„Fernsehkameraleute sind Urheber“

Studie räumt Fernsehkameraleuten größere Chancen ein, für Verwertungsrechte angemessen vergütet zu werden
24.08.2021. Interview mit Frank Trautmann, 1. Vorsitzender des Bundesverbandes der Fernsehkameraleute (BVFK)
Immer mehr Berufsgruppen im Medienbereich melden Ansprüche im Urheberrecht an. Auch Fernsehkameraleute können Urheber sein. Im modernen Verständnis der Bildgestaltung liege die Urheberschaft bei professionellen Bildaufnahmen typischerweise vor, und umgekehrt generieren professionelle Bildaufnahmen Urheberrechte. So das Fazit eines Gutachtens, das der Bundesverband der Fernsehkameraleute bei Professor Dr. Karl-Nikolaus Peifer, Direktor des Instituts für Medienrecht und Kommunikationsrecht der Universität Köln, in Auftrag gegeben hat. Urheberverbände können beispielsweise gemeinsame Vergütungsregeln verhandeln und Schlichtungsverfahren hierzu führen. Für Urheber bestehen Ansprüche auf angemessene Vergütung, die zu Nachzahlungen für die genutzten Rechte führen können, wie es im Fall von Jost Vacano, dem Kameramann von dem Film „Das Boot“, der Fall war. Eine generelle Vorgabe, ob ein Bild Urheberrechtsschutz genießt oder „nur“ leistungsschutzrechtlich geschützt ist, existiert aber nicht. Es kommt auf den Gestaltungspielraum des Kameramanns an und wie dieser genutzt wird. Je mehr Gestaltungsspielräume genutzt werden und je ungewöhnlicher und individueller dies geschieht, desto eher besteht ein Urheberrecht. Die Juristen sprechen von Schöpfungskraft und grenzen die Tätigkeit dann vom rein handwerklichen Schaffen ab.
medienpolitik.net: Herr Trautmann, warum haben Sie ein Gutachten über Urheber- und Leistungsschutz für Fernsehkameraleute in Auftrag gegeben?
Trautmann: Jeder der ein Bild gestaltet generiert damit auch Nutzungsrechte, Urheberrechte oder Leistungsschutzrechte. Die Höhe dieser Schöpfungstiefe – also der Grad des eigenen Anteils an der Entstehung des neuen Bildes – entscheidet darüber, um welche Art Recht es sich handelt. In den bisher üblichen Verträgen für freie Kameraleute ist deren Tätigkeit mit einer automatischen Übertragung der Rechte auf den Sender oder die Produktionsfirma verbunden. Den Auftraggebern ist es also bewusst, dass hier Verwertungsrechte „verkauft“ werden. Die Frage ist, was sind diese Rechte wert und wie müssen sie vergütet werden. Bei den Fernsehkameraleuten, sowohl bei denen für mobile Technik als auch für die Live-Kameraleute war bisher im Gegensatz zu den Spielfilm- oder Dokumentarfilmkameraleuten nicht eindeutig juristisch geklärt, ob es sich um Urheber handelt. Das hat natürlich Konsequenzen für die Honorierung. Diese Frage wollte der Verband jetzt beantwortet haben: Sie sind Urheber.
medienpolitik.net: Die Frage der Rechteübertragung oder des Rechtebehalts, soll also künftig in jedem Arbeitsvertrag eindeutig geregelt werden?
Trautmann: In den bisherigen Arbeits- oder Werkverträgen ist die Rechteübertragung zumeist zugunsten des Auftraggebers geregelt. Das sind die sogenannten total buy out-Vereinbarungen. Was nicht immer fair ist. Das Gutachten gibt uns als Verband von Urhebern bessere Möglichkeiten, bei Tarifverhandlungen oder mit Urhebervereinbarung, Regelungen auszuhandeln, die die Urheberschaft von Fernsehkameraleuten besser als bisher berücksichtigen. Wir sind dabei natürlich Realisten, und glauben nicht daran, die Total buy out-Verträge über Nacht abschaffen zu können. Unser Ziel ist es, dass sich unsere Mitglieder ihrer Rechte stärker als bisher bewusst werden, in den Verträgen mehr differenziert wird und da wo es sinnvoll ist, die Urheberschaft besser berücksichtigt wird. Dabei geht es auch darum, dass ein Urheber über den Umfang der Nutzung seines Werkes, entscheiden kann.
medienpolitik.net: Wie reagieren Sender und Produktionsfirmen auf ihre Forderungen?
Trautmann: Das werden wir sehen.Wir streben mit dem Gutachten keine Konfrontation mit den Auftraggebern an und es geht uns in erster Linie nicht darum, daraus finanzielle Forderungen abzuleiten. Sondern wir besitzen jetzt eine juristische Grundlage, um überhaupt Verhandlungen über eine angemessene Vergütung führen zu können.
„Wir sind dabei natürlich Realisten, und glauben nicht daran, die Total buy out-Verträge über Nacht abschaffen zu können.“
medienpolitik.net: Aber wie groß ist der Gestaltungsspielraum bei Live-Kameraleuten, z.B. bei Talks oder Sportübertragungen? Was soll hier urheberrechtlich geschützt werden?
Trautmann: Das Gutachten kommt nicht zu dem Schluss, dass alle Fernsehkameraleute gleichermaßen Urheber sind. Es differenziert sehr genau zwischen einzelnen Tätigkeitsfeldern. Je mehr Einfluss durch andere Beteiligte besteht, zum Beispiel durch Regisseure, desto geringer ist die kreative Entfaltungsmöglichkeit des Kameramannes. Die sogenannte Schöpfungshöhe ist unterschiedlich, aber wichtig ist, dass darüber nachgedacht und in den Verträgen berücksichtigt wird, ob eine relevante Leistung als Urheber vorliegt, die auch finanziell anerkannt werden muss. Gegebenenfalls wird man den einen oder anderen Fall über die Höhe der Vergütung auch gerichtlich klären müssen.
medienpolitik.net: Wie groß ist die Berufsgruppe der Fernsehkameraleute?
Trautmann: Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, da Kameramann oder -Frau kein geschützter Beruf ist. Wie haben in unserem Gewerbe auch eine ganze Reihe sehr guter Kollegen, die Quereinsteiger sind. Bei den Kino-Kameraleuten ist es leichter das Berufsbild abzugrenzen. Unser Verband hat gegenwärtig 600 Mitglieder und nach meiner Schätzung könnten es insgesamt bis zu 4.000 Kameraleute sein.
medienpolitik.net: Es gibt auch den Bundesverband Kinematografie. Warum zwei Verbände für Kameraleute?
Trautmann: Beide Verbände haben ein sehr gutes Verhältnis miteinander und arbeiten, wo es sinnvoll ist, auch zusammen, sind aber aufgrund der unterschiedlichen Berufsgruppen, die sie vertreten, auch anders aufgebaut. Im Bundesverband Kinematografie kann nicht jeder Kameramann Mitglied werden, sondern man muss einen Bürgen und bereits mehrere Kinofilme gedreht haben. Die Mitgliedschaft in diesem Verband ist ein Gütesiegel für hohe Qualität. Dagegen möchte unser Verband möglichst viele Mitglieder haben und die Eintrittsschwelle ist sehr gering und jeder der professionell als Kameramann/-frau arbeitet und damit überwiegend sein Geld verdient, kann bei uns Mitglied werden. Das hängt natürlich mit dem Zugang zu diesem Beruf und den Arbeitsmöglichkeiten zusammen. Die Schnittmengen zwischen beiden Verbänden nehmen aber zu, weil sich die Berufsbilder „verwischen“. So arbeiten Kinokameraleute auch für das Fernsehen als Dokumentarfilmer. Sie könnten alleine von ihren Kinoprojekten kaum leben.
„Wir sind als Verband, der die Interessen von Urhebern vertritt, besser in der Lage, angemessene Vergütungsregeln durchzusetzen.“
medienpolitik.net: Was sind die wichtigsten Schlussfolgerungen aus dem Gutachten für Sie?
Trautmann: Wir sehen die Ergebnisse für unsere Verbandsarbeit pragmatisch als Unterstützung, um Urheberrechte für unsere Mitglieder besser thematisieren und durchsetzen zu können. Wir sind als Verband, der die Interessen von Urhebern vertritt, besser in der Lage, angemessene Vergütungsregeln durchzusetzen. Einige positiven Ergebnisse der Studie waren für uns durchaus überraschend.
medienpolitik.net: Welche zum Beispiel?
Trautmann: So war uns vorher nicht bewusst, dass die Tätigkeit der mobilen Kameraleute, die vor allem bei Reportagen oder aktuellen Ereignissen tätig sind, eine so große Schöpfungshöhe aufweist, aus der sich auch ein entsprechender Rechteanspruch ableiten lässt. Im Berufsalltag zeigt sich das auch daran, dass einige Regisseure immer wieder mit bestimmten Kameraleuten arbeiten möchten, weil diese den richtigen Blick für das besondere Bild haben.
medienpolitik.net: Wer nimmt die Rechte der Fernsehkameraleute wahr?
Trautmann: Die Verwertungsrechte werden teilweise durch die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst wahrgenommen. Allerdings ist diese Vertretung für uns nicht immer optimal, weil Beiträge unter drei Minuten, wie es zum Beispiel bei der aktuellen Berichterstattung oft vorkommt, nicht berücksichtigt werden. Bei den Live-Kameraleuten die im Team arbeiten, wie in den Fernsehstudios oder Sportstadien, ist es schwierig, die Leistung des Einzelnen unter dem Urheberrechtsaspekt zu bewerten. Für sie fühlt sich die VG Bild-Kunst nicht zuständig. Deshalb müssen diese Kameraleute versuchen, ihre Ansprüche in den Honorarverhandlungen durchzusetzen. Dabei soll ihnen auch unsere Studie helfen.