Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Indexierungsmodells

von am 19.03.2019 in Aktuelle Top Themen, Archiv, Medienordnung, Medienpolitik, Medienrecht, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Indexierungsmodells

19.03.2019. VAUNET kündigt an, rechtliche Schritte gegen ein neues Indexierungsmodell zu prüfen

Im Auftrag des VAUNET – Verband Privater Medien hat der frühere Präsident der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg und das langjährige Mitglied der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (KEF), Prof. Dr. Thomas Hirschle, die Zweckmäßigkeit und rechtliche Zulässigkeit möglicher Indexierungsmodelle in einem Kurzgutachten bewertet. Hirschle kommt dabei zu dem Ergebnis, dass ein einheitlicher Index weder dem Gebot der bedarfsgerechten Finanzierung noch dem Verbot einer übermäßigen Belastung der Beitragszahler entsprechen würde. Eine Vollindexierung würde eine Kompetenzverschiebung weg von Politik und KEF hin zu den Rundfunkanstalten bedeuten. Damit entfiele der Legitimationsdruck bei der künftigen Aufgabenentwicklung. Es entstünde zwar mehr Flexibilität, aber eine unkontrollierte Flexibilität der Anstalten. Das entspräche nicht der gebotenen ausgewogenen Balance der Kompetenzen und Kräfte und wäre verfassungs- und europarechtlich nicht zulässig.Bei einem einheitlichen Index würde keine Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitskontrolle mehr erfolgen. Vorhandene oder zukünftige Unwirtschaftlichkeiten wären nicht nur intransparent, sondern würden einfach fortgeschrieben.

Aus dem Kurzgutachten zur Indexierung des Rundfunkbeitrags von Prof. Dr. Thomas Hirschle:

Ausgangslage und Einführung

Aktuell diskutiert werden die Möglichkeiten einer Fortschreibung des Rundfunkbeitrags durch einen einheitlichen Index wie beispielsweise den BIP-Deflator oder, aktuell favorisiert, den Verbraucherpreisindex (VPI). Als weiteres Modell wurde eine Indexierung des gegenwärtigen Beitrags mit der Inflationsrate der beiden letzten Jahre genannt.

Auslöser für eine solche Änderung dürfte nicht Kritik an der Arbeit der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) sein, sondern der Wunsch nach einer Vereinfachung bis hin zu einer Vermeidung der politischen Diskussion und des Einigungszwangs bei der Umsetzung der KEF-Empfehlung durch die Landesregierungen und die Landtage. Als Gründe werden weiter bessere Planbarkeit und schnellere Beitragsermittlung angeführt.

Ohne dass dies ausdrücklich genannt wird, spielt vermutlich auch eine Rolle, dass die wiederholten Versuche der Länder nach einer Begrenzung des Programmauftrags der Rundfunkanstalten bisher erfolglos blieben. Durch eine faktische Deckelung der Finanzmittel sollen die Anstalten mutmaßlich dazu gebracht werden, in eigener Entscheidung ihr Programmangebot zu straffen oder zu begrenzen. Ermöglicht werden solche Überlegungen durch eine eher beiläufige Bemerkung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGE 119,181 dort Seite 224), in der eine Vollindexierung für grundsätzlich machbar gehalten wird. Eine weitergehende Erörterung fehlt und Bedingungen werden dort nicht genannt. Trotz schon länger anhaltender Diskussion stellen sich zu einem neuen Modell von vorn herein zahlreiche Fragen:

•           Ausgangspunkt der Indexierung kann nicht der zuletzt beschlossene Beitrag sein.

•           Seine Höhe ergibt sich aus dem ermittelten Bedarf abzüglich der sonstigen Einnahmen.

•           Dieser Wert wurde ermittelt in einer Phase des Systemwechsels von einer gerätebezogenen Gebühr zum heutigen Beitrag mit all seinen Unwägbarkeiten.

•           Auch beinhaltet er auferlegte Zuführungen zur Rücklagenbildung, also nicht bedarfsbezogene Elemente.

Wiederholt genannt wurde eine Systemumstellung nach einem nochmaligen KEF–Verfahren ab 2023. Auch bei diesem Termin stellt sich die Frage, ob z. B. der Melderegisterabgleich wie auch das System insgesamt nach der Reform schon so stabilisiert sind, dass von einer gesicherten Basis ausgegangen werden kann. Müsste nicht Ausgangspunkt einer Indexierung ein von unabhängiger Stelle oder wem auch immer geprüfter Bedarf für die Erfüllung des Aufgabenbestands, also der Versorgungsauftrag sein? Also eine Basis ohne die Einnahmeseite.

Wie und von wem sollen zum einem dieser Bedarf und im Weiteren alle Einnahmen jenseits der Beitragseinnahmen für die weitere Entwicklung festgestellt werden? Welche Rolle spielt die Entwicklung der Zahl der Beitragszahler, sei es durch die demographische Entwicklung oder durch gesetzgeberische Änderungen? Welcher Index ist für die Fortschreibung wirklich geeignet und ist ein einheitlicher Index überhaupt eine sinnvolle Vereinfachung? Wie lange soll ungeprüft mit dem Index fortgeschrieben werden und erfolgt eine rückblickende Korrektur der fortgeschriebenen Werte? Wer entscheidet und in welcher Zeit über die Weiterentwicklung des Sockelbetrags und eventuelle künftige Basisjahre. Soll überhaupt und wie oft eine Überprüfung und ggf. Anpassung erfolgen?

Das einfachste Verfahren wäre ohne Zweifel, den aktuellen Beitrag mit einem Index wie beispielsweise der Inflationsrate der letzten Jahre oder auch der Entwicklung des Verbraucherpreisindex langjährig fortzuschreiben. Schon unter Betrachtung der aufgeworfenen Fragen wird aber deutlich, dass eine solche Vorgehensweise nicht akzeptable Fehler und Ungereimtheiten mit sich brächte.  Durch diese Fragen wird unmittelbar schon ein Grundproblem bei einem Systemwechsel deutlich. Je stärker das Verfahren vereinfacht wird, desto größer werden die fachlichen und rechtlichen Probleme. Mit jeder auch nur groben Fehlerkorrektur nähert man sich aber wieder dem bisherigen System und schwinden die erhofften Vereinfachungseffekte.

Bringt die Indexierung eine Vereinfachung und Verbesserung?

Beim IIVF-Modell handelt es sich um ein vergleichsweise einfaches, transparentes, aber doch ausdifferenziertes System. Es ist EU-rechtlich abgesichert und liefert qualitativ gute Ergebnisse. Die KEF ist eine schlanke Einrichtung. Vom Jahresbeitrag von 210 € entfallen etwa 3 Cent auf die KEF. Schon ihre schlichte Existenz mit dem dadurch ausgelösten Zwang zu Kostentransparenz, Zwang zur Rechtfertigung des Finanzgebarens und damit interner Kontrolle und Zwang zur Rechtfertigung neuer Aufgabenfelder dürfte dem Beitragszahler ein Vielfaches ihrer Kosten ersparen. Dies schon vor den zahlreichen Kürzungen und Einsparauflagen der KEF selbst. Die dargelegten, differenzierten Kalkulationsmethoden des IIVF führen zu einem Ergebnis, das einem sparsam ermittelten Finanzbedarf der Anstalten viel eher gerecht wird als eine doch sehr grobe Indexierung. Dies entspricht damit eher den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes. Die Vorteile einer Vollindexierung durch Verfahrensvereinfachung sind demgegenüber vergleichsweise gering einzuschätzen.

Eine weitere Konsequenz der Indexierung wäre der Wegfall einer kontrollierten, auch periodenübergreifenden Rücklagenbildung als Element der Beitragsstabilisierung. Nicht weiter vertieft werden soll an dieser Stelle, dass der Verzicht auf eine wirksame Finanzkontrolle gegen EU-Recht verstoßen würde. Auf die Entscheidung im EU-Beihilfeverfahren und auf die jüngste Erklärung der Kommission wie auch die Zusage Deutschlands zu einer wirksamen Finanzkontrolle wird hier nur hingewiesen (vgl. a.a.O. Ziffer 387). Die EU lässt nicht zu, dass die Anstalten ungeprüft und unkontrolliert Geld erhalten. Eine Systemumstellung zur Vollindexierung hätte möglicherweise ein zweites Beihilfeverfahren zur Folge.

Unter den gleichen Gesichtspunkten stellen sich parallel die entsprechenden abgabenrechtlichen Fragen. Ob dies der Fall ist, kann aber erst geprüft werden, wenn ein konkretes Modell vorgestellt wurde. Zu erwarten ist, dass ein solches zweites Verfahren umso wahrscheinlicher ist, je mehr pauschaliert werden soll und auf konkrete Bedarfsprüfungen verzichtet würde. Hier wird die Grenze einer wirklichen Verfahrensvereinfachung deutlich, da dann ein positives Ergebnis der EU-Überprüfung nicht zu erwarten wäre.

Fazit und Zusammenfassung

Für die Ermittlung der Höhe des Rundfunkbeitrags hat die KEF ein ausdifferenziertes System entwickelt, das sich in weiten Teilen auf allerdings unterschiedliche Indizes stützt. Es ist gegliedert in einzelne Positionen, die in der Summe ein zutreffendes Bild des Finanzbedarfs der Anstalten ergeben. 

Dieses System enthält zahlreiche Elemente, die für eine einheitliche Indexierung nicht geeignet sind. Deren Ergebnis wäre eine unzutreffende Beitragshöhe, die sowohl eine Über- oder auch Unterfinanzierung der Rundfunkanstalten darstellen könnte. Der besseren Planbarkeit für die Anstalten und der raschen und einfachen Ermittlung der Beitragshöhe stünde ein massiver Verlust an Kontrolle und Rechnungslegung und damit Transparenz gegenüber. Gerade bei der ohnehin nur begrenzt vorhandenen Transparenz wären bei einer Indexierung weitere Einbußen zu erwarten. 

Von zentraler Bedeutung ist, dass bei einer Indexierung keine Wirtschaftlichkeitskontrolle erfolgt, vorhandene oder sich ergebende Unwirtschaftlichkeiten werden fortgeschrieben.

Die verfassungsrechtlich zugesicherte Entwicklungsgarantie der Anstalten ist über feste Parameter nicht erfassbar. Ein pauschaler Entwicklungszuschlag wäre nicht bedarfsgerecht. 

Insgesamt zeigt sich, dass insbesondere auf die Zusatzschritte und die Prüfung der Projektmittel kaum verzichtet werden kann. Eine Indexierung könnte vertretbar nur beim Kernbestand der Bestandsausgaben erfolgen. Dort wird aber bereits mit den jeweils geeignetsten Indizes gearbeitet. Damit stellt sich die Frage, worin die Verbesserung bei einer Systemumstellung dann noch liegen soll.

All dies entspräche nicht dem Gebot der bedarfsgerechten Finanzierung und dem Verbot einer übermäßigen Belastung der Beitragszahler. Jedes Sicherungselement, das zur Verminderung dieser Unzulänglichkeiten eingeführt würde, lässt die erwartete Verfahrensvereinfachung rasch schwinden.

Die Einbeziehung der Länderparlamente ist wegen des Gesetzesvorbehalts für das Rundfunkwesen in jedem Fall geboten. Die Definition des Rundfunkauftrags ist eine verfassungsrechtlich zwingende Aufgabe des Gesetzgebers. Diese kann nicht, auch nicht gedeckelt durch ein indexiertes Budget, den Rundfunkanstalten selbst überlassen werden. Die medienpolitische Gestaltung ist und bleibt eine Aufgabe des Gesetzgebers und erschöpft sich nicht in einer Budgetierungsentscheidung mit indexierter Fortschreibung. Unerheblich ist rechtlich dabei, ob im Ergebnis sich dies beitragserhöhend oder beitragssenkend auswirken würde.

Eine Vollindexierung bedeutet eine Kompetenzverschiebung weg von Politik und KEF hin zu den Rundfunkanstalten. Der Legitimationsdruck bei der künftigen Aufgabenentwicklung entfiele und es entstünde mehr, aber unkontrollierte Flexibilität der Anstalten. Dies entspräche nicht der gebotenen ausgewogenen Balance der Kompetenzen und Kräfte und wäre verfassungs- und europarechtlich auch nicht zulässig.

Das Kurzgutachten von Prof. Dr. Thomas Hirschle ist unter dem folgenden Link abrufbar: https://www.vau.net/system/files/documents/kurzgutachten_zur_indexierung_des_rundfunkbeitrags.pdf

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