„Das Regionale ist der Markenkern des NDR“

von am 18.03.2021 in Aktuelle Top Themen, Archiv, Digitale Medien, Internet, Medienordnung, Medienpolitik, Medienregulierung, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, Rundfunk

„Das Regionale ist der Markenkern des NDR“
Dirk Schrödter, CDU, Chef der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein

Neuer NDR-Staatsvertrag räumt Telemedien gleichrangigen Platz neben Fernsehen und Hörfunk ein

18.03.2021. Interview mit Dirk Schrödter (CDU), Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein

Der NDR erhält neben dem RBB und MDR gegenwärtig einen neuen Staatsvertrag durch die ihn tragenden Länder. Beim NDR sind es Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. „Mit der Konkretisierung des spezifischen Auftrags des NDR, verbunden mit der erstmaligen Flexibilisierung im Bereich der digitalen Hörfunkprogramme nehmen die norddeutschen Ländern ihren Spielraum war und zeigen Möglichkeiten für Reformen auf“, beschreibt Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein, sein Anliegen. Unabhängig davon bestehe der Wunsch, dass die Diskussion über Auftrag und Struktur, wie sie von dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten schon vor drei Jahren gefordert wurde, wieder Fahrt aufnehme. Die Novelle des NDR-Staatsvertrages sei da nur ein erster, aber sehr wichtiger Schritt, der zeige, dass eine Flexibilisierung und eine Schwerpunktbildung staatsvertraglich umsetzbar seien.

medienpolitik.net: Herr Schrödter, warum ist ein neuer NDR- Staatsvertrag erforderlich?

Schrödter: Die letzte Überarbeitung des NDR-Staatsvertrages war im Jahr 2005, d.h. der Staatsvertrag ist „in die Jahre gekommen“ und braucht eine Auffrischung. Zum einen sind dies begriffliche Anpassungen, zum anderen sind durch den Telemedien-Staatsvertrag auch inhaltliche Anforderungen umzusetzen. Weiterhin hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem „ZDF-Urteil“ Grundsätze zur Gremienarbeit und zum Gebot der Staatsferne des Rundfunks formuliert. Zuletzt können jetzt zwei weitere Staatsverträge den NDR betreffend (NDR-Digitalradio-Staatsvertrag und Staatsvertrag zur Umsetzung der Datenschutzgrund-Verordnung (DSGVO)) in den großen Staatsvertrag integriert werden. Der Staatsvertrag soll im Sommer in Kraft treten. Der bundesweit geltende und im November in Kraft getretene Medienstaatsvertrag (MStV) regelt (nur) die bundesweiten Rahmenbedingungen für den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Diese Rahmenbedingungen müssen in den Ländern „runtergebrochen“ und auf die jeweiligen Länderanforderungen angepasst werden. Für den privaten Rundfunk geschieht dies in den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein, welche eine gemeinsame Medienanstalt haben, durch den Medienstaatsvertrag Hamburg/Schleswig-Holstein (MStV HSH). Für den Norddeutschen Rundfunk wird dies durch den NDR-Staatsvertrag umgesetzt.

medienpolitik.net: Was werden die wesentlichen Veränderungen zum bisherigen Staatsvertrag sein?

Schrödter: Im Programmauftrag werden die Minderheiten- und Regionalsprachen, welche in Norddeutschland mit Dänisch, (Sater)-Friesisch, Romanes und Plattdeutsch einen besonderen Stellenwert haben, stärker im Angebot verankert. Erstmalig soll der Staatsvertrag vorsehen, dass der NDR die Grundsätze der „Nachhaltigkeit“ im Sinne der UN-Agenda 2030 zur Nachhaltigkeit beachten muss. Neben Fernsehen und Hörfunk haben jetzt auch die Telemedien einen gleichrangigen Platz und gleichartige Bedingungen im Portfolio des NDR. Im Bereich der Gremien soll es Änderungen zu der Anzahl der Amtszeiten (insgesamt 3 in beiden Gremien des NDR), zu den persönlichen Anforderungen an die Mitglieder des Verwaltungsrates und aktuell notwendig zu der Möglichkeit von Video-und Telefonschaltkonferenzen in Zeiten außergewöhnlicher äußerer Umstände (z.B. Pandemie) und der darauf bezogenen Beschlussfassung geben. Weiterhin gilt das Gebot der Öffentlichkeit der Sitzungen des Plenums und –auf Wunsch- der Landesrundfunkräte sowie Anforderungen zur Transparenz der Beratungsergebnisse. Wir sind auch der Auffassung, dass zurzeit modernste Regelwerk zur „Gendergerechtigkeit“ unter Einbeziehung von diversen Personen vorlegen zu können. Weitere Schwerpunkte sind die Einbeziehung der sogenannten festen Freien Mitarbeiter in das Recht der Personalvertretung sowie Klarstellungen zu den Aufgaben des Verwaltungsrates und der Landesrechnungshöfe bei den gesellschaftsrechtlichen „Töchtern“ und „Enkelinnen“, also den unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen des Norddeutschen Rundfunks. Erstmalig soll ein Anspruch auf Zugang zu Informationen über den NDR gesetzlich geregelt werden, mit notwendigen Ausnahmen für besonders sensible Bereiche.

„Eine ‚Lokalisierung‘ ist ausdrücklich nicht gewollt, aber es ist immer wieder zu prüfen, ob noch mehr regionale Berichterstattung möglich ist.“

medienpolitik.net: Vertreter der Staatskanzlei sollen weiterhin im Rundfunkrat vertreten sein…

Schrödter: Die Staatskanzleien und die Behörde für Kultur und Medien aus Hamburg nehmen in ihrer Funktion als Rechtsaufsicht an den Beratungen des Rundfunkrates teil, sind also kein Teil der Willensbildung des Gremiums. Sie überwachen die Einhaltung der Vorgaben des Staatsvertrages bei Beschlussfassungen und sichern damit die Arbeit des Gremiums ab. Im Verwaltungsrat waren die Länder bisher Mitglieder ohne Stimmrecht und konnten allenfalls in der Diskussion eigene Stellungnahmen abgeben. Dies war verfassungsrechtlich unbedenklich. Um jedoch die Unabhängigkeit des Gremiums noch stärker herauszustellen, sollen die Länder künftig wie im Rundfunkrat nur die Funktion der Rechtsaufsicht wahrnehmen.

medienpolitik.net: Künftig soll es Veränderungen beim Hörfunkangebot geben. Die Zahl der Hörfunkprogramm wird anscheinend reduziert?

Schrödter: Veränderungen im Sinne einer Reduktion der Hörfunkprogramme sollen nicht durch den Staatsvertrag erfolgen. Anknüpfend an unseren Vorschlag zur Flexibilisierung von Programmaufträgen erhält der NDR die Möglichkeit, bei Bedarf zwei digitale Hörfunkprograme zusammenzulegen, um hierdurch z.B. auch Einsparungen zu generieren.

„Wir zeigen, dass Flexibilisierung und Schwerpunktbildung staatsvertraglich umsetzbar sind.“

medienpolitik.net: Warum beschließen Sie keine stärkere Regionalisierung des Dritten Programms?

Schrödter: Sowohl für den Hörfunk, als auch für das Fernsehen enthält der Staatsvertrag schon jetzt klare Vorgaben zur Abbildung der Vielfalt seiner Regionen, ihrer Kultur und Sprache, wobei letztere wie oben beschrieben jetzt im Bereich der Minderheiten- und Regionalsprachen einen besonderen Stellenwert bekommt. Eine „Lokalisierung“ ist ausdrücklich nicht gewollt, aber es ist immer wieder zu prüfen, ob noch mehr regionale Berichterstattung möglich ist. Das ist ein Markenkern des NDR in der ARD Familie, den es weiter zu stärken gilt. Die Ausgestaltung der regionalen Berichterstattung liegt im Schwerpunkt in den vier Landesstudios des NDR, welche zudem über Regionalstudios verfügen.

medienpolitik.net: Wie groß ist der Spielraum für einen solchen Staatsvertrag über eine ARD-Mehrländeranstalt, vom Medienstaatsvertrag abzuweichen, um den Auftrag zu reformieren?

Schrödter: Mit der Konkretisierung des spezifischen Auftrags des NDR, verbunden mit der erstmaligen Flexibilisierung im Bereich der digitalen Hörfunkprogramme nehmen die norddeutschen Ländern ihren Spielraum war und zeigen Möglichkeiten für Reformen auf. Durch die Aufnahme der Nachhaltigkeit als ein Programmziel wird der gesellschaftlichen Diskussion Rechnung getragen und ein Weg aufgezeigt, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch zukunftsfähiger zu machen. Unabhängig davon besteht der Wunsch, dass die Diskussion über Auftrag und Struktur, wie sie von dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten schon vor drei Jahren gefordert wurde, wieder Fahrt aufnimmt. Die Novelle des NDR-Staatsvertrages ist da nur ein erster, aber sehr wichtiger Schritt. Wir zeigen, dass eine Flexibilisierung und eine Schwerpunktbildung staatsvertraglich umsetzbar sind.

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