„Die Gremien müssen sich auch beim Kostencontrolling einbringen“

von am 20.08.2022 in Aktuelle Top Themen, Archiv, Gesellschaftspolitik, Medienordnung, Medienpolitik, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

„Die Gremien müssen sich auch beim Kostencontrolling einbringen“
Dr. Benjamin Grimm, Medienstaatssekretär Brandenburgs

Im neuen RBB-Staatsvertrag sollen die Transparenzrichtlinien verschärft werden

20.08.2022. Interview mit Dr. Benjamin Grimm (SPD), Medienstaatssekretär Brandenburgs

Die Medien genießen nach Artikel 5 des Grundgesetzes einen besonderen Schutz. Dort ist ein sehr umfassendes Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit verankert, das deutlich aufzeigt, wo die Grenzen staatlicher Einflussnahme liegen. Die gesetzlichen Grundlagen für die Tätigkeit des Radio Berlin-Brandenburg (RBB) sind im RBB-Staatsvertrag geregelt. Die Programmaufsicht über den RBB hat der Rundfunkrat. Die Federführung in der Rechtsaufsicht, die gegenwärtig Brandenburg innehat, wechselt turnusgemäß unter den zwei Staatsvertragsländern. Das bedeutet, dass bei Verstößen gegen den Medienstaatsvertrag oder den RBB-Staatsvertrag die Staatskanzlei tätig werden muss. Solche unmittelbaren Verstöße gegen das Rundfunkrecht scheinen bei der Causa Schlesinger, nach dem jetzigen Informationsstand, nicht vorzuliegen. Die Brandenburger Medienpolitik will dennoch bei der Novellierung des RBB-Staatsvertrages die Kontrollmöglichkeiten durch die Gremien verbessern. Wie Brandenburgs Medienstaatssekretär Grimm sagt, seien im neuen Entwurf zum neuen RBB-Staatsvertrag zahlreiche Vorschriften zur Stärkung der Transparenz vorgesehen. Rundfunk- und Verwaltungsrat sollen künftig beispielsweise die Tagesordnungen und die wesentlichen Ergebnisse ihrer Sitzungen veröffentlichen. Angesichts der Vorkommnisse der letzten Wochen werden derzeit „auch weitergehende Nachschärfungen im RBB-Staatsvertrag“ geprüft.

medienpolitik.net: Herr Grimm, welche Möglichkeiten sehen Sie konkret im RBB-Staatsvertrag bzw. im Medienstaatsvertrag die Kontrollbefugnisse der Rundfunk- und Verwaltungsräte zu stärken und auszubauen?

Grimm: Mit dem neuen Medienstaatsvertrag stärken die Länder die Rolle der Gremien als „Parlamente der Anstalten“. Sie müssen mehr sein als Beratung der Intendanz, sondern sollen sich unbedingt programmlich und auch beim Kostencontrolling einbringen. Die Informationspflichten der Geschäftsleitungen gegenüber den Gremien sind unterschiedlich ausgestaltet. Nach dem RBB-Staatsvertrag können der Rundfunk- und der Verwaltungsrat die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Auskünfte verlangen und Einsicht in die Unterlagen des RBB nehmen. So allgemein diese Vorschrift gefasst ist, so weit wollen wir sie als Gesetzgeber verstanden wissen. Aus meiner Sicht ist es daher zum Beispiel nicht haltbar, wenn der RBB dem Verwaltungsrat die Einsicht in die Dienstverträge der RBB-Geschäftsleitung verwehrt. Als Rechtsaufsicht müssen wir, ebenso wie die Beitragszahlerinnen und -zahler, auf eine wachsame und engagierte Aufsicht durch die Gremien vertrauen können. Wir bauen darauf, dass die aktuellen Ereignisse den RBB-Gremien zu einem geänderten Selbstverständnis verhelfen und dass sie künftig entschieden und selbstbewusst von bestehenden Kontrollmöglichkeiten Gebrauch machen. Um das zu verbessern, wollen wir eine Professionalisierung ihrer Arbeit erreichen.

medienpolitik.net: Dafür fordern die ARD-Gremienvorsitzenden eigene Budgets, die von der KEF festgelegt werden sollen. Was halten Sie davon? Könnte darüber in der 2. Phase der Strukturreform eine Festlegung erfolgen?

Grimm: In der zweiten Phase der Reformen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk werden sich die Länder mit Fragen der Beitragsstabilität und -akzeptanz beschäftigen. Ob auch die finanzielle Ausstattung der Gremien eine Rolle spielen wird, lässt sich noch nicht absehen. Die Rundfunkanstalten müssen den Gremien die für die Ausübung der Aufsicht notwendige Ausstattung zur Verfügung zu stellen. Bei der Diskussion um eigene Budgets der Gremien muss eines immer gewährleistet sein: Die Aufsicht über die Rundfunkanstalten obliegt allein den jeweiligen Gremienmitgliedern. Sie darf nicht auf externe Stellen ausgelagert werden, die für diese Aufgabe nicht legitimiert sind. Dem steht nicht entgegen, dass die Gremien für einzelne Vorgänge Sachverständige zu Rate ziehen. Für den RBB-Staatsvertrag werden wir das im Zuge der Novelle klarstellen.

„Es ist nicht haltbar, wenn der RBB dem Verwaltungsrat die Einsicht in die Dienstverträge der RBB-Geschäftsleitung verwehrt.“

medienpolitik.net: Muss die Transparenzpflicht der Rundfunk-, Fernseh- und Verwaltungsräte von der Politik erweitert und konkretisiert werden?

Grimm: Mit dem bereits vorliegenden Entwurf zum neuen RBB-Staatsvertrag haben wir zahlreiche Vorschriften zur Stärkung der Transparenz vorgesehen. Rundfunk- und Verwaltungsrat sollen künftig beispielsweise die Tagesordnungen und die wesentlichen Ergebnisse ihrer Sitzungen veröffentlichen. Für den ZDF-Fernsehrat gibt es eine solche Regelung schon. Angesichts der Vorkommnisse der letzten Wochen prüfen wir derzeit auch weitergehende Nachschärfungen im RBB-Staatsvertrag.

medienpolitik.net: Es gibt den Vorschlag aus dem Landtag Brandenburgs, den Verwaltungsapparat des RBB und insbesondere die finanziellen Vorgänge des Senders der Prüfung durch den Landesrechnungshof der beiden Bundesländer zu unterstellen. Sehen Sie dafür die Notwendigkeit?

Grimm: Die Kontrolle der Geschäftsführung beim RBB unterliegt vielen Instanzen. Diese Aufgabe liegt nicht allein beim Verwaltungsrat. Zusätzlich überwachen Wirtschaftsprüfer und die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) den Haushalt der Anstalten. Auch die Rechnungshöfe der Länder Berlin und Brandenburg können den RBB heute schon prüfen und tun dies auch regelmäßig. Eine weitere Prüfung haben die Rechnungshöfe Anfang Juli 2022 angekündigt. Das begrüßen wir ausdrücklich. Unabhängig von der aktuellen Debatte war und ist ohnehin vorgesehen, die Kontrolle durch die Landesrechnungshöfe weiter auszubauen. Daran halten wir fest.

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