„Die Länder müssen sich ehrlich machen“

von am 07.01.2020 in Aktuelle Top Themen, Archiv, Digitale Medien, Dualer Rundfunk, Medienordnung, Medienpolitik, Medienregulierung, Netzpolitik, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

„Die Länder müssen sich ehrlich machen“
Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net

Umfrage unter den Staats- und Senatskanzleien zur Medienpolitik 2020

07.01.2020. Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net.

„Das Jahr 2020 wird medienpolitisch geprägt sein von der Frage, ob und wie die Reformdiskussion zu Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weitergeführt werden soll“, beschreibt Dr. Heiko Geue, Chef der Staatskanzlei von Mecklenburg-Vorpommern einen der medienpolitischen Schwerpunkte für dieses Jahr. „Die vor allem in den letzten zwei Jahren intensiv geführte Debatte um Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat uns einem Reform-Staatsvertrag nicht nähergebracht. Dass die Diskussion zuletzt auf die Frage des Systemwechsels von der Bedarfsermittlung durch die KEF hin zu einem Indexmodell reduziert wurde, hat die eigentliche Aufgabe verdeckt“, betont Dr. Benjamin Grimm, Beauftragter für Medien in der Staatskanzlei des Landes Brandenburg. „Die Länder müssen sich ehrlich machen, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Zukunft aussehen soll“, bemerkt dazu Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein. Medienpolitik.net hatte alle Staatskanzleien bzw. Senatskanzleien gebeten, zwei Fragen zur Medienpolitik in diesem Jahr zu beantworten: 1. Wie sollte Ihrer Meinung nach der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reformiert bzw. modernisiert werden? 2. Wo liegen die medienpolitischen Themen und Schwerpunkte für 2020?

Bis auf eine Ausnahme haben alle diese Fragen beantwortet. Sowohl bei der ersten als auch bei der zweiten Frage zeigt sich ein differenziertes Bild, dennoch bilden sich Schwerpunkte und Übereinstimmungen heraus. So will man bei der Auftragsdefinition mehr Tempo machen. „Wichtig bleibt zu betonen, dass bei den angestrengten Überlegungen eine Reform nicht auf finanzielle Blickwinkel reduziert werden darf“, bekräftigt Heike Raab, Medienstaatssekretärin aus Rheinland-Pfalz. „Vielmehr muss eine Weiterentwicklung des Auftrags losgelöst von Beitragsmodellen und ähnlichem sein. Das bedeutet auch, dass die zielgerichtete Diskussion über den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weitergeht“. Einig sind sich die Länder anscheinend darin, dass der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks möglichst noch in diesem Jahr novelliert werden sollte. Dabei wünschen sich nahezu alle eine stärke Fokussierung bei den Inhalten. Für Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei in Sachsen Anhalten müssten ARD und ZDF unterscheidbarer werden, ihre spezifischen Vorteile entwickeln und ausbilden. „Bei der ARD ist das die regionale Verankerung ihrer Anstalten, die auf der gemeinsamen Plattform der ARD einen besonderen Beitrag zum Zusammenhalt in Deutschland leisten müssen, gerade auch im Jubiläumsjahr der Deutschen Einheit.“ Während Heike Raab konstatiert, dass der Auftrag vollumfänglich gelte und nicht nur punktuell und es keine Aufgabenteilung zwischen privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk gäbe, ist Dirk Schrödter der Auffassung, Information, Bildung und Kultur müssten im Mittelpunkt stehen. Dr.Jörg Mielke Chef der Niedersächsischen Staatskanzlei vertritt die Meinung: „Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedarf keiner grundlegenden Reform, wohl aber einer Schärfung.“

Weitgehend alle Länder sprechen sich neben einer Fokussierung des Auftrags für eine Flexibilisierung bei den Verbreitungswegen aus. So sieht Axel Wintermeyer, Chef der Staatskanzlei Hessens die Schnittmengen bei den bisherigen Beratungen der Ländergemeinschaft darin, „eine solche Flexibilisierung auf die sogenannten Zusatzangebote zu beziehen. Hierbei geht es um „tagesschau24“, „EinsFestival“, „ZDFinfo“ und „ZDFneo“. Bei diesen Angeboten könnten die Anstalten dann „flexibel“ selbst darüber entscheiden, ob sie diese Angebote als klassische Fernsehangebote fortführen oder z.B. in ein Telemedienangebot überführen möchten.“

Von einigen Ländern, so zum Beispiel von Hamburg, wird diese Flexibilisierung mit der Forderung nach einer Budgetierung verbunden. Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien in Hamburg. Begründet es damit, dass unsere duale Medienordnung von dem Zusammenspiel von öffentlich-rechtlichen und privatwirtschaftlichen Angeboten lebe. „Daher“, so Brosda „brauchen wir eine klare Budgetierung, die über eine eindeutige Kostenkontrolle Entwicklungsfähigkeit garantiert, ohne maßlose Expansion zu fördern. Dieses Budget könnte indexiert und regelmäßig von der KEF überprüft werden.“ Mit großem Interesse wird von den Ländern auch der Bericht der ARD zum ARD-Finanzausgleich erwartet.

Neben der Weiterführung der Diskussion über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Abstimmung in den Landtagen über den Rundfunkbeitrag ab 2021 auf der Basis der KEF-Empfehlung, die für den Februar erwartet wird, bilden sich vier weitere Schwerpunkte für 2020 heraus:

  1. Die Ratifizierung des Medienstaatsvertrags bis September 2020.
  2. Die Novellierung des Medienkonzentrationsrechts.
  3. Die Sicherung der regionalen und lokalen Vielfalt.
  4. Die Novellierung des Jugendmedienschutzes und die engere Verzahnung mit dem Jugendschutzgesetz.

„Zwingend müssen Regeln für ein konvergentes Medienkonzentrationsrecht gefunden werden“, erläutert Dirk Schrödter aus Schleswig-Holstein. „Für unsere demokratische Grundordnung ist es unabdingbar, dass wir Meinungsvielfalt sichern. Das funktioniert nicht mit unserem bestehenden fernsehzentrierten Konzentrationsrecht. Nach der Ausgestaltung der Plattform- und Intermediärsregulierung ist deshalb das „Gesamtmarktmodell“ der nächste zwingende Schritt. In diesem Umfeld machen weitere Reformen Sinn, wie z.B. weitere Fragen der Vielfaltssicherung in Form der Regionalfenster- und Drittsendezeitenregelungen. Es gilt intelligente Lösungen für eine Stärkung der regionalen und lokalen Angebote zu finden.“ NRW möchte zudem die Mitte 2019 in den Bundesrat eingebrachte Initiative zum gemeinnützigen Journalismus vorantreiben und für Berlin ist die Novellierung des Filmförderungsgesetzes ein wichtiges Thema.

medienpolitik.net wir in den nächsten Tagen alle Antworten zu den medienpolitischen Schwerpunkten hier veröffentlichen.

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