„Erfolg lässt sich nicht allein an Zuschauerzahlen messen“

Produzentenallianz weist pauschale Kritik der Kulturstaatsministerin zurück
17.02.2019. Interview mit Dr. Christoph Palmer, Geschäftsführer der Produzentenallianz
Damit künftig mehr zugkräftige Filme aus deutscher Produktion auch mehr Zuschauer ins Kino locken, will Kulturstaatsministerin Monika Grütters gemeinsam mit der Branche die Verfahren und Strukturen der wirtschaftlichen Filmförderung diskutieren. Dies kündigte die Staatsministerin auf dem Deutschen Produzententag der Produzentenallianz in Berlin an. Grütters kritisierte, dass trotz gestiegener Fördermittel die Zahl der Kinobesucher und die Kinoumsätze rückläufig seien. Sie sehe ein gewisses Missverhältnis zwischen Investition und Ertrag, zwischen dem massiven Ausbau der deutschen Filmförderung einerseits und der Strahlkraft des deutschen Films wie auch der Zahl deutscher Filmerfolge andererseits. Für die öffentliche Filmförderung stehe aktuell so viel Geld wie nie zuvor zur Verfügung, so Grütters. Dr. Christoph Palmer, Geschäftsführer der Produzentenallianz wies die pauschale Kritik der Kulturstaatsministerin in einem medienpolitik.net-Gespräch zurück. „Die Förderinstrumentarien verfolgen sehr unterschiedliche Zwecke, so dass Erfolg und Misserfolg in jedem Einzelfall an dem Grad der Erreichung dieser Zwecke zu messen sind“, so Palmer.
Medienpolitik.net: Herr Palmer, Kulturstaatsministerin Monika Grütters auf dem jüngsten Produzententag von einem gewissen „Missverhältnis zwischen Investition und Ertrag“, „zwischen dem massiven, hart erkämpften Ausbau der deutschen Filmförderung einerseits und der Zug- und Strahlkraft des deutschen Films wie auch der Zahl deutscher Filmerfolge andererseits“. Teilen Sie diese Einschätzung von Frau Grütters?
Palmer: Zunächst einmal: Wir freuen uns über und begrüßen ausdrücklich den in den letzten Jahren erfolgten Ausbau der für die Filmförderung zur Verfügung stehenden Mittel. Monika Grütters hat daran entscheidenden Anteil. Die Förderinstrumentarien verfolgen allerdings sehr unterschiedliche Zwecke, so dass Erfolg und Misserfolg in jedem Einzelfall an dem Grad der Erreichung dieser Zwecke zu messen sind. So dient etwa der DFFF II vorrangig zur Stärkung der Produktionswirtschaft in Deutschland. Er fördert Produktionsdienstleister auch und gerade dann, wenn sie für ausländische Produktionen tätig und für diese z.B. VFX-Dienstleistungen in Deutschland erbringen. Der Erfolg dieser Fördermaßnahme liegt in gesteigerter Produktionstätigkeit in Deutschland und vermehrten Ausgaben ausländischer Produzenten in Deutschland. Der Erfolg der so unterstützen Produktionen wird sich aber in keiner Statistik der Erfolge deutscher Kinofilme wiederfinden, da diese Filme eben in der Regel gar keine deutsche Nationalität aufweisen. Die positiven gesamtwirtschaftlichen Effekte und positiven Auswirkungen auf das Steueraufkommen in Deutschland sind hingegen wiederholt nachgewiesen worden. Ein anderes Thema ist die Bewertung der Erfolge der vor drei Jahren deutlich aufgestockten BKM Filmförderung. Diese zielt in allererster Linie auf den künstlerisch wertvollen Film und hat hier mit den von der BKM geförderten Filmen im diesjährigen Wettbewerb der Berlinale bereits sehr evidente Erfolge vorzuweisen. Ein besonderes Zuschauerpotential müssen diese Filme demgegenüber nach dem ausdrücklich erklärten Willen auch von Frau Grütters nicht nachweisen. Wenn dem so ist, dann kann man diesen Filmen und ihren Produzenten aber auch nicht vorwerfen, dass sie kein Millionenpublikum erreichen.
Medienpolitik.net: Aufwand und Nutzen stünden bei der Filmförderung nicht im ausgewogenen Verhältnis, vor allem in Bezug auf den Nutzen für den Zuschauer, für „die steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürger“, so Grütters. Woran messen Sie den Nutzen.
Palmer: Diese Auffassung teilen wir in dieser Pauschalität nicht. Zum einen war das Jahr 2018 ein Übergangsjahr, in dem sowohl der DFFF II, wie auch der GMPF nur eingeschränkt zur Verfügung standen. Außerdem ist es in jedem Fall zu früh, über Förderinstrumente, die erst seit kurzem zur Verfügung stehen, schon ein abschließendes Urteil abzugeben. Das gilt selbst für die bereits in 2015 deutlich erhöhte BKM Filmförderung, da die ersten unter dem entsprechend gestärkten Förderinstrument geförderten Filme ja jetzt erst in die Kinos kommen und auch jetzt erst auf Festivals ausgezeichnet werden können. Den einen Bewertungsmaßstab für all die verschiedenen Fördermaßnahmen gibt es – wie gesagt – nicht. Die automatischen Förderinstrumente des DFFFI und II sowie des GMPF zielen vor allem auf positive Auswirkungen auf die Produktionswirtschaft und hier lassen sich nach unserer Überzeugung ohne weiteres positive Multiplikatoreffekte nachweisen, die auch den steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen. Diese Effekte sind etwa für ähnliche Förderinstrumente in England sehr überzeugend nachgewiesen. Bei der BKM Filmförderung geht es demgegenüber um die künstlerischen Erfolge, die sich bereits einzustellen beginnen. Wie bei der Förderung von Museen, Ausstellungen und Theatern lässt sich bei dieser vorrangig künstlerischen Zwecken dienenden Förderung der Erfolg nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie in Zuschauerzahlen oder –quotienten messen. Allen Förderinstrumenten zusammen kann es jedoch gerade in ihrer Vielgestaltigkeit der mit ihnen verfolgten Ziele als Erfolg angerechnet werden, dass sie dazu beigetragen haben, den Marktanteil des deutschen Films über die Jahre von früher teilweise unter 10 Prozent auf in der Regel über 20 Prozent anzuheben.
Medienpolitik.net: Wie bewerten Sie die Situation der deutschen Filmwirtschaft und des deutschen Films?
Palmer: Die Situation der Produktionswirtschaft ist derzeit in der Tendenz sicherlich positiv zu beurteilen. Es gibt mit den Plattformen neue Auftraggeber und die Beschäftigungslage ist durchwegs gut. Der Kinofilm ist dabei allerdings einer Reihe von Gefährdungen ausgesetzt: (1) Dem Wettbewerb einerseits um die kreativen Talente und andererseits die Aufmerksamkeit der Zuschauer durch eben diese VoD-Dienste, (2) schwieriger werdenden Finanzierungsbedingungen durch ein Wegbrechen von Erlösen aus dem Auslandsvertrieb, in der Summe geringer werdenden Co-Produktionsbeteiligungen der Sender und den Wegfall von Erlösen aus der DVD Verwertung, (3) nicht auskömmlichen und deutlich unter entsprechenden Übungen bei TV-Produktionen liegenden Regelungen zur Ansetzbarkeit von Produzentenhonoraren und Handlungskosten und (4) nicht auskömmlichen Recoupmentbedingungen in den Auswertungsverträgen, bei denen die Produzenten, die stets als erste in die Herstellung eines Filmes investieren müssen, stets als allerletzte am Erfolg eines Filmes partizipieren. Diese Bedingungen führen dazu, dass sich Kinoproduzenten immer wieder vor die Entscheidung gestellt sehen, lieber fürs Fernsehen oder eben für Plattformanbieter zu arbeiten als mit Sorgfalt und Liebe einen Kinofilm vorzubereiten, da mit diesen allein ein Überleben einer Produktionsfirma nicht gesichert werden kann. Vor diesem Hintergrund kann man den Kinofilmproduzenten und –produzentinnen nur gratulieren, dass es ihnen im Jahr 2018 gelungen ist, mit 23,5 Prozent den Marktanteil des deutschen Films stabil zu halten.
Medienpolitik.net: Sind die über 400 Mio. Euro, die 2018 an Fördermitteln von Bund, Ländern und FFA zur Verfügung standen nicht richtig verteilt?
Palmer: Zunächst eine Klarstellung: Laut FFA Statistik vom Februar 2019 standen für die Förderung der Produktion von Kinofilmen im Jahr 2018 insgesamt 272,35 Mio. Euro zur Verfügung. Davon kamen auf Bundesebene von der FFA 30,45 Mio. Euro und von der BKM 146,61 Mio. Euro., dazu die Ländermittel. Gerade von den in dieser Zahl enthaltenen Mitteln des DFFF II wurde aber in 2018 nur ein sehr kleiner Teil abgerufen, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die geänderten Richtlinien, die u.a. eine erleichterte Förderung der VFX Produktion ermöglichen werden, erst in der zweiten Jahreshälfte in Kraft treten und somit in 2018 keine Wirkung mehr entfalten konnten. Tatsächlich ausbezahlt wurden in 2018 an Fördermitteln des Bundes also wohl nur ca. 80 Mio. Euro. Hier ist in 2019 eine sicherlich positivere Entwicklung zu erwarten. Zur weiteren Steigerung der Attraktivität des DFFF schlagen wir zudem vor, die Förderintensität in seinen beiden Teilbereichen von 20 Prozent bzw. 25 Prozent jeweils um 10 Prozent anzuheben, um das Förderinstrumentarium nicht nur in seinen absoluten Haushaltsansätzen, sondern auch in der konkreten Umsetzung international wirklich wettbewerbsfähig zu machen und auch höher budgetierte, in der Regel publikumswirksamere Filme finanzierbar zu machen. Der GMPF ist aus unserer Sicht schon 2018 eine Erfolgsgeschichte gewesen, der noch sehr viel mehr Produktionen hätte befördern können, wenn es nicht zu Beginn des Jahres aufgrund eines noch nicht verabschiedeten Bundeshaushalts Genehmigungsengpässe gegeben hätte. Auch hier lässt der Boom bei der High-End-Serie und die gegenseitige Deckungsfähigkeit der BKM-Fördertöpfe erwarten, dass die intendierten wirtschaftlichen und steuerlichen Effekte im Jahr 2019 voll zum Tragen kommen werden.
Medienpolitik.net: Monika Grütters schlägt einen „Runden Tisch“ der Branche vor. Welche Erwartungen haben Sie an diesen „Runden Tisch“?
Palmer: Wenn wir Frau Grütters richtig verstanden haben, dann soll es nicht „einen“ Runden Tisch geben, wie wir ihn aus der Vergangenheit kennen, bei dem 40 bis 70 Teilnehmer gerade einmal Zeit haben, ihre oft schon bekannten Positionen ein- oder zwei Mal zu wiederholen, sondern mehrere fokussierte runde Tische. Das begrüßen wir sehr, denn die Erwartungen an den im neuen FFG zu stemmenden „großen Wurf“ sind überall zu spüren. Allerdings müssen wir, wie auch die anderen Branchenteilnehmer, nun erst einmal unsere Positionen im Hinblick auf die anstehende FFG-Novelle erarbeiten und mit anderen Marktteilnehmern verproben. Das wird wohl etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen als die vom BKM schon zu Ende März erbetene Mitteilung der Änderungswünsche.