„Eine Flexibilisierung des Auftrags ist wünschenswert“

von am 04.05.2021 in Aktuelle Top Themen, Archiv, Digitale Medien, Kommunikationswissenschaft, Kreativwirtschaft, Medienkompetenz, Medienpolitik, Medienwissenschaft, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

„Eine Flexibilisierung des Auftrags ist wünschenswert“
Dr. Astrid Plenk, Programmgeschäftsführerin des Kinderkanals von ARD und ZDF (KiKA)

Zugriffe auf digitale KiKA-Plattformen stiegen im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um über 40 Prozent

04.05.2021. Interview mit Dr. Astrid Plenk, Programmgeschäftsführerin des Kinderkanals von ARD und ZDF (KiKA)

Die Mediennutzung während der Corona-Pandemie sorgt auch für Bewegung im Markt der Kindermedien. Angebote von kostenpflichtigen Streaminganbietern werden inzwischen von 34 Prozent der Sechs- bis 13-Jährigen. Dennoch behauptete der KiKA seine führende Marktposition. Den April konnte der KiKA linear – wie schon in den vergangenen Monaten und Jahren in seiner Sendezeit – mit der Marktführerschaft bei den Drei- bis 13-Jährigen abschließen. Im 1. Quartal war der Kinderkanal von ARD und ZDF in allen Altersgruppen Marktführer – im Vorschulsegment mit 21,7 Prozent, bei den 6- bis 9-Jährigen mit 17,5 Prozent und bei den Preteens mit 10,5 Prozent. Die Zugriffe auf die digitalen KiKA-Plattformen erhöhten sich im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um über 40 Prozent. Den März 2021 schlossen die non-linearen Ausspielwege mit 9 Millionen Visits ab – damit erzielten sie in beiden Kategorien die drittbesten Werte nach den Rekord-Monaten April 2020 und Januar 2021. Im Januar wurde mit 9,9 Millionen Visits der Vorjahreswert fast verdoppelt.

medienpolitik.net: Frau Plenk, 2020 war der Kinderkanal führend im deutschen Kindermedienmarkt und wurde im auch im 1. Quartal in allen Altersgruppen Marktführer: Trotz oder wegen der Corona-Pandemie?

Plenk: Corona und die damit verbundenen Schutz-Maßnahmen hatten und haben Auswirkungen auf das Medienverhalten aller – natürlich auch auf das der Kinder. Nach einem starken Anstieg der Mediennutzung während der Kita- und Schulschließungen wirkt die Pandemie auch weiterhin wie ein Katalysator: Digitale, qualitativ hochwertige Inhalte werden stetig stärker genutzt, gleichzeitig erfährt die lineare Nutzung Zuspruch. KiKA konnte mit Spezialsendungen, Sonderprogrammierungen, Live-Events und zahlreichen altersgerechten partizipativen Angeboten auf allen KiKA-Plattformen überzeugen. Auch den April 2021 wird KiKA linear – wie schon in den vergangenen Monaten und Jahren in seiner Sendezeit – mit der Marktführerschaft bei den Drei- bis 13-Jährigen abschließen und auch non-linear mit ausgezeichneten Abrufzahlen punkten. KiKA wird als Vertrauens- und Qualitätsmarke wahrgenommen und von Kinder und Eltern gleichermaßen geschätzt.

medienpolitik.net: Wie hat sich der Markt der Kindermedien 2020/2021 verändert?

Plenk: Insgesamt beobachten wir, dass sich die oben erwähnten Trends verstetigen. Angebote von verschiedensten kostenpflichtigen Streaminganbietern werden inzwischen von 34 Prozent der Sechs bis 13-Jährigen (Quelle: Trendtracking Kids/Plattformstudie im Auftrag von MDR/ARD, ZDF und KiKA) genutzt und spielen eine große Rolle in den jungen Zielgruppen. Die Herausforderung für Medienhäuser ist ungleich diffiziler geworden, da die Fragmentierung des Medien-, vielmehr Angebotsmarktes eine breite, übergreifende Ansprache von Zielgruppen schwieriger werden lässt. In dieser Gemengelage behauptet sich KiKA im Linearen und Nonlinearen exzellent und bestätigt seine Position als Lieblingsangebot (Quelle: „iconkids & youth“-Studie aus 2020).

medienpolitik.net: Seit mehr als einem Jahr befindet sich Deutschland im Corona-Lockdown. Welchen Einfluss hat die Pandemie das Angebot des KiKA?

Plenk: Die Pandemie bedeutet gerade für Kinder große Veränderungen im Alltag. Lockdowns und der Verzicht auf Kita, Schule, Freunde oder Freizeitaktivitäten machen ihnen zu schaffen. Wir haben umfangreiche Anpassungen struktureller und inhaltlicher Natur auf allen Plattformen vorgenommen. Wir informieren über Sondersendungen, haben Wissensangebote gebündelt, gleichzeitig verstärkt und Unterhaltungs- und Entspannungsinseln mit Serien, Filmen und zahlreiche stimulierende und aktivierende Angebote geschaffen. Besondere Hilfestellung, Möglichkeiten für Austausch und Dialog komplettieren das Gesamtangebot. Kinder ganzheitlich zu begleiten, für sie da zu sein, ihnen ein hochwertiges, altersgerechtes 360-Grad-Angebot zu bieten, das sind die Leitgedanken, die wir verfolgen.

„Kinder ganzheitlich zu begleiten, für sie da zu sein, ihnen ein hochwertiges, altersgerechtes 360-Grad-Angebot zu bieten, das sind die Leitgedanken, die wir verfolgen.“

medienpolitik.net: Hat die Online-Nutzung im Vergleich zur linearen Nutzung zugenommen? Welche Rolle spielt heute diese Nachfrage für die Nutzung der KiKA-Angebote?

Plenk: Als multimedialer Content-Anbieter setzt KiKA auf ein ausdifferenzierteres nutzungs-, interessens- und altersorientiertes digitales Angebotsportfolio, das von den Bedürfnissen und Wünschen der jungen Zielgruppen ausgeht. Wir implementieren auf allen Ausspielwegen kanalspezifische Partizipationsmöglichkeiten, um Kindern Austausch zu ermöglichen. Wir differenzieren den Content entsprechend des zielgruppenpräferierten Nutzungswunsches. Das Gesamtportfolio aller Touchpoints wird somit komplementär zueinander positioniert, die DNA von KiKA atmet jeder einzelne. Im Kindersegment sind wachsende Abrufzahlen zu verzeichnen, und obschon die TV-Nutzung leicht rückläufig ist, bleibt die lineare Säule für Kinder und Eltern attraktiv und bedeutend.

medienpolitik.net: Sie haben im März ihre Mediathek überarbeitet. Was wurde warum verändert?

Plenk: Unser gesamtes Portfolio erfährt kontinuierliche Weiterentwicklung. Insbesondere die KiKA-Player-App, erfüllt mit der neuen Download-Funktion, ein Offline-Modus, und neuen Features im Bereich der persönlichen Profileinstellungen die Erwartungen der Nutzer*innen. Implementiert wurde zudem eine gesonderte Kennzeichnung von barrierefreien Angeboten wie Audiodeskription oder Gebärdensprache. Eltern finden auf erwachsene.kika.de ausführliche Informationen über alle neuen Funktionen der werbefreien Anwendung und erhalten Tipps zum Thema im Umgang mit Medien. Auch kikaninchen.de, unser digitales Vorschulangebot, erhielt gerade einen Rebrush. Mit den Optimierungen können Kinder und Eltern gezielter in eine Video- und Beschäftigungswelt einsteigen. Um den Bedürfnissen jetzt und auch zukünftig gerecht werden zu können, stellen wir die Nutzungsfreundlichkeit der KiKA-Player App seit ihrer Entwicklung 2018 mit umfangreichen Usability- und Nutzer -Tests kontinuierlich auf den Prüfstand und arbeiten weiter iterativ am Produkt. Mit über einer Million Downloads erfährt der mobile Zugang zu KiKA-Angeboten, die KiKA-Player-App, großen Zuspruch von Kindern, die mit viel Spaß ihre Lieblingsinhalte finden, aber auch von Eltern, die die Qualität des Contents im geschützten KiKA-Raum schätzen.

medienpolitik.net: Was ist in dieser Zeit die größte Herausforderung für das Team des KiKA?

Plenk: Seit März vergangenen Jahres produzieren und arbeiten alle KiKA-Teams unter den besonderen Corona-Bedingungen. Dreharbeiten unterliegen strengen Sicherheits- und Hygieneregeln. Mobiles Arbeiten hat zu veränderten Abläufen geführt, und zusammen mit den Herausforderungen, die sich Familien stellen, ist im vergangen Jahr quasi eine neue Arbeitswelt entstanden. Diese funktioniert gut, hebt viel kreatives Potential, ist aber auch anspruchsvoll und stellt neue Herausforderungen an alle. Großartig ist, dass das KiKA-Team und alle Kinderprogrammverantwortlichen von ARD und ZDF ungebrochen mit viel Professionalität und Engagement bei der Sache sind.

medienpolitik.net: Wie stark beschäftigt Ihre Nutzer das Thema „Corona“?

Plenk: Eine Repräsentativbefragung, die KiKA über das Marktforschungsinstitut „iconkids & youth“ für den Themenschwerpunkt „Gesund leben!“ im Spätsommer 2020 in Auftrag gegeben hat, zeigte bereits deutlich, welche Spuren die belastende Situation und der neue Alltag bei Kindern hinterlässt. Auf die Frage, wie sie sich in jüngster Vergangenheit gefühlt haben, antworteten 77 Prozent, dass sie die Einschränkungen der vergangenen Monate bedrückend finden. Sie vermissten ihre Freunde (77 %), Besuche auf Spielplätzen (58 %), Hobbys (45 %) und ihre Großeltern (54 %). Der Hälfte der Kinder (51 %) ging es „sehr gut“ und „eher gut“. Knapp ein Drittel (29 Prozent) zeigte sich unentschlossen. Laut aktuellen Studien fühlen sich rund 70 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen durch die Corona-Krise seelisch belastet (Quelle: Copsy-Studie). Die direkten Rückmeldungen, die KiKA erreichen, spiegeln das ebenso wider.

medienpolitik.net: Wie hilft der KiKA ihnen dabei, damit umzugehen?

Plenk: Um Krisen zu verstehen, Ängste abbauen und Zuversicht entwickeln zu können, benötigen Kinder ein Mehr an Unterstützung als Erwachsene. Sie stehen mit ihren jungen Jahren erst am Beginn, (Lern-) Erfahrungen zu sammeln. Dazu benötigen sie Informationen, um Sachverhalte kognitiv erfassen zu können, Vorbilder und Austausch, um sie emotional einordnen zu können, und positiven Zuspruch, um an einer Situation wachsen zu können. Was medial möglich ist, wird bei KiKA zum Wohl der Kinder bereitgestellt: vielfältigste Qualitäts- und Partizipationsangebote, Themennähe, Erreichbarkeit und das Wissen, ernst genommen zu werden. KiKA ist durch seine Position Teil kindlicher Lebenswelt und Mediensozialisation.

„Es ist wichtig, dass der KiKA strategisch da ist, wo Kinder sind, um diese junge, anspruchsvolle und auch flüchtige Zielgruppe erreichen und halten zu können.“

medienpolitik.net: Inwieweit spielen Fragen der Kinder zu Corona auch Argumente und Fake News aus sozialen Netzwerken eine Rolle? Sind die dort vertretenen Verschwörungstheorien schon bei Kindern angekommen?

Plenk: Verschwörungsansätze sind kein Thema unserer Zielgruppe. Medienspezifische Fakten und Phänomene werden dennoch in den unterschiedlichsten Formaten von KiKA aufgegriffen und thematisiert. Medienkompetenzbildung ist ein zentrales Thema bei uns.

medienpolitik.net: Der KiKA sendet seit Februar wöchentlich ein eigenes Medienmagazin. Wie ist die Resonanz?

Plenk: Mit „Team Timster“ (KiKA/rbb/NDR) bieten wir plattformübergreifend Medienwissen für Kinder und Eltern. Schülerzeitungsredaktionen oder Wünsche Einzelner bestimmen die Themenfolge des Magazins. Sonntags um 20:00 Uhr erreichen wir durchschnittlich 10,8 Prozent der Drei- bis 13-Jährigen. Das Konzept sieht eine Verbreitung auf kika.de, im KiKA-Player und im KiKA-YouTube-Channel vor, aber auch Eltern, als wichtige Partner der Medienbildung, gehören zur Zielgruppe. Auf erwachsene.kika.de gibt es Experten-Gespräche über aktuelle Medienthemen, die in fast allen Familien für ausreichend Diskussionsstoff sorgen: Gaming, Social Media-Nutzung oder Medienzeit. Mit viel Spaß und Experimentierfreude nähern sich Kinder den Chancen, aber auch die Grenzen und Gefahren und erlernen so wichtige Kompetenzen und Fertigkeiten für einen souveränen und kritischen Umgang mit den überallpräsenten Medien.

medienpolitik.net: Im Zusammenhang mit der Novellierung des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunk wir auch überlegt, den KiKA nicht mehr als lineares Programm zu beauftragen. Was halten sie von diesem Vorschlag? Hätten Sie dann mehr Spielraum für neue Online-Angebote?

Plenk: Eine Flexibilisierung des Auftrags ist allgemein wünschenswert. Die stärkste und beliebteste öffentlich-rechtliche Kindermedienmarke über zielgruppenaffine Distributionswege anzubieten, ist unbestritten. Umso wichtiger ist es, dass KiKA strategisch da ist, wo Kinder sind, um diese junge, anspruchsvolle und auch flüchtige Zielgruppe erreichen und halten zu können. Verankert ist KiKA jedoch auch in Familien. Eltern steuern in den ersten Lebensjahren den Medienkonsum und Medieninhalte ihrer Kinder – dem tragen wir ja durch die integrierten Programmkonzepte Rechnung – daher braucht KiKA ebenso eine Verankerung bei präferierten Verbreitungswegen von Eltern und Bildungsinstitutionen.

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