„Alle Nutzungen sollen von Diensteanbietern vergütet werden“

von am 01.12.2020 in Aktuelle Top Themen, Archiv, Digitale Medien, Internet, Kreativwirtschaft, Medienwirtschaft, Netzpolitik, Urheberrecht

„Alle Nutzungen sollen von Diensteanbietern vergütet werden“

Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb nimmt Stellung zur Reform des Urheberrechts

01.12.2020. Das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb begleitete die Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Zeitalters bereits im Hinblick auf die EU-Richtlinie. Zu dem vorliegenden Referentenentwurf hat sich das Institut nun im Rahmen einer Stellungnahme geäußert, wobei der Fokus auf dem UrhDaG (Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz) liegt. Die Projektgruppe begrüßt, dass der Referentenentwurf mit § 5 UrhDaG-E die Anwendbarkeit der urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen für den Regelungsbereich des UrhDaG klarstellt, um damit möglichst viele Formen des „User Generated Content“ zu erfassen und online auf legale Weise zugänglich zu machen. Kritik äußert sie jedoch daran, dass Diensteanbieter ausschließlich für Werknutzungen zum Zweck des Pastiches einer Vergütungspflicht unterliegen sollen (§ 7 Abs. 2 UrhDaG-E). „Angesichts der Funktionslogik des UrhDaG-E und der besonderen Interessenlage zwischen Diensteanbietern, Rechteinhabern und Nutzern sowie zu erwartender Abgrenzungsprobleme sollten […] alle Nutzungen nach § 5 UrhDaG-E von den Diensteanbietern vergütet werden“, so die Stellungnahme. Auch die geplante Erleichterung von geringfügigen Nutzungen nach § 6 UrhDaG-E begrüßt die Stellungnahme im Grundsatz. Da jedoch Zweifel an der Unionsrechtskonformität der konkreten Ausgestaltung bestehen, wird angeregt, die Zielsetzung durch eine andere gesetzestechnische Lösung umzusetzen. Die Zusammenfassung der Stellungnahme im Wortlaut:

Zusammenfassung der Position:

  • Die Umsetzung der Vorgaben des Art. 17 DSM-RL in einem eigenständigen Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) ist zu begrüßen. Sie erlaubt es, auf die komplexen und unterschiedlichen Interessen bei einer täterschaftlichen Haftung von Diensteanbietern angemessen einzugehen.
  • Damit beschreitet der Referentenentwurf mit innovativen Vorschlägen einen Weg, der grundsätzlich geeignet ist, den notwendigen urheberrechtlichen Interessenausgleich bei der Verbreitung urheberrechtlicher Inhalte über Diensteanbieter herzustellen. Von besonderer Bedeutung sind hierbei der Lizenzmechanismus in § 4 UrhDaG-E, die Vergütungspflicht von Pastiche in § 5 UrhDaG-E sowie die Zulässigkeit von geringfügigen Nutzungen in § 6 UrhDaG-E.
  • § 4 UrhDaG-E gestaltet die Handlungsanforderungen an Diensteanbieter und Rechteinhaber bei der Lizenzierung im Prinzip sinnvoll aus. Er kann sich somit positiv auf den Lizenzmarkt auswirken. Allerdings führt § 4 Abs. 2 UrhDaG-E im Falle der Lizenzierung von individuellen Rechteinhabern zu Unsicherheiten und sollte daher mindestens in der Gesetzesbegründung präzisiert werden. Entscheidend ist, wer das Risiko der Unsicherheit über die Erfüllung der in § 4 Abs. 2 UrhDaG-E genannten Voraussetzungen an die Nutzungsrechte trägt. Zudem sollte das Kriterium der „Erheblichkeit“ gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 UrhDaG-E näher konkretisiert werden. Schließlich sollten Kriterien zur Bestimmung der „Angemessenheit“ nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 UrhDaG-E geklärt werden.
  • Es ist zu begrüßen, dass der Referentenentwurf mit § 5 UrhDaG-E die Anwendbarkeit der urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen für den Regelungsbereich des UrhDaG vorsieht. Bedenken bestehen allerdings bei drei Regelungsaspekten:

Erstens sollte vor dem Hintergrund einer missverständlichen Bezugnahme auf die maschinelle Überprüfbarkeit der Nutzungen im Titel von deren Erwähnung abgesehen werden.

Zweitens bestehen Bedenken hinsichtlich der Vergütungsregelungen. Zwar ist es begrüßenswert, dass der Referentenentwurf durch gesetzliche Vergütungsregeln einen angemessenen Ausgleich zwischen Rechteinhabern und Diensteanbietern anstrebt. Allerdings beziehen sich diese lediglich auf den Pastiche. Angesichts der Funktionslogik des UrhDaG-E und der besonderen Interessenlage zwischen Diensteanbietern, Rechteinhabern und Nutzern sowie zu erwartender Abgrenzungsprobleme sprechen gute Gründe für die Vergütung sämtlicher Nutzungen nach § 5 UrhDaG-E durch den Diensteanbieter.

Drittens wäre es im Sinne der Rechtsklarheit sinnvoll, in § 7 Abs. 2 UrhDaG-E ausdrücklich auf die Anwendbarkeit von § 63a UrhGE – in modifizierter Fassung – zu verweisen, um sicherzustellen, dass auch Verleger an der Vergütung beteiligt werden.

  • Die Berücksichtigung von geringfügigen Nutzungen in § 6 UrhDaG-E dient der Umsetzung mehrerer in Art. 17 DSM-RL verankerter Prinzipien. Das betrifft namentlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Art. 17 Abs. 5 DSMRL, das Verbot des Overblockings in Art. 17 Abs. 7 UA 1 DSM-RL sowie das Verbot der allgemeinen Überwachung in Art. 17 Abs. 8 DSM-RL. Die Zielsetzung, geringfügige Nutzungen im Haftungsregime zu privilegieren, ist daher zu begrüßen. Aufgrund bestehender Zweifel an der Unionsrechtskonformität der Ausgestaltung als Deminimis-Schranke, sollte eine gesetzliche Regelung dieses Ziel jedoch auf andere Weise umsetzen. Konkret bietet sich eine Anknüpfung an die Pflichten zur Lizenzierung (§ 4 UrhDaG-E), zur Sperrung (§ 10 UrhDaG-E) und zur Entfernung (§ 11 UrhDaG-E) an. § 4 UrhDaG-E berücksichtigt geringfügige Nutzungen schon in hinreichendem Maße. Sinnvoll wäre es aber, das Kriterium der „Erheblichkeit“ in § 4 Abs. 2 Nr. 2 UrhDaG-E nicht ausschließlich nach der Anzahl von Werken und Rechteinhabern zu bestimmen. Noch nicht hinreichend berücksichtigt ist die Bedeutung der Nutzung jedoch bei den Sperr- und Entfernungspflichten (§§ 10 und 11 UrhDaG-E). Geringfügige Nutzungen könnten hier am effektivsten in eine Verfahrenslösung, ähnlich dem § 8 UrhDaG-E, eingebunden und so bis zur Klärung ihrer Rechtmäßigkeit im Beschwerdeverfahren von der Sperr- und Entfernungspflicht ausgenommen werden. Eine so gestaltete Umsetzung würde nicht nur der Verhältnismäßigkeit und dem Verbot des Overblockings entsprechen, sondern auch eine mit sonstigen urheberrechtlichen Regelungen des Unionsrechts konforme Lösung bieten.

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