„Wir schaffen Raum für Innovation und Experimente“

Journalismus Lab NRW: Anzahl der medial unversorgten Regionen nimmt zu
26.08.2019. Interview mit Simone Jost-Westendorf, Leiterin des Journalismus Lab der Landesanstalt für Medien NRW
Welche Medien berichten über die Ereignisse in meiner Stadt? Welche Radiosender gibt es in Bochum, welche Lokalzeitungen in Dortmund? Und wo finde ich Online-Portale, die über das lokale Geschehen im Umkreis berichten? Diese Fragen beantwortet die interaktive Übersicht der Lokalmedien in Nordrhein-Westfalen, veröffentlicht vom Journalismus Lab der Landesanstalt für Medien NRW. Die digitale Landkarte macht sämtliche lokalen Zeitungen und Zeitschriften, alle privaten Radio- und TV-Sender sowie Online-Portale im Bundesland sichtbar. Damit werden alle Lokalmedien, die gemäß Impressum in NRW verortet sind und nach journalistischen Kriterien regelmäßig über lokales Geschehen Bericht erstatten, erfasst. Das Ergebnis der Recherche verdeutlicht so zum einen die Vielfalt lokaler Medien in den Rubriken Zeitung, Zeitschrift, Radio, TV und Online in Nordrhein-Westfalen insgesamt. Zum anderen wird dank der Kartenvisualisierung auch sichtbar wo es an Medienvielfalt mangelt. Die interaktive Karte erlaubt sowohl die ortsweise Suche als auch die Suche nach einzelnen Mediengattungen.
medienpolitik.net: Frau Jost-Westendorf, das Journalismus Lab hat eine digitale Landkarte der Lokalmedien in NRW veröffentlicht. Ist die Förderung des Lokaljournalismus noch immer die wichtigste Aufgabe des Journalismus Lab?
Jost-Westendorf: Das Journalismus Lab der Landesanstalt für Medien NRW setzt sich für die Stärkung und Vielfalt des Journalismus in Nordrhein-Westfalen ein. Wir wollen, dass guter Journalismus in und für NRW möglich ist, deshalb leisten wir einen Beitrag für ein stabiles und unabhängiges Mediensystem in NRW, schaffen Raum für Innovation und ermutigen zu neuen Wegen und Experimenten. Das Journalismus lab fördert daher Journalistinnen, Journalisten und Organisationen bei der Entwicklung und Umsetzung von innovativen Medienprodukten.
medienpolitik.net: Woher stammen die Daten für die Karte?
Jost-Westendorf: Die Landkarte bietet einen Überblick über Lokalmedien, die ihren Sitz in NRW haben und regelmäßig über lokales Geschehen vor Ort berichten. Die Daten für die Karte stammen zum Teil aus bereits existierenden Datensätzen wie dem ehemaligen Medienatlas NRW, vor allem aber aus eigenen Recherchen und unserem Netzwerk. Das Projekt erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, deshalb sind wir dankbar für Ergänzungen und werden es kontinuierlich aktualisieren. Seit Veröffentlichung haben wir bereits eine Vielzahl von Mails mit ergänzenden Hinweisen bekommen, was uns sehr freut.
medienpolitik.net: Bei einem Blick auf alle lokalen Angebote ergibt sich eine große Vielzahl. Ist Vielzahl gleich Informationsvielfalt?
Jost-Westendorf: Aus Nutzersicht lautet die Antwort zunächst einmal ja. Die meisten Menschen in NRW können sich mit lokalen Medien über ihre Nachbarschaft, ihre Gemeinde oder Stadt informieren. Und auch wenn wir die Medienvielfalt mit anderen Bundesländern vergleichen, stellen wir fest, dass wir in NRW relativ gut mit medialen Angeboten versorgt sind. Nichtsdestotrotz gibt es auch in NRW einige blinde Flecken, also Landkreise oder Regionen, die medial unterversorgt sind. Das betrifft vor allem ländliche Gebiete. Und was auch auffällt: Die Zahl der Einzeitungskreise nimmt zu. Das bedeutet, dass immer weniger Menschen die Auswahl zwischen verschiedenen Zeitungen haben. Gleichzeitig – und das freut uns natürlich besonders – entstehen neue digitale Angebote.
medienpolitik.net: Wie bewerten Sie die Verteilung lokaler Angebote zwischen Ballungsräumen und ländlichen Gebieten?
Jost-Westendorf: Ballungsräume waren und sind immer besser mit lokalen Medienangeboten abgedeckt als ländliche Gebiete, das erklärt sich schon allein durch die größeren Einwohnerzahlen. Ein Medienangebot für ein Stadtviertel wie Köln Ehrenfeld mit gut 100.000 Einwohnern kann deutlich mehr Menschen erreichen als beispielsweise ein Angebot aus einer Kreisstadt wie Bitburg in der Eifel mit ca. 15.000 Einwohnern. In solchen vergleichsweise kleineren Städten haben es auch Konkurrenzangebote sehr viel schwerer.
„Wir müssen diejenigen fördern, die ein Interesse daran haben, marktfähige Geschäftsmodelle für den Journalismus zu entwickeln.“
medienpolitik.net: Es fällt auf, dass es viele lokale Blogs/Onlineangebote gibt. Können diese Blogs rückläufige lokale Angebote bei Tageszeitungen ausgleichen?
Jost-Westendorf: Unseres Wissens vermögen es nur wenige Angebote, langfristig das gesamte Informationsangebot von Tageszeitungen abzudecken und damit rückläufige Angebote auszugleichen. Diese digitalen Angebote sind aber sehr wichtig als zusätzliche Stimmen im Lokalen. Teils handelt es sich um hyperlokale Angebote, teils um Blogs, die Nischenthemen behandeln. Damit ergänzen sie die bestehenden Angebote. Deshalb ging es uns mit der Landkarte auch und insbesondere darum, diesen Online-Angeboten mehr Aufmerksamkeit zu verleihen. Mit einem eigenen Preis prämieren wir in diesem Jahr außerdem schon zum vierten Mal Projekte, die für innovativen und vielfältigen Lokaljournalismus in und aus NRW stehen. In der Kategorie „Neue Stimme im Lokalen“ verleihen wir einen Preis für solche Projekte, die das lokale Informationsangebot erweitern.
medienpolitik.net: Wie kann man die Qualität und auch Profitabilität der Blogs verbessern?
Jost-Westendorf: Damit sprechen sie das Kernproblem vieler Online-Angebote an. Die Bedingungen, unter denen Journalismus entsteht, haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Es ist sehr viel schwieriger geworden, hochwertigen Journalismus zu produzieren, weil die bekannten Erlösquellen wegbrechen. Insbesondere für kleinere Akteurinnen und Akteure ist es deshalb schwierig, in dieser Marktsituation zu bestehen: Die Reichweiten haben eine natürliche Begrenzung und damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, sich über Werbung und beispielsweise Digitalabos zu refinanzieren. Wir kennen auch nur wenige Angebote, denen das gelingt. Häufig funktioniert das nur, wenn man auch mit anderen Erlösquellen experimentiert und neue Ideen ausprobiert. Da ist in NRW sicher noch Luft nach oben und daraus ergibt sich auch die logische Schlussfolgerung für uns: Wir müssen weiter diejenigen fördern, die ein Interesse daran haben, marktfähige Geschäftsmodellefür den Journalismus zu entwickeln. Das Journalismus Lab unterstützt sie mithilfe von Coachings und Mentoringprogrammen dabei, professionellen Journalismus innovativer, nutzerzentriert und konkurrenzfähig zu machen. Wir vernetzen Akteure untereinander und fördern den Austausch mit dem Markt. Wir vermitteln Expertenwissen und Kontakte und bieten Medienschaffenden einen geschützten Raum, um zukunftsfähige Medien zu entwickeln. Wir geben so die Möglichkeit, zu experimentieren, Inhalte und Technologien zusammenzubringen und weiterzuentwickeln – ohne, dass die Projekte und Startups Geschäftsanteile abgeben müssen. Kurzum: Wir schaffen den notwendigen Raum für Innovation und Experimente.
www.journalismuslab.de/karte