Leistungsschutzrecht:
„Es geht um Vielfalt“

Leistungsschutzrechte können nur eingeschränkt durchgesetzt werden
20.10.14 Interview mit Dr. Matthias Lausen, Rechtsanwalt, Lausen Rechtsanwälte
Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, hat bei einem Gespräch mit Vertretern der VG Media betont, dass Suchmaschinenbetreiber mit Marktanteilen von über 90 Prozent in Deutschland für die Auffindbarkeit von Inhalten eine besondere gesamtgesellschaftliche Verantwortung trügen. „Die Einführung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger ist ein wichtiger medienpolitischer Beitrag zur Stärkung der Presselandschaft im digitalen Zeitalter“, betonte Grütters. Verleger würden hierdurch in die Lage versetzt, über das ‚Ob‘ und ‚Wie‘ der Vermarktung ihrer Presseprodukte im Netz zu entscheiden. Offenbar würden Presseverleger von Suchmaschinenbetreibern teilweise vor die Wahl gestellt, entweder auf die Ausübung ihres Leistungsschutzrechts zu verzichten oder aus dem Angebot ‚ausgelistet‘ zu werden. „Das halte ich für sehr problematisch“, so die Kulturstaatsministerin wörtlich.
Fragen zur Wirksamkeit von Leistungsschutzrechten in der digitalen Welt an den Urheberrechtler Dr. Matthias Lausen.
medienpolitik.net: Herr Lausen, die meisten Leistungsschutzrechte wurden in der analogen Zeit formuliert. Inwieweit haben Leistungsschutzrechte auch in der digitalen Medienwelt eine Existenzberechtigung?
Matthias Lausen: Leistungsschutzrechte schützen einerseits die Künstler und andererseits die Produzenten und Sender. Produzenten und Sender benötigen diese Rechte zum Schutze der hohen wirtschaftlichen Aufwendungen, die sie tätigen, um aus den Werken der Urheber Produkte zu entwickeln und diese zu vermarkten. Da sich die Möglichkeiten der unbefugten wirtschaftlichen Auswertungen in der digitalen Medienwelt dramatisch erhöht haben, sind die Leistungsschutzrechte wichtiger als je zuvor.
medienpolitik.net: Ist diese Bedeutung eher symbolischer Natur angesichts der zahlreichen Distributionsmöglichkeiten?
Matthias Lausen: Die Durchsetzung der Rechte ist zurzeit nur eingeschränkt gewährleistet. Die heutigen Haftungsprivilegien für technische Dienstleister sind viel zu ungenau und bieten zahlreiche Schlupflöcher. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Niemand kann auf Dauer Millionen in einen Film oder ein Spiel investieren, wenn diese kurz nach dem Verkaufsstart anonym und kostenlos im Netz angeboten werden.
medienpolitik.net: Wo ist die Grenze zwischen privater Nutzung und kommerzieller Nutzung? Bei der Privatkopie liegt die Grenze bei sieben Kopien. Kann man das auch auf alle Inhalte übertragen, die einem Leistungsschutzrecht unterliegen?
Matthias Lausen: Grundsätzlich sollte die Grenze dort liegen, wo eine Person anfängt, die Werke der Urheber sowie die Leistungen der Produzenten und Sender selbst wirtschaftlich auszuwerten.
medienpolitik.net: In starkem Maß haben sich Provider gegen das Leistungsschutzrecht für Presseverlage gewehrt. Warum? Wo ist ein Leitungsschutzrecht für einen technischen Dienstleister eine Bedrohung?
Matthias Lausen: Die Provider haben sich gegen das Leistungsschutzrecht für Presseverlage nicht gewehrt, weil sie sich bedroht fühlten, sondern weil sie die Presseerzeugnisse für ihre Zwecke nutzen aber nicht bezahlen wollen. Tatsächlich geht es hier doch nur um Gewinnmaximierung ohne eine faire Beteiligung.
medienpolitik.net: Sind Leistungsschutzrechte im Online-Zeitalter ein Druckmittel gegen Provider und Technologieanbieter, damit die Contentanbieter einen fairen Anteil an der Wertschöpfung im Internet erhalten?
Matthias Lausen: Ein Leistungsschutzrecht ist von seiner Ausrichtung her kein Druckmittel. Es stellt sicher, dass die Nutzer eine faire Vergütung bezahlen, damit Menschen und Unternehmen in die Schaffung, Produktion und Distribution von Kulturgütern und Medien investieren.
medienpolitik.net: Bei der Diskussion über das Leistungsschutzrecht für Presseverlage wurde behauptet, dieses Leitungsschutzrecht würde die Vielfalt im Internet bedrohen, auch weil sie u.a. Blogs behindere. Wie sehen Sie das?
Matthias Lausen: Das Gegenteil ist der Fall. Der Sinn und Zweck des Urheberrechtsgesetzes ist es, Vielfalt zu sichern. Niemand würde substanziell in Kulturgüter und Medien investieren, wenn es keinen Schutz gäbe. Diese Erkenntnis ist so alt wie das Urheberrecht und ändert sich auch durch die Digitalisierung nicht.
medienpolitik.net: Viele Contenanbieter profitieren von Suchmaschinen oder Aggregatoren. Ist der wirtschaftliche Nutzen, den Verlage aber auch TV-Sender oder Filmproduzenten aus einem Leistungsschutzrecht ziehen nicht kleiner als der Schaden der entsteht, wenn sie nicht mehr gefunden werden oder Interessenten auf Inhalte Aufmerksam gemacht werden?
Matthias Lausen: Ich denke, dass beide Seiten profitieren. Stellen Sie sich vor, es gäbe keine Produzenten – wonach würden die Suchmaschinen suchen und was sollten Aggregatoren aggregieren?
medienpolitik.net: Erfüllt das Leistungsschutzrecht für Presseverlage in der jetzigen Form alle Voraussetzungen um die wirtschaftlichen Interessen der Verlage in der Online-Welt voll durchsetzen zu können?
Matthias Lausen: Tatsächlich könnte das Gesetz etwas klarer formuliert sein. Dennoch ist es eine gute Grundlage und die entscheidende Voraussetzung, um die berechtigten Interessen der Verlage durchsetzen zu können.
Der Beitrag wurde in der promedia-Ausgabe Nr. 10/2014 erstveröffentlicht.