Rundfunk:

„Wir haben immer vom interaktiven TV geträumt“

von am 05.09.2018 in Allgemein, Archiv, Digitale Medien, Interviews, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, Technik

<h4>Rundfunk:</h4> „Wir haben immer vom interaktiven TV geträumt“
Dr. Andreas Bereczky, Produktionsdirektor des ZDF

Mediatheken sind durch Smart TV für den Nutzer attraktiv geworden

05.09.18 Interview mit Dr. Andreas Bereczky, Produktionsdirektor des ZDF

Seit 2004 ist Dr. Andreas Bereczky Produktionsdirektor des ZDF und somit für den Ablauf des Produktions- und Sendebetriebs, die Bildgestaltung sowie die IT des Fernsehsenders zuständig. Unter seiner Leitung wurde die Digitalisierung im ZDF weiterentwickelt und HDTV eingeführt. Maßgeblich setzte sich der Herr der Technik für den Ausbau der ZDF-Mediathek und das SmartTV ein. Zum 31. Dezember 2018 geht der promovierte Maschinenbauer in den Ruhestand. In einem medienpolitik.net-Gespräch resümiert der ZDF-Produktionsdirektor, dass er bei der Einführung neuer Technologien immer vorsichtig war. „Das ZDF muss als Marktführer nicht ‚first mover‘ sein. Etwas Geduld ist meistens angebracht, wenn mal wieder eine neue Sau durch das Dorf getrieben wird. Wenn sich ein relevanter Technologietrend abzeichnet, können wir immer noch reagieren.“ Dass sich 3D im Fernsehen nicht durchsetzen konnte, führt Bereczky auf die Unbequemlichkeit durch die Brille zurück. Dagegen rechnet er damit, dass sich Virtual Reality, vor allem bei Augmented Reality, durchsetzen wird. Auch für UHDTV sieht er eine Zukunft, da die Bildschirme in den Haushalten immer größer würden.

medienpolitik.net: Herr Bereczky, Sie sind seit 2004 Produktionsdirektor des ZDF. Was war die schwierigste und aufwendigste technische Umstellung für das ZDF in dieser Zeit?

Dr. Andreas Bereczky: Die Sendeabwicklung wurde vollständig auf „bandlose“ Produktion und HD Technologie umgestellt. Gleichzeitig haben wir die beiden Sendeabwicklungen (ZDF, 3Sat) an einem Standort für alle Programme zusammengeführt. Viele Komponenten waren damals entweder sehr neu im Markt oder es gab sie schlicht noch nicht. Planung, Auswahl, Integration und Test dieser Komponenten mussten wir selbst übernehmen. Das Projekt war eine große Herausforderung.

medienpolitik.net: Hatten Sie sich bei einem Trend auch geirrt?

Dr. Andreas Bereczky: Ich war da immer vorsichtig. Das ZDF muss als Marktführer nicht „first mover“ sein. Etwas Geduld ist meistens angebracht, wenn mal wieder eine neue Sau durch das Dorf getrieben wird. Wenn sich ein relevanter Technologietrend abzeichnet, können wir immer noch reagieren.

medienpolitik.net: HD ist heute im Wesentlichen der Sendestandard. Was hat die Umstellung von SD auf HD das ZDF gekostet?

Dr. Andreas Bereczky: Die Umstellung erfolgte über einen langen Zeitraum. Dabei wurde auch der ohnehin notwendige Ersatz von ‚alter‘ Technik einbezogen. Wir haben also im Rahmen regulärer Reinvestitionen anstelle ausrangierter SD-Infrastruktur neue HD fähige Technik installiert. Hinzu kommt, dass auch die HD-Technik im Laufe der Jahre günstiger geworden ist. Bei einem derart komplexen Prozess kann man diese Frage nicht mit einer Zahl beantworten.

medienpolitik.net: Nun ist Ultra-HD anscheinend der nächste Schritt. Wird und muss sich UHD durchsetzen?

Dr. Andreas Bereczky: Ich denke schon. Die Bildschirme in den Haushalten werden immer größer. Ab 65 Zoll Diagonale aufwärts beginnt UHD für die Konsumenten Sinn zu machen. Der Preisverfall der Geräte dürfte den Trend zu größeren Screens unterstützen.

medienpolitik.net: Ist es wirklich so wichtig, dass das TV-Bild noch ein wenig schärfen und farbenfreudiger wird, wenn die TV-Angebote immer mehr auf dem Smartphone genutzt werden?

Dr. Andreas Bereczky: Ich nehme mal an, dass Sie die Fußball WM nicht auf dem Smartphone angeschaut haben. Und auch die großen TV-Movies oder Dokumentationen, etwa „Terra X“, entfalten ihre Wirkung nicht auf dem Display eines Smartphones. Nachrichten dagegen werden oft auf mobilen Geräten angeschaut. Da spielen dann Farbtreue und Auflösung keine so große Rolle. Wie Sie sehen, es gibt kein entweder oder, sondern unterschiedliche Empfangsgeräte und verschiedene Inhalte.

medienpolitik.net: Warum hat 3D im Fernsehen anscheinend nicht funktioniert?

Dr. Andreas Bereczky: Aus meiner Sicht ist die Antwort einfach. Die Zuschauer schauen nicht gerne Fernsehen mit einer Brille. Der Mehrwert 3D war mit diesem Nachteil verbunden und nicht attraktiv genug für das Publikum.

medienpolitik.net: Wird Virtual Reality 3D überspringen und das nächste massentaugliche TV-Erlebnis?

Dr. Andreas Bereczky: Hier muss man unterscheiden zwischen dem Einsatz von VR, etwa auch als Augmented Reality bei der Produktion. Bei uns zum Beispiel im virtuellen Nachrichtenstudio oder bei Sportübertragungen. Das kann eine Sendung sehr aufwerten, die Inhalte interessant machen. Zusatzausstattung, wie eine Brille, brauchen wir auch nicht. Für die Zuschauer ist der Mehrwert ohne Nachteile erkennbar. Schwieriger ist es bei reinen 360-Grad Produktionen, die ein großes Datenvolumen beanspruchen und eine besondere Ausrüstung beim Zuschauer brauchen. Insgesamt halte ich aber den Erfolg von VR Inhalten für sehr wahrscheinlich. Es kommt darauf an, die richtigen Formate und Genres zu finden, bei denen VR seine Kraft entfalten kann.

medienpolitik.net: Welche Rolle spielen Virtual Reality und 360-Grad für die technische Strategie des ZDF?

Dr. Andreas Bereczky: Wir haben schon einige Terra-X Dokumentationen in dieser Technik produziert. Zurzeit werden historische Schauplätze unter dem Label „history 360°“ in virtueller Technik rekonstruiert. Das sind völlig neue Herausforderungen für Kameratechnik, Sounddesign, Schauspieler und Moderatoren. Zurzeit befinden wir uns in der Phase des Lernens. Um daraus strategische Ziele abzuleiten, ist es noch zu früh.

medienpolitik.net: Ein großer Teil der DVB-T Empfangsgebietes ist inzwischen auf DVB-T2 umgestellt. War es wirklich sinnvoll in DVB-T2 zu investieren, angesichts der stärkeren TV-Nutzung über Online?

Dr. Andreas Bereczky: Die lineare Nutzung unserer Programme ist immer noch die „Killer Applikation“ in der Medienwelt. Eine „Punkt zu Punkt“ Verbindung benötigen wir nur bei Video On Demand und bei der zeitversetzten Nutzung. Lineares Fernsehen über das Internet zu streamen, ist eigentlich eine Verschwendung von Ressourcen. Es macht nur im Hinblick auf die mobilen Empfangsgeräte Sinn, weil die populären Smartphones und Tablets „nur“ Internet empfangen können. Für das klassische lineare Fernsehen bleibt der effektivste Weg immer noch Broadcasting also das gleiche Signal von einer Quelle an alle Geräte. Mit DVB-T2 erreichen wir effektiv alle stationären und mobilen Geräte, ohne für den Datenverbrauch beim Sender und Empfänger – Stichwort: Datentarife bei Handyverträgen – extra zahlen zu müssen.

medienpolitik.net: Sie haben sich sehr früh schon für SmartTV engagiert. Inzwischen verfügt ein Drittel aller Haushalte über Smart-TV. Warum waren Sie von dieser Technologie überzeugt?

Dr. Andreas Bereczky: Die Programmmacher haben schon immer vom interaktiven Fernsehen geträumt. Dass Internet bietet diese Möglichkeit und noch viel mehr. Die Mediatheken sind erst durch SmartTV richtig attraktiv geworden. Die Nutzung der Mediatheken auf großen Bildschirmen liefert den attraktiven Mehrwert für die Zuschauer.

medienpolitik.net: Aber schaden sich die klassischen TV-Sender nicht angesichts der Angebotskonkurrenz an Bewegtbildangeboten im Internet mit dieser Technologie?

Dr. Andreas Bereczky: Nein. Für uns spielt es keine Rolle, ob unsere Inhalte linear und/oder zeitversetzt in der Mediathek genutzt werden. Die Reichweiten sind größer geworden.

medienpolitik.net: Das ZDF baut seine Online-Angebote aus, die Mediathek wurde erneuert, es gibt zusätzliche Streamingangebote. Welche Rolle spielt heute der IT-Bereich im Vergleich zum „klassischen“ TV-Produktions- und Sendebereich?

Dr. Andreas Bereczky: Ohne IT gibt es keine Fernsehproduktion, keine Mediathek, keine Ausstrahlung der Programme, keine Archivierung der Sendungen, usw. Der Stellenwert der IT ist entsprechend hoch zu werten.

medienpolitik.net: Man hört und liest immer wieder, dass durch neue Technologien die Kosten für TV-Produktion und Distribution sinken würden und hier noch mehr gespart werden könnte. Wo sehen Sie durch neue Technologien auch Einsparmöglichkeiten?

Dr. Andreas Bereczky: Ich bin der Überzeugung, dass neue Technologien, wie z. B. IT erheblich zur Effizienzsteigerung in allen Organisationen beitragen können. Wer nur den Aspekt der Kostensenkung betrachtet, geht davon aus, dass sich der „Output“ nicht verändert und die Kosten durch günstigere Produktion reduziert werden. Dies gilt aber nicht für Medienunternehmen. Durch die Digitalisierung sind neue Möglichkeiten und neue Dienste entstanden. Die Mediathek ist nur ein Beispiel. Viele andere Möglichkeiten, wie die enorme Beschleunigung in der aktuellen Berichterstattung, grafische Visualisierung, virtuelle „Erklärstücke“, verschiedene Kameraeinstellungen bei Fußballübertragung sind nur einige weitere Beispiele, die ohne die neue Technologie nicht möglich waren. Wenn eine Organisation, wie das ZDF heute, alle diese neuen Aufgaben perfekt, aber mit zehn Prozent weniger Personal erfüllt als vor acht Jahren, dann haben wir eine enorme Effizienzsteigerung erreicht. Nur der intelligente Einsatz neuer Technologien hat dies möglich gemacht.

Der Beitrag wurde in der promedia-Ausgabe 09/18 erstveröffentlicht.

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