Filmpolitik:

„Für 2016 sieht es düster aus“

von am 11.11.2015 in Allgemein, Archiv, Filmwirtschaft, Interviews

<h4>Filmpolitik:</h4>„Für 2016 sieht es düster aus“
Dr. Carl L. Woebcken, Vorstandsvorsitzender der Studio Babelsberg AG und Geschäftsführer der Studio Babelsberg Motion Pictures GmbH

Für Studio Babelsberg ist der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) von existentieller Bedeutung

11.11.15 Interview mit Dr. Carl L. Woebcken ist Vorstandsvorsitzender der Studio Babelsberg AG und Geschäftsführer der Studio Babelsberg Motion Pictures GmbH

„Der DFFF ist von existentieller Bedeutung für Studio Babelsberg. Aber er ist genauso von Bedeutung für alle deutschen Filmproduzenten, die international ausgerichtet sind – von europäischen Arthouse-Filmen bis zum Blockbuster“, so charakterisiert Dr. Carl L. Woebcken, Vorstandsvorsitzender der Studio Babelsberg AG, die Bedeutung dieser speziellen Filmförderung durch den Bund. Seit der Einführung des DFFF im Jahr 2007 habe sich der internationale Wettbewerb von Anreizsystemen dramatisch verschärft. Viele Länder setzten auf die Filmindustrie, weil sie das Potenzial für Innovation, Wertschöpfung und Image erkannt hätten. Die Kürzung des DFFF habe messbare negative Konsequenzen für das Studio Babelsberg und den Filmstandort Deutschland. „Die US-Major-Studios werden in nächster Zeit wahrscheinlich einen Bogen um Deutschland machen“, so Woebcken.

medienpolitik.net: Herr Woebcken, der DFFF existiert seit acht Jahren. Welche Bedeutung hat er für eine international konkurrenzfähige deutsche Filmwirtschaft?

Dr. Carl L. Woebcken: Der DFFF ist nach wie vor eine Erfolgsstory. Quentin Tarantino, Roman Polanski, Wes Anderson, Steven Spielberg und viele mehr: Deutschland ist aufgrund des DFFF zu einem relevanten Standort für die internationale Filmindustrie geworden. Die deutsche Filmförderung ist dabei eine aktive Investition in die Kreativindustrie, schafft und sichert mehrere tausend Arbeitsplätze und steht mittlerweile mit zahlreichen Fördersystemen in anderen Ländern auf der ganzen Welt im Wettbewerb. Allerdings ist es derzeit aufgrund der Begrenztheit der Mittel sowie der bestehenden Kappungsgrenzen nicht mehr konkurrenzfähig. Wegen der Limitierungen ist der Filmförderfonds in der Regel bereits Mitte des Jahres komplett verplant. Ab diesem Zeitpunkt macht es dann keinen Sinn mehr für uns, mit internationalen Filmproduzenten zu verhandeln, weil die eine gewisse Fördersumme für ihre Projekte zu Recht beanspruchen. Dann wird der Film eben in Budapest oder London gedreht. Ein Film kann heutzutage filmtechnisch fast überall produziert werden.

medienpolitik.net: Welche Bedeutung hat er für Studio Babelsberg?

Dr. Carl L. Woebcken: Der DFFF ist von existentieller Bedeutung für Studio Babelsberg. Aber er ist genauso von Bedeutung für alle deutschen Filmproduzenten, die international ausgerichtet sind – von europäischen Arthouse-Filmen bis zum Blockbuster. Internationale Koproduktionen sind auf dieses Anreizsystem angewiesen.

medienpolitik.net: Wie hat sich in den acht Jahren die internationale Förderlandschaft verändert? Wo werden Filmproduktionen am meisten gefördert?

Dr. Carl L. Woebcken: Seit der Einführung des DFFF im Jahr 2007 hat sich der internationale Wettbewerb von Anreizsystemen dramatisch verschärft. Eine Vielzahl von Ländern setzt auf die Filmindustrie, weil sie das Potenzial für Innovation, Wertschöpfung und Image erkannt haben. England hat kürzlich seine Förderung von 20 auf 25 Prozent ohne Kappungsgrenzen angehoben sowie eine Förderung von TV-Formaten – ebenfalls ohne Kappungsgrenzen – eingeführt. Wegen der Kappungsgrenzen in der deutschen Filmförderung sind wir bei den Projektverhandlungen immer im Nachteil. In England kann eine 200-Millionen-Pfund-Produktion mit bis zu 50 Förder-Millionen rechnen. Der Deutsche Filmförderfonds zahlt maximal 10 Millionen Euro aus. Blockbuster wie „Star Wars“ oder „X-Men“ werden deswegen eben in den Londoner Pinewood Studios gedreht und nicht in Babelsberg oder bei der Bavaria. Die deutsche Filmförderung müsste auf Augenhöhe sein mit anderen europäischen Fördersystemen. Doch das ist sie leider nicht. Deshalb gehen die wirklich großen Produktionen nach Kanada, Neuseeland oder England. Sogar wirtschaftlich weniger starke Länder wie Kroatien, Tschechien, Serbien oder Ungarn haben den Mehrwert der Filmförderung erkannt und bieten entsprechende Anreize. Das ist ein knallharter Förderwettbewerb, der die Filmwirtschaft zurzeit stark von Deutschland wegverlagert.

medienpolitik.net: Der DFFF ist 2015 von 70 Millionen Euro auf 50 Millionen Euro gekürzt worden. Hatte das auch für Studio Babelsberg Konsequenzen?

Dr. Carl L. Woebcken: Ja, die Kürzung hatte in mehrfacher Hinsicht Auswirkungen. Zum einen ist die Zuverlässigkeit des Systems nicht mehr das, was sie mal war. Internationale Filmproduzenten benötigen für ihre groß-budgetierten Filmprojekte Sicherheit und Vertrauen in den Standort, wo sie den Film herstellen. Wir waren vor einer Woche in Los Angeles und mussten feststellen, dass dieses Vertrauen erschüttert ist und insbesondere die US-Major-Studios in nächster Zeit wahrscheinlich einen Bogen um Deutschland machen werden. Um es noch mal deutlich auszudrücken: Nur aufgrund des DFFF konnten wir damals Hollywood überzeugen, in Deutschland zu drehen. Zum anderen haben wir aufgrund des aufgebrauchten DFFF im laufenden Jahr zwei große Projekte verloren, die unsere Auftragslage für 2016 gesichert hätten.

medienpolitik.net: Warum ist es so schwierig, internationale Filme in Ihr Studio zu bekommen, obwohl Sie erwiesenermaßen über Know-how, die entsprechenden Fachleute und große Erfahrung verfügen?

Dr. Carl L. Woebcken: Es ist in der Filmindustrie unbestritten, dass Studio Babelsberg und die hier ansässige Crew-Basis mit ihrer internationalen Erfahrenheit ein hohes Renommee besitzen. Jedoch zählt am Ende die Attraktivität des Anreizsystems, das gegenwärtig im internationalen Vergleich weit abfällt. In 2014 haben wir zwar mit „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ und „Tribute von Panem: Mockingjay“ tolle Filme in Deutschland koproduziert. Allerdings muss man auch betonen, dass die Produzenten die Studiodreharbeiten in Produktionsstätten in anderen Ländern durchgeführt haben, in denen es bessere monetäre Anreize gibt. Das gleiche gilt dieses Jahr für die Marvel-Produktion „Captain America: Civil War“, die alle Studiodrehs in Atlanta, USA gemacht hat. Das Ernüchternde ist: Die Produzenten all dieser Filme hätten liebend gerne in Studio Babelsberg in Potsdam, in den Bavaria Studios in München oder in den MMC-Studios in Köln gedreht. Deutschland hat einen guten Ruf mit seinen vielfältigen Motiven, dem filmtechnischen Know-how und den ausgezeichneten Möglichkeiten für Kreative. Aber dafür stimmen die Rahmenbedingungen leider nicht. Das führte dazu, dass wir in 2014 bei den großen Filmproduktionen unsere Studios nicht mitvermieten konnten. Dies ist eigentlich unser Kerngeschäft und die wichtigste Einnahmequelle für unseren Kostenapparat.

medienpolitik.net: Aber es werden doch annähernd 220 deutsche Filme produziert, einige auch in Ihrem Studio. Warum reicht das nicht aus?

Dr. Carl L. Woebcken: Deutsche Filme haben nur in Ausnahmefällen ein Budget für Studioaufnahmen und aufwendigen Kulissenbau. Filme wie „Cloud Atlas“ von X-Filme oder „Die drei Musketiere in 3D“ von Constantin Film, die vollständig in Deutschland produziert werden, sind leider die Ausnahme. Constantin Film hat aktuell verkündet, dass sie aufgrund der schlechten Förderung in Deutschland ihr nächstes großes Projekt im Ausland produzieren werden. Und die UFA Fiction und sogar die öffentlich-rechtlichen Sender gehen regelmäßig mit ihren Filmen nach Prag. Derzeit wird in den Barrandov Studios der ZDF-Dreiteiler „Berlin – Der geteilte Himmel“ gedreht. Über diese Entwicklung sollte sich die Politik mal Gedanken machen.

medienpolitik.net: Wie sieht das Jahr 2015 im Studio Babelsberg aus?

Dr. Carl L. Woebcken: Mit der Umsetzung der Dreharbeiten für „Homeland“, „A Cure for Wellness“ und „The Lake“ hatten wir eine zufriedenstellende Auslastung. Bisher waren wir auch immer verhalten optimistisch hinsichtlich der weiteren Entwicklung. Aber aufgrund der aktuell weggebrochenen Projekte und der pessimistischen Einschätzung der US-Produzenten sieht es derzeit für 2016 düster aus.

medienpolitik.net: Welche Konsequenzen hätte es, wenn der DFFF auch in den nächsten Jahren 50 Mio. Euro oder sogar weniger betragen würde?

Dr. Carl L. Woebcken: Wenn die Förderpolitik so bleibt wie sie gegenwärtig wohl beschlossen ist, müssen wir notgedrungen unser Geschäftsmodell überdenken und uns gegebenenfalls von der Ausrichtung auf internationale Koproduktionen mit Studiobetrieb verabschieden. Wir hoffen, dass die Politik die Situation erkennt und dann entscheidet: Soll Deutschland auch zukünftig ein Produktionsstandort für internationale Filme sein oder nicht? Noch einmal, um es klar zu stellen: Der DFFF lohnt sich auch fiskalisch. 100 Millionen Euro Filmförderung stehen 170 Millionen Euro Steuereinnahmen gegenüber. Finanzminister Schäuble verdient mit dem DFFF Geld! Die deutsche Kinofilmproduktion erwirtschaftet etwa eine halbe Milliarde Euro Umsatz im Jahr. Jede Erhöhung des DFFF würde zu Mehreinnahmen führen. So sehen das mit zunehmender Tendenz auch die Finanzministerien von weltweit über 80 filmproduzierenden Ländern, die gerade deshalb eine stabile Filmwirtschaft vorzeigen können.

medienpolitik.net: Sehen Sie auch europapolitische Konsequenzen? Die Kinomitteilung zur Filmförderung war ja sehr umstritten und nur schwer mit dem EU-Beihilferecht zu synchronisieren?

Dr. Carl L. Woebcken: Die deutsche Regierung hat bei der letzten Kinomitteilung den Engländern Amtshilfe geleistet, indem sie die prozentuale Begrenzung der Förderhöhe für größere Produktionen gut geheißen hat. Sie ist jedoch selbst nicht bereit, eine äquivalente Förderhöhe in Deutschland zur Verfügung zu stellen. Es sollte hierbei auch berücksichtigt werden, dass die mittlere Förderhöhe der deutschen Produktionen ohne die internationalen Koproduktionen über 50 Prozent betragen würden und damit beihilferechtlich schwierig wäre.

Der Beitrag wurde in der promedia-Ausgabe Nr. 11/2015 erstveröffentlicht.

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