Medienpolitik:
„Politiker sind nicht die besseren Programmchefs“

• Verständigung über neuen Auftrag für öffentlich-rechtliche Sender bis Oktober möglich
• Beurteilung der KEF erfolgte im Rahmen ihrer Kompetenzen
28.03.18 Fragen an Dr. Carsten Brosda (SPD), Senator für Kultur und Medien Hamburgs, und Oliver Schenk (CDU), Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Chef der Sächsischen Staatskanzlei
Die Regierungschefinnen und -chefs der Länder haben auf ihrer Konferenz im Februar von den öffentlich-rechtlichen Anstalten gefordert, bis zum 20. April unter anderem zu erläutern, welche weiteren Synergieeffekte sie sehen, welche strukturellen Optimierungen noch möglich seien und wie eine zukunftsfähige Gestaltung des Auftrags aussehen solle. Wie Hamburgs Senator für Kultur und Medien in einem medienpolitik.net-Gespräch betonte, wäre ein höheres Maß an Freiheit für die öffentlich-rechtlichen Anstalten bei gleichzeitig steigender Kostenverantwortung ein sinnvoller Weg. Der Chef der Sächsischen Staatskanzlei Oliver Schenk sieht die Notwendigkeit einer Grundsatzdiskussion zur Frage: „Wie lässt sich die Qualität und auch die Akzeptanz des Angebots und damit auch das Vertrauen der Menschen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiter stärken?“
Dr. Carsten Brosda (SPD), Senator für Kultur und Medien Hamburgs
medienpolitik.net: Herr Brosda, die Länder haben bei ihrer jüngsten Konferenz die öffentlich-rechtlichen Sender aufgefordert, bis 20. April Erläuterungen zur zukunftsfähigen Gestaltung des Auftrags zu geben. Aber ist die Definition des Auftrags nicht Sache der Länder?
Dr. Carsten Brosda: Natürlich ist es Sache der Länder im Rundfunkstaatsvertrag zu beschreiben, welche Erwartungen sich an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk richten. Daraus ergibt sich die Definition des Auftrags. Ich finde es aber mit Blick auf die aktuellen Überlegungen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftsfähig auszugestalten und an die geänderten Bedürfnisse der Gesellschaft anzupassen, durchaus sinnvoll, auch in den Dialog mit den Anstalten zu treten. Ich glaube nicht, dass Politiker die besseren Programmchefs sind.
medienpolitik.net: Wo müsste und könnte nach Ihrer Meinung, auch nach den Erläuterungen des jüngsten KEF-Zwischenberichts, der Auftrag verändert werden?
Dr. Carsten Brosda: Zur Sicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wäre meines Erachtens ein höheres Maß an Freiheit für die öffentlich-rechtlichen Anstalten bei gleichzeitig steigender Kostenverantwortung ein sinnvoller Weg. Die kleinteilige staatsvertragliche Beauftragung durch die Länder stößt wegen der Dynamik des Medienmarktes und der sich wandelnden Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger in ihrer jetzigen Form an ihre Grenzen. Es ist sinnvoll, denjenigen, die das Programm verantworten, mehr Freiheit und Verantwortung zu geben. Sie wissen selbst am besten, wie sie ihr Publikum erreichen. Sie können und sollten entscheiden und verantworten, was, wann und wo, also über welche Ausspielwege, gesendet wird.
Wir könnten daher künftig eher abstrakt die Produktion von Inhalten öffentlich-rechtlicher Qualität beauftragen. Die Anstalten könnten hierfür etwa ein Programm- und ein Distributionsbudget erhalten, mit dem sie dann selbst entscheiden, in welchem Maße sie welche Verbreitungswege nutzen. Die Beauftragung von detaillierten Programmkonzepten, wie wir es etwa in den digitalen Spartenkanälen getan haben, halte ich auf mittlere Sicht nicht für zukunftsfähig.
Daraus könnten sich auch Konsequenzen für die künftige Bestimmung des Finanzbedarfs des gesamten Systems ergeben. Ein Modell, in dem wir einen Index für den Rundfunkbeitrag festlegen und eine Budgetierung vornehmen, liegt aus meiner Sicht nahe. Damit würde den Anstalten ein verlässlicher finanzieller Rahmen gegeben, in dem sie ihren Auftrag künftig freier und eigenverantwortlicher erfüllen können.
Voraussetzung hierfür wäre aber, dass die Anstalten ihre Strukturreformen fortführen, damit wir einen soliden Basiswert erreichen, den wir dann über den Index fortschreiben könnten. Die Anstalten haben im vergangenen Jahr in diesem Sinne eine Vielzahl von Strukturprojekten vorgestellt, die den Weg in die richtige Richtung weisen und einen guten ersten Schritt darstellen.
medienpolitik.net: Die KEF hat z.B. auf die hohen Kosten im Sportbereich verwiesen. Sehen Sie hier ein Feld, um den Auftrag zu modifizieren?
Dr. Carsten Brosda: Zu einem Vollprogramm für die gesamte Bevölkerung gehört auch die Sportberichterstattung. Der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist derzeit zu Recht entsprechend weit gefasst – und ich bin auch dagegen, ihn auf dieser Ebene enger zu fassen, nur damit Geld gespart werden kann. Sport hat für viele Menschen einen hohen Stellenwert, die Berichterstattung darüber wird besonders bei den unverschlüsselten öffentlich-rechtlichen Programmen erwartet. Außerdem trägt die Sportberichterstattung dazu bei, dass auch andere Angebote der Sender eine gute Reichweite haben. Da die Anstalten in den vergangenen Jahren bewiesen haben, dass sie hier verantwortungsvoll mit den Beitragsmitteln umgehen und nicht um buchstäblich „jeden Preis“ mitbieten, sollten wir diese Entscheidungen in den Anstalten und ihren Gremien belassen.
medienpolitik.net: Hat die KEF mit ihren zum Teil sehr konkreten Hinweisen und Vorschlägen auch zum Programmbereich ihre Kompetenz überschritten?
Dr. Carsten Brosda: Die KEF hat nach dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag die Aufgabe, unter Beachtung der Programmautonomie der Rundfunkanstalten den von ihnen angemeldeten Finanzbedarf fachlich zu überprüfen und zu ermitteln. Dies bezieht sich darauf, ob sich die Programmentscheidungen im Rahmen des rechtlich umgrenzten Rundfunkauftrages halten und ob der aus ihnen abgeleitete Finanzbedarf zutreffend ermittelt worden ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass diese im Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der öffentlichen Haushalte stehen muss. Insofern gibt es natürlich Überschneidungen zwischen der Prüfung der KEF und der Programmautonomie. Mein Eindruck ist, dass alle Beteiligten trotz kontroverser Punkte mit diesem Spannungsverhältnis und der unterschiedlichen Rollenverteilung gut und an der Sache orientiert umzugehen wissen.
medienpolitik.net: Die Bedarfsanmeldung der Anstalten und damit auch der Rundfunkbeitrag sind vom Auftrag abhängig. Das bedeutet, dass spätestens im Oktober Veränderungen des Auftrages vorliegen müssten. Ist das überhaupt noch zu schaffen?
Dr. Carsten Brosda: Der Zeitplan ist ambitioniert Aber es ist – einen sachlichen Einigungswillen alle Beteiligten vorausgesetzt – durchaus möglich, bis Oktober eine verbindliche Einigung der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten über den künftigen öffentlich-rechtlichen Auftrag der erreichen.
medienpolitik.net: Halten Sie eine Beitragsstabilität – auch nach den Beurteilungen der KEF über die Einsparvorschläge – ohne Veränderung des Auftrages noch für realistisch?
Dr. Carsten Brosda: Da die allgemeine Teuerung auch die Anstalten betrifft, würde eine fortgesetzte absolute Beitragsstabilität bei normaler Inflation faktisch auch ein fortgesetztes Abschmelzen des Beitrages bedeuten. Und natürlich stehen Effizienzgewinne weiter als Anforderung im Raum. Aber im Lichte unseres gemeinsamen Ziels, die Grundlagen für einen leistungsfähigen und bezahlbaren öffentlich-rechtlichen Rundfunk im 21. Jahrhundert zu erhalten, hat es schon Sinn, nicht mit absoluten Festlegungen zu arbeiten, sondern grundsätzlich mit Augenmaß voranzugehen.
medienpolitik.net: Eine große Mehrheit hat in der Schweiz die Abschaffung des Rundfunkbeitrages abgelehnt. Ergeben sich dennoch aus der No-Billag-Initiative Schlussfolgerungen für Deutschland?
Dr. Carsten Brosda: Die überwiegende Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer hat für den Erhalt der schweizerischen Rundfunkgebühr und somit auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als sinnstiftende Institution in einem demokratisch verfassten Gemeinwesen gestimmt. Damit ist der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Schweiz zumindest erst einmal gesichert. Darüber bin ich sehr froh und das ist auch ein gutes Signal für die Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an sich. Aber es ist kein Grund, nicht weiter mit aller Kraft an der Zukunftsfähigkeit des Systems zu arbeiten.
Ein starker, unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist von grundlegender Bedeutung für unsere Demokratie. In immer unübersichtlicheren Zeiten vielleicht mehr denn je. Diese Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, seine Strukturen und Bedarfe müssen wir im gesellschaftlichen Diskurs stärker herausstellen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss noch stärker als bisher deutlich machen, wozu er da ist, wie er arbeitet und wofür das Geld benötigt wird, das die Bürgerinnen und Bürger zahlen und er muss ein attraktives Angebot auch im Netz machen.
Wichtig sind in diesem Zusammenhang die angesprochenen Reformen von Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die wir in Deutschland bereits angestoßen haben. Auch die SRG hat in Konsequenz der No-Billag-Initiative bereits Programmreformen angekündigt. Die BBC etwa hat einen entsprechenden Prozess schon erfolgreich hinter sich gebracht. Die Fähigkeit zum Wandel ist die entscheidende Voraussetzung dafür, das Bestehende sinnvoll zu sichern.
Oliver Schenk (CDU), Chef der Sächsischen Staatskanzlei
medienpolitik.net: Herr Schenk, die Länder haben bei ihrer jüngsten Konferenz die öffentlich-rechtlichen Sender aufgefordert, bis 20. April Erläuterungen zur zukunftsfähigen Gestaltung des Auftrags zugeben. Aber ist die Definition des Auftrags nicht Sache der Länder?
Oliver Schenk: Die Arbeitsgemeinschaft zu Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde von den Ländern eingerichtet. Das war die Folge des Beschlusses der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom Oktober 2016. Sie wird nur dann erfolgreich sein, wenn alle Beteiligten, also die Länder und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sie als Chance für eine zukunftsfähige Gestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks begreifen. Aktuell berät deshalb eine Gruppe von Ländern, der auch Sachsen angehört, eine Neufassung der Beauftragung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Das Ergebnis der Beratungen wird im Länderkreis dann diskutiert – ebenso wie die von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erwartete Stellungnahme zu den Empfehlungen der KEF.
medienpolitik.net: Wo müsste und könnte nach Ihrer Meinung, auch nach den Erläuterungen des jüngsten KEF-Zwischenberichts, der Auftrag verändert werden?
Oliver Schenk: Ich will den Beratungsergebnissen der Länderarbeitsgruppe zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgreifen. Allerdings prüft eine Arbeitsgruppe aus fünf Ländern wie eine mögliche Neufassung der Beauftragung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – bei Wahrung des funktionellen Auftrags der KEF – sowohl Elemente der Flexibilisierung als auch der Budgetierung enthalten kann.
medienpolitik.net: Die KEF hat z.B. auf die hohen Kosten im Sportbereich verwiesen. Sehen Sie hier Feld, um den Auftrag zu modifizieren?
Oliver Schenk: Die KEF hat in ihrer von den Ländern erbetenen Stellungahme verschiedene Reformfelder benannt, in denen sie das Potenzial für weitere Optimierungen sieht. Ein Bereich ist der Erwerb von Sportrechten, der in den letzten Jahren, etwa durch neu hinzugetretene Marktteilnehmer mit ungewohnten finanziellen Möglichkeiten, geradezu disruptive Veränderungen erfahren hat. Auch zu dieser Entwicklung und den hieraus abzuleitenden Folgen werden die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Stellung nehmen. Viel entscheidender als die Frage nach einzelnen Bereichen, die einer Modifizierung bedürfen, ist mir aber die Notwendigkeit einer Grundsatzdiskussion zur Frage: Wie lässt sich die Qualität und auch die Akzeptanz des Angebots und damit auch das Vertrauen der Menschen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiter stärken?
medienpolitik.net: Hat die KEF mit ihren zum Teil sehr konkreten Hinweisen und Vorschlägen auch zum Programmbereich ihre Kompetenz überschritten?
Oliver Schenk: Ich denke, die Argumente dafür und dagegen sind in den vergangenen Wochen hinreichend ausgetauscht und von allen Seiten beleuchtet worden. Für mich gilt aber auch hier, dass eine zukunftsfähige Gestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nur in einem konstruktiven Miteinander aller Beteiligten – im Übrigen auch der Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – gelingen wird. Ich selbst habe in den Ausführungen der KEF deshalb weniger einen Hinweis zur Programmgestaltung gesehen. Vielmehr ist es ein Hinweis, wie die Ressourcen, die mit dem Rundfunkbeitrag zur Verfügung gestellt werden, effizient genutzt werden können. Aus meiner Sicht ist das von dem Mandat der KEF gedeckt. Deren Verfahren hat sich gerade nach der Anpassung infolge des 8. Rundfunkurteils des Bundesverfassungsgerichts über viele Jahre hinweg bewährt.
medienpolitik.net: Die Bedarfsanmeldung der Anstalten und damit auch der Rundfunkbeitrag sind vom Auftrag abhängig. Das bedeutet, das spätestens im Oktober, Veränderungen des Auftrages vorliegen müssten. Ist das überhaupt noch zu schaffen?
Oliver Schenk: Was bis Oktober dieses Jahres vorliegen muss, ist ein politischer Grundkonsens über eine Neufassung der Beauftragung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das zu erreichen ist sicher ehrgeizig, aber durchaus machbar.
medienpolitik.net: Halten Sie eine Beitragsstabilität – auch nach den Beurteilungen der KEF über die Einsparvorschläge – ohne Veränderung des Auftrages noch für realistisch?
Oliver Schenk: Die Beitragsstabilität ist nicht erst seit dem Beschluss der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder aus dem Oktober 2016 erklärtes Ziel der Länder. Vor diesem Hintergrund ist daher auch der Auftrag an die Rundfunkkommission zu verstehen, der wiederum die Arbeitsgrundlage der Arbeitsgemeinschaft Auftrag und Strukturoptimierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bildet. Aber auch insoweit gilt es zunächst die Stellungnahme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten abzuwarten, die im Übrigen auch Ausführungen zu den die einzelnen Maßnahmen begleitenden Personalkonzepten enthalten müssen. Um mit Blick auf den bereits angesprochenen Zeitplan aber auch keine Zeit zu verlieren, beteiligt sich Sachsen aktiv an den Beratungen zur Neufassung der Beauftragung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Deren Ergebnisse werden in die Meinungsbildung der Rundfunkkommission einfließen.
medienpolitik.net: Sollte es doch zu einer Erhöhung des Beitrages ab 2021 kommen, kann man damit rechnen, dass der Sächsische Landtag, dem entsprechenden Rundfunkstaatsvertrag zustimmen wird?
Oliver Schenk: Den Beratungen und Entscheidungen des Sächsischen Landtages kann und darf ich nicht vorgreifen. Mein medienpolitisches Engagement als Vertreter der Exekutive gilt aber der staatsvertraglichen Umsetzung der von den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vorgegebenen Zielsetzungen.
medienpolitik.net: Eine große Mehrheit hat in der Schweiz die Abschaffung des Rundfunkbeitrages abgelehnt. Ergeben sich dennoch aus der No-Billag-Initiative Schlussfolgerungen für Deutschland?
Oliver Schenk: Die Schweizerinnen und Schweizer haben sich mit großer Mehrheit für den Erhalt des beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgesprochen. Das zeigt erneut: Rundfunkbeiträge stoßen dann auf Akzeptanz, wenn die Qualität des Programms stimmt und die zur Verfügung stehenden Mittel vernünftig eingesetzt werden. Das muss auch die Richtschnur für die weiteren Abstimmungen in der AG Auftrag und Strukturoptimierung in Deutschland sein: Das große Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss durch weitere Reformanstrengungen gesichert werden.
Der Beitrag wurde in der promedia-Ausgabe 04/18 erstveröffentlicht.