist bereits ein Fortschritt. Und ein Erfolg der vielen Engagierten, die dafür gekämpft haben, dass unser Weg in die digitale Gesellschaft diesen politischen Stellenwert erhält, den er verdient: als Querschnittsthema, das sich wie ein roter Faden durch alle Politikfelder hindurchzieht.

Der Ruf nach einer Ordnung für die globale Medienwelt wird immer lauter.

Nach wie vor gibt es einen Hype um das Internet, alle wollen daran teilhaben, wollen es nutzen, wollen es gestalten. Das ist gut so. Gleichzeitig gibt es spektakuläre technische Innovationen, die oft durch vordergründige Verrücktheiten ausgelöst und forciert werden. Zum Beispiel die „Shadow“-App, mit der ein globales Traumarchiv entstehen soll. Oder die neuen, intelligenten Videosuchverfahren, die es ermöglichen werden, in der unendlichen Weite des Netzes einzelne Frames zu extrahieren und Sprache, Gesichter und Videotexteinblendungen zu erkennen. Oder die berühmte Google-Brille….

Das sind nur drei Beispiele, die uns zeigen, wie verdammt nah beieinander Fortschritt und totalitäre Überwachungsvisionen liegen, wie sehr sie ineinander übergehen. Und das sind nicht die einzigen Gefahren der Vernetzung.

Wir erleben eine gigantische und bis vor kurzem unvorstellbare Machtkonzentration einiger Netzgiganten: Dabei denke ich an Akteure, wie Amazon, Apple, Facebook und Google. Wie so vieles im Netz bieten sie uns faszinierende Techniken und neue Möglichkeiten, unseren Alltag zu gestalten und mit anderen zu kommunizieren. Aber sie sind eben auch ökonomische Monopolisten. Sie verfügen über Ressourcen, welche die vieler Staaten bei weitem übersteigen: Geld, Persönlichkeitsdaten, Bewegungsprofile, Deutungsmacht, bis hin zur Fähigkeit, unsere Bedürfnisse zu steuern. Staatliches Handeln muss – jedenfalls in unserem Rechtssystem – demokratisch legitimiert sein. Für Entscheidungen zu ökonomischen Handlungen reicht in vielen Fällen das Okay der Unternehmensleitung.

Neben wirtschaftlicher Machtkonzentration haben uns die Enthüllungen von Edward Snowden aber auch die Einfallstore für staatliche Machtanmaßung gezeigt – George Orwell lässt grüßen.

Auch in anderer Hinsicht müssen wir Schutz schaffen, nämlich wirtschaftlichen Schutz. Viele der Kreativen, die zu breiten Teilen in der digitalen Welt ihr Geld verdienen, sind finanziell nicht ausreichend abgesichert. Die Digitalisierung und die damit einhergehenden Möglichkeiten der vereinfachten und schnelleren Verbreitung von Kultur- und Medienprodukten verschärfen die Situation ungemein. Wir müssen dafür sorgen, dass soziale Sicherungssysteme auch für freiberuflich Tätige zugänglich sind. Die Arbeit in diesem Bereich muss ausreichend bezahlt werden, die Arbeits- und Auftragsverhältnisse müssen gerecht ausgestaltet sein. Ausbeutung und unfairen Arbeitsbedingungen müssen wir durch klare gesetzliche Grenzen vorbeugen. Die gesamte Medienordnung ist im Umbruch. Jetzt muss gehandelt werden, damit unvertretbare Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnisse nicht zur Praxis werden und damit dort, wo sie bereits Praxis sind, schnell Abhilfe geschaffen wird.

Der tiefgreifende Wandel der Medienwelt ist vor allem durch das Internet ausgelöst. Als „klassisch“ bezeichnete Medien, wie Print, TV und Radio treten in den Hintergrund, das Internet und webbasierte Angebote werden immer wichtiger. Aber: Wir dürfen nicht auf einen einzigen Bereich der reichen Palette von Medien bauen, wir müssen die unterschiedlichen Medien nutzen und miteinander verbinden. Die Bedürfnisse der Verbraucherinnen und Verbraucher gehen weit auseinander. Nur mit der Nutzung aller Medienkanäle werden wir dem gerecht. Und nur mit einer sinnvollen Verknüpfung der verschiedenen Kanäle erreichen wir den größten Mehrwert, der sich aus der Bandbreite an den neuen Möglichkeiten ergibt.

Bandbreite, das ein weiteres Stichwort: Wir müssen eine ausreichende Versorgung mit einer schnellen Internetverbindung sichern – für die gesamte Bevölkerung und in allen Teilen des Landes. Wenn wir von der digitalen Gesellschaft sprechen, muss auch gewährleistet sein, dass jede und jeder Teil dieser Gesellschaft sein kann. Das ist nur möglich, wenn ein Anschluss zu schnellem Internet für alle zugänglich gemacht wird.

Ich möchte auch einen Bereich ansprechen, der die Medien nur teilweise betrifft: Das Kartellrecht. In der Schnittmenge aus Medien- und Kartellrecht sind Änderungen nötig. Es müssen Wege geschaffen werden, um die Vielfalt der Medien, auch auf lokaler Ebene, zu erhalten. Gleichzeitig müssen die Medien aber im europäischen und im internationalen Markt konkurrenzfähig sein. Das kann gelingen, wenn Regelungen geschaffen werden, die über die Grenzen Deutschlands hinaus Geltung haben, beispielsweise durch die EU. Darum sollte Deutschland innerhalb der EU für ein Kartellrecht eintreten, dass die Medienvielfalt erhält, das den Medienmacherinnen und -machern gleichzeitig aber wirtschaftlichen und fachlichen Handlungsspielraum belässt.

Und, mein letzter Punkt: Wir stehen vor einer grundlegenden Weichenstellung: Ist das Netz auch in Zukunft ein Raum der Freiheit und Gleichheit aller. Oder sind wir nicht auch hier auf dem Weg in eine Zweiklassengesellschaft? Noch halten in Deutschland die Dämme der Netzneutralität – siehe Umdenken bei der Telekom und das klare Bekenntnis der neuen Koalition auf Bundesebene. Trotzdem laufen wir Gefahr, die Neutralität des Internets zu verlieren. Um dem vorzubeugen, müssen wir schnell, aber mit Bedacht gesetzliche Absicherungen der Netzneutralität auf allen notwendigen politischen Ebenen schaffen. Und beim Blick über den Atlantik wird uns klar, wie dünn das Eis ist, auf dem wir uns bewegen.

Ich bin froh, dass wir als Land Berlin auf diesem Feld schon einige Akzente setzen konnten. Gerade beim Thema Netzneutralität gibt es eine glasklare Position der Länder, die wir als Berliner Senat erarbeitet haben. Gemeinsam bekennen wir uns zu dem Grundsatz des für jedermann offenen Zugangs zum Internet und zum unterschiedslosen Transport der Datenpakete von Computer zu Computer. Das sind die zwei Grundpfeiler des offenen Internets. Sie sind wesentlich für dessen Erfolg und eine wichtige Voraussetzung für Freiheit, Innovation und Medienpluralismus.

Berlin setzt auf die Chancen des Netzes. Die konvergente Medienwelt ist in Berlin längst Realität und Maßstab der Politik – die sich allerdings bekanntlich durch das beharrliche Bohren dicker Bretter auszeichnet…

Ein Schwerpunkt unseres Medienboards ist: Wir wollen die wirtschaftlichen Potenziale der Digitalisierung nutzen. Das ist Standortpolitik für Berlin als europäische Medien- und Kreativmetropole. Und es ist eine Förderpolitik, die nicht nur Projekte finanziell unterstützt, sondern sich auch um den Humus künftiger Innovationen kümmert. Darum ist die Förderung guter Bedingungen für unsere vitale Start-up-Szene, das Offenhalten von Freiräumen und das Anbieten von Inkubatoren so wichtig. Wir wollen in Berlin dauerhaft das Umfeld bieten, das Kreative, Talente und kluge Köpfe anzieht. Und wir wollen die Begegnung der jungen, flexiblen Kreativen mit den Großen der Industrie fördern. Im besten Fall befruchten sie sich gegenseitig und schaffen so die Grundlage für technischen Fortschritt und neue Arbeitsplätze.

Unsere Digitale Agenda heißt aber auch: Die freiheitlichen Potenziale des Netzes schützen. Die Chancen einer Modernisierung des Verwaltungshandelns in Zeiten von E-Government und Open Data nutzen. Und neue demokratische Standards setzen – mit neuen Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung. Das alles setzt ein freies und für alle gleichberechtigt zugängliches Netz voraus.

Wir stehen vor riesigen politischen Herausforderungen. Die Bundesregierung hat das Thema „Digitale Agenda“ angepackt.

Björn Böhning war einer der Referenten der Media Convention 2014.

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