„Wir erwarten eine große Produktionslücke“

von am 27.03.2020 in Aktuelle Top Themen, Archiv, Filmwirtschaft, Kreativwirtschaft, Medienförderung, Medienwirtschaft

„Wir erwarten eine große Produktionslücke“
Stefan Hoff, Vorstandsvorsitzender des Verbands Technischer Betriebe für Film und Fernsehen (VTFF)

Technischer Betriebe für Film und Fernsehen fordern Krisenfonds in Höhe von 375 Mio. Euro

27.03.2020. Interview mit Stefan Hoff, Vorstandsvorsitzender des Verbands Technischer Betriebe für Film und Fernsehen (VTFF)

Hohe Fixkosten und fast keine Einnahmen – ohne weitere Unterstützung werden viele film- und fernsehtechnischen Betriebe nicht lange durchhalten. Daher fordert der Verband Technischer Betriebe für Film und Fernsehen (VTFF) einen Krisenfonds in Höhe von 375 Mio. Euro, der die Gehälter, die Mieten und die Kapitaldienste für Technik und Infrastruktur bezuschusst. Die technisch-kreativen Dienstleistungsunternehmen haben im Vergleich zu anderen Wertschöpfungsstufen sehr hohe Fixkosten für Hallen, Fahrzeuge, Gehälter und vor allem Technik zu finanzieren. Dennoch fallen diese Betriebe in wenige der bisherigen Hilfsprogramme: weder unter die Maßnahmen der BKM oder der FFA für Produzenten, Verleiher und Kinos, noch unter die Zusagen der Sender oder Hilfsfonds von Streamingdiensten und nicht unter die Unterstützung für Künstler oder für Kleinstunternehmen und Solo-Selbständige. Die film- und fernsehtechnischen Betriebe sind nicht nur Kulturschaffende, sondern mindestens ebenso sehr eine Wirtschaftskraft mit über einer Mrd. Euro Jahresumsatz und etwa 15.000 Mitarbeitern in über 600 Betrieben (Dienstleisterstudie 2017). Von dem Jahresumsatz von über 1 Mrd. Euro sind durch die Corona-Krise Einbußen von mindestens 50 Prozent zu erwarten, wovon bis zu 75 Prozent in die Fixkosten gehen.

medienpoltik.net: Welche Auswirkungen hat die Coronavirus-Krise auf die Mitglieder des VTFF?

Hoff: Gravierende Auswirkungen! Nationale wie internationale Film- und TV-Produktionen sind unterbrochen, verschoben oder ganz abgesagt. Es herrscht eine große Unsicherheit darüber, was wie lange noch stattfinden kann und unter welchen Bedingungen. Das trifft die Studios, von denen viele schon leer stehen, aber auch die Kameraverleiher, deren Geschäft fast komplett zum Erliegen gekommen ist. In der Bild- und Ton-Postproduktion werden die derzeitigen Projekte weiterbearbeitet, jedoch mit großen Einschränkungen und zusätzliche Belastungen durch Sicherheitsvorkehrungen und tägliche Verschiebungen. Danach wird eine große Lücke erwartet, denn bis neue Produktionen nachkommen, kann es mehrere Monate dauern. Durch die geschlossenen Kinos liegt das DCP-Geschäft völlig brach. Bei den letzten noch laufenden großen Produktionen, müssen sich die VFX-Unternehmen mit unterschiedlich betroffenen und agierenden Ländern abstimmen, ihre Infrastrukturen auf die aktuellen Anforderungen umstellen und die vielen internationalen Teams zusammen halten. Da keinerlei Veranstaltungen stattfinden, allen voran Fußball- und andere Sport-, aber auch Kulturevents, stehen fast alle Außenübertragungen still. Nur das Nachrichtengeschäft läuft auf kleiner Flamme weiter. Die Mitgliedsunternehmen rechnen mit bis zu 40 Prozent Umsatzeinbußen in diesem Jahr. Besonders kritisch daran ist, dass dieser Sektor im Vergleich zu anderen Wertschöpfungsstufen sehr hohe Fixkosten für Gehälter, Hallen, Fahrzeuge und vor allem Technik zu finanzieren hat.

medienpoltik.net: Was machen Sie als VTFF in dieser Situation?

Hoff: Selbst wenn unsere Mitglieder jeder auf seine Weise ums Überleben kämpfen, so sind sie in dieser Situation auf staatliche Unterstützung angewiesen. Der VTFF ist aktuell gemeinsam mit anderen Verbänden im Austausch mit den Brancheninstitutionen und der Politik. Der vielfach geforderte Zusammenhalt muss die gesamte Wertschöpfungskette umfassen, schließlich wollen alle auch nach der Corona-Krise produzieren mit ausreichend Studios, Kameras, Ü-Wagen, Postproduktion, VFX, Tonstudios und dem dafür qualifizierten Personal. Die Schutzschildmaßnahmen der Bundesregierung sind erste Schritte, die aber nicht ausreichen werden, wenn die starken Einschränkungen länger andauern. Außerdem stellen wir gerade fest, dass die meisten der bisherigen Hilfsprogramme nicht auf die technisch-kreativen Dienstleister passen: weder die Maßnahmen des BKM oder der FFA für Produzenten, Verleiher und Kinos, noch die Zusagen der Sender oder Hilfsfonds von Streamingdiensten und auch nicht die Unterstützung für Künstler oder Kleinstunternehmen. Daher fordert der VTFF jetzt einen speziellen Notfallfonds für die film- und fernsehtechnischen Betriebe, der deren Fixkosten wie Gehälter, Mieten und Kapitaldienste bezuschusst.

Die Mitgliedsunternehmen rechnen mit bis zu 40 Prozent Umsatzeinbußen in diesem Jahr.

medienpoltik.net: Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf das Geschäft der technisch-kreativen Dienstleister in den nächsten Wochen, Monaten und nach der Corona Krise ein?

Hoff: Die kurzfristigen Auswirkungen sehen wir bereits jetzt. Diese sind für alle eine außergewöhnliche Herausforderung. Da die technisch-kreativen Dienstleister keine großen Kapitaldecken aufbauen können, chronisch niedrige Renditen und hohe laufende Investitionskosten haben, ist die Existenz vieler Unternehmen gefährdet, und damit das Know-how und die Produktionskapazitäten. Das wird den Standort noch lange beeinträchtigen. Und das obwohl die Krise den eigentlichen Wert der Medien, des klassischen linearen Fernsehens, des Kinos und der Außenübertragung erst aufzeigt.

medienpoltik.net: Und was raten Sie ihren Mitgliedern im Moment?

Hoff: Das ist schwierig zu beantworten, da die Rahmenbedingungen für jedes Unternehmen doch unterschiedlich sind. Wir konzentrieren uns darauf, unseren Mitgliedern hilfreiche Informationen über staatliche Hilfsangebote zukommen zu lassen und raten Ihnen, diese wenn möglich in Anspruch zu nehmen, und mit Lieferanten, Banken und Behörden das Gespräch über Zahlungsziele zu suchen. Wir werden den Austausch untereinander weiter verstärken, damit jeder von den besten Erfahrungen des anderen profitieren kann. Hierzu zählen die Kollegen, die Branchenpartner und nicht zuletzt die Politik. Bei den politischen Themen vertritt der VTFF die Mitgliedsunternehmen gemeinsam und versucht kurz- und langfristige Lösungen zu erarbeiten.“

Print article