„Wer gegen 18,36 Euro ist, wird bei einer Verschiebung einen höheren Beitrag bekommen“

von am 16.06.2020 in Aktuelle Top Themen, Archiv, Dualer Rundfunk, Medienpolitik, Medienregulierung, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

„Wer gegen 18,36 Euro ist, wird bei einer Verschiebung einen höheren Beitrag bekommen“
Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Chef der Sächsischen Staatskanzlei

Sachsen fordert schnelle Reform der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten

16.06.2020. Interview mit Oliver Schenk, CDU, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Chef der Sächsischen Staatskanzlei

Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder wollen am morgigen Mittwoch den Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag unterzeichnen, der eine Beitragserhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk von 17,50 Euro auf 18,36 Euro vorsieht. Die letzte Entscheidung obliegt den Länderparlamenten. Die Steigerung um 86 Cent tritt ab 1. Januar 2021 nur dann in Kraft, wenn alle zustimmen. In den vergangenen Wochen haben Parlamentarier verschiedener Fraktionen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, sowie CDU- und FDP-Politiker des Deutschen Bundestages für eine Verschiebung der Erhöhung plädiert. Sie führen vor allem sozialpolitischen Gründen wegen der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie und mangelnden Sparwillen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ins Feld. Gegenüber medienpolitik.net plädiert Oliver Schenk nachdrücklich für die geplante Erhöhung:  „Ein Verzicht auf eine moderate Anhebung würde daher zu einer umso erheblicheren Erhöhung des Rundfunkbeitrages beim späteren Inkrafttreten führen, da die KEF voraussichtlich eine neue Bedarfsprüfung durchführen würde. Wer jetzt gegen 18,36 Euro ist, wird bei einer Verschiebung einen deutlich höheren Beitrag bekommen.“ Gleichzeitig gelte es, so der Chef der Sächsischen Staatskanzlei, die notwendige Profilschärfung des Auftrages alsbald auch staatsvertraglich umzusetzen. Hier sehe er auch die Länder in der Pflicht, ohne die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von der Notwendigkeit ihrer Mitwirkung entbinden zu wollen.

medienpolitik.net: Herr Schenk, es gibt aus der Bevölkerung und von Landes- und Bundespolitikern die Forderung, angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Corana-Pandemie auf eine Beitragserhöhung zu verzichten. Sehen Sie diese Notwendigkeit und Möglichkeit auch?

Schenk: Die Debatte ist angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen sowie der Lage am Arbeitsmarkt nachvollziehbar. Das muss von der Politik sehr ernst genommen werden. Dennoch bin ich gegen eine Verschiebung. Die entsprechenden Staatsverträge sehen bereits jetzt ein ausgewogenes und erprobtes System für Befreiungen und Ermäßigungen von der Beitragspflicht sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Umfeld vor. Ich gehe davon aus, dass davon zahlreich Gebrauch gemacht wird. Damit gehen aber zugleich geringere Einnahmen für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einher. Hinzu kommen wahrscheinlich geringere Werbeeinnahmen aufgrund der angeschlagenen wirtschaftlichen Lage in weiten Teilen unserer Volkswirtschaft. Ein Verzicht auf eine moderate Anhebung würde daher zu einer umso erheblicheren Erhöhung des Rundfunkbeitrages beim späteren Inkrafttreten führen, da die KEF voraussichtlich eine neue Bedarfsprüfung durchführen würde. Kurzum: Wer jetzt gegen 18,36 Euro ist, wird bei einer Verschiebung einen deutlich höheren Beitrag bekommen. Unabhängig von der Beitragsanpassung für die kommende Beitragsperiode ist es wichtig, dass der von den Ministerpräsidenten im Herbst 2016 eingeforderte Reformkurs fortgeführt wird, um die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch künftig sicherzustellen. Dafür wird sich die Sächsische Staatsregierung weiter entschieden einsetzen.

„Ein Verzicht auf eine moderate Anhebung würde daher zu einer umso erheblicheren Erhöhung des Rundfunkbeitrages beim späteren Inkrafttreten führen, da die KEF voraussichtlich eine neue Bedarfsprüfung durchführen würde.“

medienpolitik.net: Aber besteht nicht die Gefahr, dass einige ostdeutsche Landesparlamente der Beitragserhöhung nicht zustimmen werden, mit möglichen Kollateralschäden für die Sender und die Medienpolitik?

Schenk: Die Anpassung des Rundfunkbeitrages wird in den meisten ostdeutschen Ländern kritischer gesehen als in manchen westdeutschen Ländern. Dafür gibt es Gründe. So ist die Zahl der ostdeutschen Biografien vor und hinter der Kamera immer noch ausbaufähig ebenso wie die Darstellung unserer Lebenswirklichkeit in den Hauptprogrammen von ARD und ZDF. Hier sind aber auch Veränderungen spürbar. Die Verlängerung der Tagesthemen um fünf Minuten mit dem Ziel, mehr regionale Geschehnisse gerade auch aus den ostdeutschen Ländern abzubilden, ist beispielsweise eine sehr zu begrüßende Maßnahme. Insgesamt gilt, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einen verfassungsrechtlich bestätigten Anspruch auf eine bedarfs- und funktionsgerechte Finanzierung haben. Diesen Anspruch könnten die Rundfunkanstalten bei einem Scheitern der Rundfunkbeitragsanpassung auch mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichtes einfordern.

Der richtige Weg ist daher, den von den Ländern eingeleiteten Spar- und Reformkurs weiter engagiert fortzusetzen. Die KEF hat hierfür wiederholt wesentliche Einsparpotenziale aufgezeigt. Die Anstalten sind gefordert, diese umfassend zu realisieren. Gleichzeitig gilt es, die notwendige Profilschärfung des Auftrages alsbald auch staatsvertraglich umzusetzen. Hier sehe ich auch uns als Länder in der Pflicht, ohne die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von der Notwendigkeit ihrer Mitwirkung entbinden zu wollen.

„Es ist wichtig, dass der von den Ministerpräsidenten im Herbst 2016 eingeforderte Reformkurs fortgeführt wird, um die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch künftig sicherzustellen.“

medienpolitik.net: Reicht die Entscheidung der ARD, ein Kulturportal ähnlich ZDFkultur, in Mitteldeutschland anzusiedeln aus, um eine Zustimmung zur Beitragserhöhung abzusichern?

Schenk: Die Entscheidung, das gemeinsame Kulturangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter Federführung des MDR in Mitteldeutschland zu realisieren, ist mit Blick auf die aktuelle Diskussion sicherlich hilfreich. Als sächsischer Medienminister freut es mich zudem, dass die Entscheidung zugunsten Mitteldeutschlands gefallen ist und damit eine weitere Stärkung unserer vielfältigen und starken Medienlandschaft erfolgen wird. Verbinden möchte ich beide Sachverhalte aber nicht. Die Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung der ostdeutschen Länder bei den Gemeinschaftseinrichtungen von ARD, ZDF und Deutschlandradio ist älter als die laufende Beitragsdebatte. Richtig ist, dass wir uns zwischenzeitlich im 30. Jahr der Deutschen Einheit befinden und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten schon seit vielen Jahren einen Ausgleich in der Verteilung der Gemeinschaftseinrichtungen zwischen den west- und ostdeutschen Bundesländern als wichtiges Projekt identifiziert haben. Mit ihrer jetzigen Entscheidung lösen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein lang gegebenes Versprechen ein.

medienpolitik.net: Würde es die Debatte nicht erleichtern, wenn es in diesem Jahr noch Vorschläge der Länder über die seit langem geplante Modifizierung des Auftrages gibt?

Schenk: Einen solchen Vorschlag gibt es ja bereits. Nach meiner Wahrnehmung bestehen hier zwischen den Ländern auch keine abweichenden Ansichten. Ziel der Sächsischen Staatsregierung war und ist es, die Reform von Auftrag und Struktur der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten insgesamt voranzubringen. Notwendig sind deshalb auch Veränderungen, um beispielsweise eine Rücklagenbildung über Gebührenperioden hinweg möglich zu machen oder die digitalen Angebote im Rahmen von gemeinsamen Plattformen zusammenzuführen.

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