„Der digitale Wandel hat die Medienlandschaft revolutioniert“

Der scheidende BLM-Präsident Siegfried Schneider zieht Bilanz und appelliert an die Politik, endlich das Medienkonzentrationsrecht zu reformieren
16.09.2021. Interview mit Siegfried Schneider, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM)
Zum Monatsende scheidet Siegfried Schneider als Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien altersbedingt aus dieser Funktion aus. Der geborene Bayer hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er die Aufgabe der Landesmedienanstalt nicht nur in der Kontrolle und Unterstützung des privaten Rundfunks sieht, sondern generell in der Medienförderung des Freistaates. Verschiedene Ideen und Konzepte haben dazu beigetragen, dass Bayern heute zu den innovativsten Medienstandorten Deutschlands zählt. In kaum einem anderen Bundesland sind die verschiedenen Förderinstitutionen so effektiv verzahnt. Sowohl als Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Medienanstalten als auch in den verschiedenen medienpolitischen Gremien, hat sich der ehemalige Staatsminister für Unterricht und Kultus für die Sicherung der Medienvielfalt und eine bessere Medienkompetenz bei Jugendlichen stark gemacht. Der MedienVielfaltsMonitor sowie die Mediengewichtungsstudie, die die Machtverhältnisse auf dem Meinungsmarkt gattungsübergreifend erfassen und so für Transparenz sorgen, sind so auf sein Drängen hin, entstanden. Auch für ein modernes Medienkonzentrationsrecht setzt Schneider hartnäckig ein. In einem ausführlichen Interview mit medienpolitik.net, thematisiert der scheidende BLM-Präsident die Herausforderungen für die Medienpolitik, angesichts einer sich „revolutionär“ wandelnden Medienlandschaft.
medienpolitik.net: Herr Schneider, Sie waren ein Jahrzehnt Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). Wie hat sich in diesen zehn Jahren die Medienlandschaft verändert?
Schneider: Die Medienlandschaft hat sich in den letzten zehn Jahren nicht nur verändert – der digitale Wandel hat sie geradezu revolutioniert. Die Pandemie hat die Entwicklungen noch einmal beschleunigt, den Digitalisierungs-Turbo gezündet. Die Medien und ihre Nutzung sind noch digitaler, mobiler und plattformbasierter geworden. Exponentiell steigt dabei auch die Nutzung von informierenden Angeboten im Internet und in den Sozialen Medien – und das nicht nur in den jüngeren Zielgruppen. Zudem haben wir in unserer zunehmend digitalisierten und datengetriebenen Welt mehr denn je mit Fake News, Verschwörungstheorien und Hass zu kämpfen. Der atemberaubende technische Fortschritt der Digitalisierung fordert die Branche, das Publikum, die ganze Gesellschaft. Künstliche Intelligenz, lernende Maschinen und Algorithmen verändern nicht nur die Produktion und die Verbreitungswege maßgeblich. Auch die Inhalte werden immer mehr durch Technisierung bestimmt. Deshalb ist es gut, dass der Medienstaatsvertrag (MStV) nun erstmals zeitgemäße Spielregeln für die Medienbranche, für Plattformanbieter und auch für Intermediäre formuliert hat. Es gilt, die freie Meinungsbildung in unserer demokratischen Gesellschaft zu gewährleisten und die Meinungsvielfalt zu sichern.
medienpolitik.net: Wie haben sich Aufgaben und Funktion der Landesmedienanstalten verändert?
Schneider: Parallel zu der beschriebenen Entwicklung ändert sich selbstverständlich auch das Aufgabenprofil der Medienanstalten dramatisch. Klassische Aufgaben wie die Rundfunkzulassung verlieren an Bedeutung – auch weil es dank digitalen Verbreitungswegen wie DAB+ oder Web-TV so etwas wie Frequenzengpässe nicht mehr gibt. Dafür rücken die Telemedien mehr und mehr in den Fokus: sowohl was die gesetzlichen Aufgaben – etwa die Überwachung von journalistischen Sorgfaltspflichten – betrifft, als auch das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer, die sich ihre Meinung mehr und mehr im Netz, allem voran in den Sozialen Medien, bilden. Die wesentlichen Gatekeeper sind heute nicht mehr Rundfunkanbieter. Gatekeeper sind vor allem Plattformen, also Kabelnetzbetreiber wie Vodafone oder OTT-Anbieter wie Zattoo, und Intermediäre wie TikTok oder Facebook. Deshalb will der Gesetzgeber bei Medienplattformen, Medienintermediären und Benutzeroberflächen mehr Chancengleichheit und mehr Transparenz sichern. Den Medienanstalten kommt dabei ein wichtiger neuer Auftrag zu: Wir sollen an den digitalen Schnittstellen zu Medienplattformen und Intermediären den diskriminierungsfreien Zugang und die Auffindbarkeit privater wie öffentlich-rechtlicher Inhalte sichern und damit die Meinungsvielfalt zu gewährleisten. Die Medienanstalten als Gemeinschaft haben diese Vorgaben in Satzungen konkretisiert, die größtenteils schon in Kraft getreten sind.
„Es gilt, die freie Meinungsbildung in unserer demokratischen Gesellschaft zu gewährleisten und die Meinungsvielfalt zu sichern.“
medienpolitik.net: Bayern gehört zu den wichtigsten deutschen Medienstandorten. Inwieweit hat das Ihre Arbeit beeinflusst?
Schneider: Natürlich hat es meine Arbeit beeinflusst, dass wir hier im Freistaat der führende Medienstandort in Deutschland mit Relevanz in allen Bereichen sind: Rund 36 Milliarden Euro werden jährlich in der bayerischen Medienbranche umgesetzt. Die höchsten Umsätze erzielte mit 12,8 Milliarden Euro der Bereich Software & Games, gefolgt vom Rundfunkmarkt mit 5,9, dem Werbemarkt mit 5,0 und dem Pressemarkt mit 4,8 Milliarden Euro. Der private Rundfunkmarkt, für den wir als BLM zuständig sind, zeichnet sich dabei mit mehr als 100 lokalen und regionalen Radio- und Fernsehprogrammen nicht nur durch eine unglaubliche lokale Vielfalt aus. Dank DAB+ haben wir im Radiobereich viele nationale Player und aufgrund des Brexit im TV-Bereich auch viele internationale Unternehmen dazu bekommen. Um den Standort Bayern zukünftig bestmöglich aufzustellen, haben wir eine Reihe von Maßnahmen initiiert, die Innovationen am Standort befördern. Wir haben sehr erfolgreich Media Labs in München und Ansbach aufgebaut, das MedienNetzwerk Bayern neu aufgestellt, das Medienstandort-Marketing gestartet und schließlich 2019 die verschiedenen Standortmaßnahmen, inklusive der Medientage München, in der Medien.Bayern GmbH, einer 100%-Tochter der BLM, gebündelt. Ihr Ziel ist es, neue Schwerpunkte bei der digitalen Transformation und dem Standortmarketing zu setzen und gemeinsam mit Unternehmen und Medienschaffenden Bayern als Top-Medienstandort noch erfolgreicher zu machen. Wir haben so mit Unterstützung des Freistaats ein hervorragendes Medien-Innovations-Ökosystem geschaffen, um die Unternehmen, die Startups, aber auch die jungen Talente, die mit neuen Technologien in die Medien starten wollen, zu unterstützen.
medienpolitik.net: Sind die Aufgaben der Standortpflege und zugleich der Aufsicht zu vereinbaren? Ging dabei manchmal nicht Standortpolitik vor Medienaufsicht?
Schneider: Es gibt eine klare rote Linie und deshalb auch keine Interessenskonflikte. Bei meiner Antrittsrede vor zehn Jahren habe ich gesagt: Ich bin der größte Lobbyist des privaten Rundfunks – solange sich alle an die gesetzlichen Regeln halten. Diesem Motto bin ich treu geblieben – auch in Zeiten, in denen sich mit Amazon Prime Video oder Twitch große Online-Video-Dienste unter die Aufsicht der BLM begeben. Für die Landeszentrale ist das eine Bestätigung als faire, aber konsequente Aufsicht. Es ist darüber hinaus aber auch eine Auszeichnung für den Medienstandort Bayern, der sich zur Anlaufstelle für globale On-Demand-Angebote und Videosharingplattformen entwickelt.
medienpolitik.net: Die Sicherung der Medienvielfalt ist das wichtigste medienpolitische Thema. Welche Rolle spielte das für Sie in den vergangenen Jahren?
Schneider: Die Medien- und Meinungsvielfalt auch im digitalen Zeitalter zu erhalten und zu fördern war und bleibt die wichtigste Herausforderung der Medienanstalten. Gleich zu Beginn meiner Amtszeit entwickelte und publizierte die BLM im Jahr 2012 den MedienVielfaltsMonitor, den die Medienanstalten seit 2015 gemeinsam verantworten. Der MedienVielfaltsMonitor sowie die vor ein paar Jahren hinzugekommene Mediengewichtungsstudie, die auch die Nutzung und Bedeutung von Informationsintermediären wie Google, YouTube und Facebook für die Meinungsbildung in den Blick nimmt, erfassen die Machtverhältnisse auf dem Meinungsmarkt gattungsübergreifend und sorgen so für Transparenz. Die Ergebnisse dieser Studien machen seit vielen Jahren eines ganz deutlich: Politische Information, gesellschaftlich relevante Themen und Entertainment sind heute – der Digitalisierung sei Dank – im klassischen Hörfunk und Fernsehen, aber ebenso auf Rundfunk-Plattformen und Intermediären wie Facebook, YouTube oder Google zu finden. Etablierte Medienhäuser sind konvergent und arbeiten längst crossmedial. Das alles bringt echte Chancen für die Meinungsvielfalt mit sich. Man muss die neuen Player aber im Blick haben. Unsere bestehende Konzentrationskontrolle jedoch ist fernsehzentriert und läuft daher ins Leere. Sie lässt die neuen Angebots- und Machtstrukturen und deren Bedeutung für die Meinungsbildung und Meinungsvielfalt völlig außer Acht. Ein modernes Medienkonzentrationsrecht ist deshalb überfällig. Nur ein medienübergreifendes Gesamtmarktmodell wird dem Informationsverhalten in der vernetzten Medienwelt gerecht. Dafür habe ich mich in den vergangenen Jahren stark gemacht. Ich setze darauf, dass diese wichtige Modernisierung der Regulierung der Medienkonzentration in der kommenden Überarbeitung des MStV nun endlich angegangen wird.
„Ich bin der größte Lobbyist des privaten Rundfunks – solange sich alle an die gesetzlichen Regeln halten.“
medienpolitik.net: Bezogen auf Bayern: Was konnten Sie hier erreichen?
Schneider: Bayern macht sich im Länderkreis für das Gesamtmarktmodell stark – die notwendige Einstimmigkeit verhinderte aber bislang die Reform… Erfreulich in Sachen Vielfalt ist dagegen, dass es im Freistaat gelungen ist, alle unsere lokalen und regionalen Sender in den letzten zwei Jahren durch die Krise zu bringen. Natürlich ist Situation aufgrund der Pandemie für manche Sender noch immer eine Herausforderung. Doch bislang haben sich die Anbieter dank Kreativität, einem teils harten Sparkurs und der Unterstützung von BLM, Freistaat Bayern und Bundeshilfen vergleichsweise gut behauptet. Um den kleinen lokalen Sendern, denen der zweite Lockdown noch einmal sehr zugesetzt hat, beiseite zu stehen, hat die BLM gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung erst im Juni ein erneutes Hilfspaket für durch die Corona-Krise unverschuldet in Bedrängnis geratene Lokalsender in Bayern geschnürt. Insgesamt standen für das erste und zweite Quartal 2021 nochmals bis zu zwei Millionen Euro zur Verfügung. Wir wollen möglichst vielen betroffenen Sendern wirksam helfen. Der bunte Strauß an vielfältigen privaten Rundfunkangeboten soll weiter blühen und sein Publikum vor Ort und auf Augenhöhe erfreuen.
medienpolitik.net: Wie hat die BLM den digitalen Transformationsprozess der privaten Rundfunkveranstalter unterstützt?
Schneider: Die Landeszentrale und auch ich ganz persönlich bin ein Stück weit stolz darauf, dass es uns gemeinsam gelungen ist, die digitale Transformation bei unseren Sendern voranzutreiben, ohne das Lokale, unsere Wurzeln, aus den Augen zu verlieren. Dazu zwei Beispiele: Im Radio ist die Zukunft digitalterrestrisch. Aus dieser Überzeugung heraus habe ich in den vergangenen zehn Jahren alles dafür getan, gemeinsam mit dem Freistaat und den Sendern DAB+ in Bayern voranzubringen. Seit dem Frühjahr dieses Jahres ist das DAB-Konzept der Landeszentrale nun voll umgesetzt: Alle UKW-Stationen sind auch über DAB+ zu empfangen. Das kommt bei den bayerischen Hörerinnen und Hörern an: 42 Prozent der bayerischen Bevölkerung haben Zugang zu DAB+ – und mehr als ein Viertel schaltet im Schnitt täglich auch Digitalradio ein. Auch bundesweit ist DAB+ nicht mehr aufzuhalten. Laut dem ganz neuen Digitalisierungsbericht der Medienanstalten haben wir fünf Millionen mehr DAB+-Radios in den Haushalten als im Vorjahr. Dieser Markterfolg von DAB+ zeigt, dass der bayerische Weg erfolgreich und zielführend ist. Knapp 10 Jahre nach dem Start von DAB+ ist der „Point of no return“ mehr als erreicht.
Mit Blick auf das lokale Fernsehen haben wir uns dieses Frühjahr – gemeinsam mit den Sendern – auf ein neues Satellitenkonzept verständigt. Unter dem Motto „weniger Satellit – mehr Inhalte und Qualität“ laufen die 14 Lokal-TV-Programme seit 1. Juli nicht mehr über zwei, sondern nur noch über einen Satellitentransponder und haben sich in den Regierungsbezirken entsprechend zusammengeschlossen. Für das Regional Fernsehen Oberbayern wurde eine neue Ära eingeleitet: Im Rahmen eines Pilotprojektes wird für dieses Programm auf die Verbreitung über Satellit verzichtet und vor allem die Verbreitung über das Internet forciert. Mehr Kooperation, mehr betraute Sendeminuten, mehr neue lokale Formate und mehr Barrierefreiheit – ich bin davon überzeugt, dass diese Maßnahmen die Attraktivität und die Qualität im bayerischen Lokal-TV erhöhen werden. Schließlich zählen für das Publikum am Ende Inhalte und Qualität. Auch deshalb waren und sind die qualitätsvolle Ausbildung von jungen Journalistinnen und Journalisten sowie digitale Innovation am Medienstandort Bayern zwei wichtige Schwerpunkte meiner Amtszeit.
medienpolitik.net: Der private Rundfunk wird einerseits durch die globalen Plattformen bedrängt, andererseits weitet der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine digitalen Aktivitäten aus. Welche Möglichkeiten hat die Regulierung, einen fairen Wettbewerb zu sichern?
Schneider: Die von mir bereits angesprochene und im MStV neu aufgenommene Plattformregulierung hat zum Ziel, Diskriminierungsfreiheit, Chancengleichheit und Auffindbarkeit von inhaltlichen Angeboten mit Relevanz für die öffentliche Meinungsbildung sicherzustellen und somit einen fairen Wettbewerb zu sichern. So haben die Medienanstalten in ihrer konkretisierenden Plattformsatzung beispielsweise Kriterien für die Sortierung von Inhalten festgelegt – etwa die alphabetische Reihenfolge, Genres wie Information, Bildung, Kultur, Regionales oder Unterhaltung oder Nutzungsreichweite. Darüber hinaus haben die Medienanstalten mit Inkrafttreten der Public-Value-Satzung am 1. September eine Ausschreibung gestartet: Im Rahmen dieses Verfahrens können sich private Angebote bis Ende September um den Public-Value-Status bewerben. Wer diesen Status hat, also laut MStV „für die gesellschaftliche Meinungsbildung besonders relevant“ ist, muss künftig auf Benutzeroberflächen leichter auffindbar sein. Zu solchen relevanten Inhalten zählen etwa nachrichtliche Berichterstattungen, lokale oder regionale Informationen und in Europa eigenproduzierte, barrierefreie oder speziell auf eine junge Zielgruppe ausgerichtete Inhalte. Bis zum Frühjahr soll entschieden sein, welche Angebote diesen Status bekommen.
„Wer immer auf den ganz großen Wurf wartet, wird nie loslegen.“
medienpolitik.net: Die EU-Kommission hat in den vergangenen Jahren immer mehr Einfluss auf die Medienpolitik genommen. So gab es jüngst Dissonanzen zum Medienstaatsvertrag und zur Satzung, die die Kontrolle der Intermediäre betrifft. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Schneider: Alle am Entstehungsprozess von um den Medienstaatsvertrag beteiligten Akteurinnen und Akteure in Bund, Ländern und Medienanstalten sind sich einig: Mit der Einbeziehung von Medienintermediären wurde eine wesentliche Regulierungslücke zur Sicherung von Meinungsvielfalt geschlossen. Es geht vor allem um Transparenzpflichten und um das Verbot einer strukturellen Diskriminierung von großen Anbietern wie Google und Co. – ein Kompromiss, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist schade, dass die EU-Kommission das anders zu sehen und diese Regelung aus übergeordneten Gesichtspunkten in Frage zu stellen scheint.
medienpolitik.net: Eine „gemeinwohlorientierte Plattform“ in Deutschland, bzw. Europa, auf der sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Inhalte präsent sind, gehört zu den medienpolitischen Visionen. Ist das nur eine unrealistische Utopie?
Schneider: Wir müssen auch eigene Infrastrukturen für unsere Medienangebote schaffen – nicht zuletzt, um ein Stück Souveränität gegenüber den globalen Giganten zurückzugewinnen. Zum Beispiel, indem wir Digitalangebote lokaler und regionaler Medienangebote in ihrer publizistischen Vielfalt online stützen und leichter auffindbar machen. Die BLM geht einen ersten Schritt in diese Richtung und ist aktuell dabei, eine Medienplattform Bayern mit lokalen Inhalten zu etablieren. Sie soll den lokalen Medien eine eigene gemeinwohlorientierte und skalierbare Plattform, ein eigenes, offenes Schaufenster in der digitalen Welt geben. Aber wir müssen noch weiterdenken. Eine solche lokale Medienplattform kann ein wirksamer Hebel sein – wenn sie als Grundlage genutzt wird, ein Ökosystem aufzubauen, das bei technischen und gesellschaftlichen Standards neue Wege geht. So könnten beispielsweise Infrastruktur-Komponenten, die für die digitale Souveränität besonders relevant sind, gezielt gefördert werden, um von den Angeboten der großen Plattformen unabhängiger zu werden. Aus meiner Sicht sind das große Visionen – aber keine Utopie. Gerade im Lokalen können wir prototypisch Lösungen und Initiativen anstoßen. Weiter gedacht lassen sich solche Prototypen auch in eine unabhängige europäische Plattform-Infrastruktur, an der bereits in einigen Ländern gearbeitet wird, andocken.
medienpolitik.net: Welche Rahmenbedingungen müsste die Medienpolitik schaffen, damit ein solches Modell eine realistische Chance hätte?
Schneider: Man braucht den Mut, einfach einmal anzufangen und selbstverständlich auch den politischen Willen. Dazu gehört aber auch eine entsprechende Anschubfinanzierung. Wer immer auf den ganz großen Wurf wartet, wird nie loslegen. Insofern bin ich dem Freistaat Bayern sehr dankbar, dass er die neue Medienplattform Bayern fördert. „Aus kleinem Anfang entstehen alle Dinge“ – diese Erkenntnis des großen Cicero hat sich in meiner beruflichen Laufbahn immer wieder bestätigt.