Gut gemeinte Vorschläge

Zehn Thesen der Deutschen Akademie für Fernsehen zur Zukunft der Medienordnung
02.02.2022. Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net /Aktualisiert am 03.02.2022
Die Deutsche Akademie für Fernsehen beteiligt sich an der Debatte und positioniert sich in einer Stellungnahme zum Diskussionsentwurf über die Novellierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Ein zeitgemäßes öffentlich-rechtliches Rundfunksystem ist unverzichtbar für das Gelingen der Demokratie, so die Fernsehakademie. In den Vorschlägen heißt es unter anderem „Formoffenheit, also ein breites Angebot an Narrativen, Erzählstrukturen und Formaten. Dies fördert demokratische Meinungsbildungsprozesse, schärft die Debattenkultur und trägt damit entscheidend zu einem gelingenden gesamtgesellschaftlichen Diskurs bei.“ Eine der Thesen lautet: „Um die verfassungsrechtlich gebotene Meinungsvielfalt zu gewährleisten, braucht es extern evaluierte inhaltliche und formale Qualitätskriterien“. Es sind insgesamt alles Thesen, über die die Diskussion lohnt und die für die weitere Entwicklung des Fernsehens, in welcher Distributionsform auch immer, wichtig sind. Schade nur, dass sich die Akademie zu den konkreten Änderungsvorschlägen des Medienstaatsvertragsentwurfs nicht äußert. Was ist mit der Flexibilisierung des Programmauftrages, was mit „Unterhaltung“, die nur dann Bestandteil des Programms sein soll, wenn sie sich auf den Kern des Auftrags bezieht? Was ist mit der Weiterentwicklung der Mediatheken und möglicher Empfehlungssysteme?
Nach Erscheinen dieses Beitrages erhielten wir von der Deutschen Akademie für Fernsehen die Information, dass die 10 Thesen zur Zukunft der Medienordnung aus der Stellungnahme der DEUTSCHEN AKADEMIE FÜR FERNSEHEN e.V. zum „Diskussionsentwurf zu Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ resultieren. https://daff.tv/stellungnahme/
Zehn Thesen zur Zukunft der Medienordnung
These 1: Bedarfe wecken, anstatt Bedarfe nur zu decken
Es zählt zu den unerlässlichen Aufgaben eines öffentlich-rechtlichen Mediensystems, Bedarfe zu wecken, anstatt Bedarfe nur zu decken.
These 2: Inhaltliche und formale Qualitätskriterien gewährleisten Meinungsvielfalt
Um die verfassungsrechtlich gebotene Meinungsvielfalt zu gewährleisten, braucht es extern evaluierte inhaltliche und formale Qualitätskriterien.
These 3: Formoffenheit fördert demokratische Meinungsbildungsprozesse
Meinungsvielfalt bedeutet gerade auch Formoffenheit, also ein breites Angebot an Narrativen, Erzählstrukturen und Formaten. Dies fördert demokratische Meinungsbildungsprozesse, schärft die Debattenkultur und trägt damit entscheidend zu einem gelingenden gesamtgesellschaftlichen Diskurs bei.
These 4: Veränderte Redaktions- und Programmstrukturen fördern die Ausgewogenheit des Gesamtangebots
Vielfalt muss sich nicht in jedem einzelnen Programm wiederfinden, sondern in der Ausgewogenheit des Gesamtangebots. Dazu zählt auch, das lineare und non-lineare Angebot für Kinder qualitativ und quantitativ auszubauen. Ein ausgewogenes Gesamtangebot lässt sich nur umsetzen, wenn sich Redaktions- und Programmstrukturen signifikant ändern.
These 5: Ein digitales kulturelles Gedächtnis stärkt die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Ein organisiertes und sinnvoll redigiertes Online-Archiv, das insbesondere informierende, bildende und kulturelle Inhalte zeitlich unbefristet sichtbar und nutzbar macht, stärkt die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als wichtige Säule für Medienvielfalt und Pluralismus. Die wachsende Bedeutung der non-linearen Angebote verlangt eine Anpassung der Vergütungshöhen an die Produktions- und Senderealität.
These 6: Public Value ist unerlässlich für die Qualitätssicherung
Der Public Value der öffentlich-rechtlichen Anstalten bemisst sich nicht nur an der Qualität von Programminhalten, sondern berührt auch die organisatorische Struktur und das Management. Entscheidende Bereiche sind dabei Transparenz, Vielfalt, Teilhabe, Dialog, Vertrauensbildung, Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit. Eine angemessene Vergütung der Film- und Fernsehschaffenden sowie ein fairer und transparenter Umgang mit den Kreativen gehören gleichermaßen dazu. Ein regelmäßig erstellter, senderunabhängiger Public Value-Bericht, der in den Rundfunkräten beraten wird, ist unerlässlich für die Qualitätssicherung.
These 7: Mehrheitlich inländische und europäische Produktionen stimulieren die heimische Medienwirtschaft
Die Stärkung des Anteils an mehrheitlich inländischen und europäischen Produktionen stimuliert die heimische Medienwirtschaft.
These 8: Eine Räte-Akademie stärkt die Fachkompetenz der Rundfunkräte
Die Fachkompetenz der Rundfunkräte sowie ihre politische Unabhängigkeit müssen gestärkt werden. Die Einführung einer anstaltsübergreifenden Räte-Akademie ermöglicht eine verbindliche Weiterbildung der Räte in den Bereichen Medienwirtschaft, Medienrecht und Journalismus.
These 9: Externe Bürgerräte fördern den gesamtgesellschaftlichen Diskurs
Eine periodische Miteinbeziehung von externen Bürgerräten stärkt den im Medienstaatsvertrag geforderten gesamtgesellschaftlichen Diskurs.
These 10: Ein Medieninnovationsfonds ermöglicht allen die Teilhabe an Public Value-Inhalten
Die Einführung eines aus Beitragsgeldern finanzierten, öffentlich-rechtlichen Medieninnovationsfonds mit Laborcharakter ermöglicht auch Anbietern und Produzenten außerhalb des jetzigen öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems, an der öffentlich-rechtlichen Finanzierung von Public Value-Inhalten teilzuhaben und sonst nicht finanzierbare kreative oder investigative Beiträge zur Meinungsbildung bereitzustellen.
Die DEUTSCHE AKADEMIE FÜR FERNSEHEN wurde im Dezember 2010 gegründet, um den Kreativen aus allen Gewerken der Entwicklung und Herstellung von Fernsehprogrammen eine eigene Stimme zu geben und sich in die Diskussion um Fragen der inhaltlichen und künstlerischen Qualität des deutschen Fernsehens einzubringen.