„Man könnte selbst sofort vorangehen“

von am 21.09.2022 in Archiv, Gesellschaftspolitik, Medienordnung, Medienpolitik, Medienregulierung, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

„Man könnte selbst sofort vorangehen“
Andreas Nowak, Sachsen und Christian Herrgott, Thüringen

Medienpolitische Sprecher der CDU in den Landtagen von Sachsen und Thüringen fordern von den Anstalten mehr Reformwillen

21.09.2022. Fragen an Andreas Nowak, medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages und Christian Herrgott, Generalsekretär der CDU-Thüringens und medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag

In den 16 Landesparlamenten fällt letztlich die Entscheidung, ob die Novelle des Medienstaatsvertrages zur Reform des Auftrages und der Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ab nächstes Jahr in Kraft treten wird. Nach einer Unterrichtung der Medienausschüsse, die in den vergangenen Tagen stattfand, wird es zum Jahreswechsel in den Parlamenten eine Diskussion und abschließende Abstimmung geben. Im März soll der Staatsvertrag von allen Regierungschefinnen und –chefs unterschrieben werden. Auch diese Übereinkunft der Länder ist ein Zustimmungsgesetz. Das heißt, die Abgeordneten haben keine Änderungsmöglichkeit: sie können ihm nur zustimmen oder es ablehnen. Christian Herrgott, Generalsekretär der Thüringer CDU und medienpolitischer Sprecher seiner Fraktion fordert eine generelle Untersuchung der Gehaltsstrukturen aller ARD-Anstalten, des ZDF und Deutschlandradios, einschließlich der Tochtergesellschaften. Zudem solle überprüft werden, ob die Tätigkeiten der Tochtergesellschaften mit dem Programmauftrag zu vereinbaren sei. Auch der MDR-Staatsvertrag sollte geändert werden. „Ich glaube, wir werden uns mit dem MDR Staatsvertrag schneller wieder beschäftigen, als vor einem Jahr absehbar gewesen ist“, so Andreas Nowak, medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages. Ob die CDU in Sachsen dem Vertrag zustimmen wird, ist noch nicht sicher.

Andreas Nowak, medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages:

medienpolitik.net: Was muss sich kurzfristig beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ändern?

Nowak: Vor allem muss ein verändertes Klima in die Chefetagen und Redaktionen einziehen. Die Vorgänge beim RBB und beim NDR sind zwar in Art und Umfang von besonderer Art. Aber natürlich agieren RBB und NDR nicht im luftleeren Raum. Sie sind Mitglied der ARD. Ob es vor diesem Hintergrund eine gute Idee war, jemanden vom WDR jetzt mit der Leitung des RBB zu beauftragen, erscheint zumindest fragwürdig. Hier wäre jemand von außen deutlich besser gewesen. Das ist nämlich auch eine Frage des Stils. Der WDR zahlt die höchsten Gehälter und fällt auch immer mal mit redaktionell fragwürdigen Aktivitäten auf. Georg Restle forderte schon vor Jahren Haltungsjournalismus statt größtmögliche Objektivität und Detlef Flintz spricht im Juni 2022 einen Tagesthemen-Kommentar, in dem die hohen Energiepreise begrüßt werden. Hinterher kommt raus, dass er im Vorstand der Grünen in Grevenbroich sitzt. Beides hatte bisher keine sichtbaren Konsequenzen oder Distanzierungen. Ich bin übrigens gespannt, wann der erste Intendant die Rundfunkbeiträge erhöhen will, weil die Energiekosten steigen.

Auch die Aufsicht könnte jetzt schon genauer hinsehen, das zeigen auch die RBB-Vorgänge. Aber auch bei uns beim MDR fragt man sich bisweilen, ob der Rundfunkrat in der Vergangenheit nicht zu anstaltsnah agiert hat. Weder gab es Widerstand beim Umzug der einzigen publizistisch relevanten Redaktion, nämlich der ARD Infonacht, von Halle nach Hamburg. Im Gegenzug hat der MDR mit der ARD Hitnacht jetzt ein Dudelradio, was überhaupt nicht von den Privaten zu unterscheiden ist. Und bei der Besetzung der Programmdirektion Leipzig wurde ausgerechnet ein Ostdeutscher von Klaus Brinkbäumer ersetzt, einem Hamburger Medienmanager ohne jeglichen Ostbezug, ohne Erfahrung mit Fernsehen und Radio und als Ex-Spiegel-Chefredakteur mitverantwortlich für die Affäre Relotius, den größten Fake-Skandal des deutschen Journalismus seit der Erfindung der Hitlertagebücher durch den Stern. Auch dazu keinerlei Widerspruch aus dem Rundfunkrat. Im Gegenteil – die Personalie wurde still durchgewunken.

Auch in der Organisation sind die Gremien sehr anstaltsnah aufgebaut. In der Regel beantwortet der Juristische Direktor des MDR die Rechtsfragen des Rundfunkrates, der die Anstalt kontrollieren soll. Und das Gremienbüro für Rundfunk- und Verwaltungsrat sitzt Tür an Tür mit der Intendanz. Ob das in jeder Phase eine gute Kontrolle ermöglicht, gehört auch auf den Prüfstand. Also zusammengefasst: Kostensenkung, bessere Aufsicht, Angebote für alle. Hier müsste der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht auf die Politik warten. Man könnte selbst sofort vorangehen.

medienpolitik.net: Die Fraktionsvorsitzendenkonferenz von CDU/CSU hat am 4. September eine Reihe von Maßnahmen beschlossen. Wie sollen diese von Ihrer Fraktion im Landtag umgesetzt werden?

Nowak: Die FVK greift damit einen Teil der Forderungen auf, die bereits in unserem Positionspapier zum öffentlich-rechtlicher Rundfunk aus dem Juni 2020 stehen. Bei den Intendanten stellen wir uns beispielsweise einen Gehaltsdeckel in Höhe der Besoldung des Bundesverfassungsgerichts vor. In den Verwaltungsräten brauchen wir mehr unabhängigen Sachverstand. Bei den Rechnungshöfen ist zunächst zu klären, ob deren Ausstattung für die Prüfung des öffentlich-rechtlicher Rundfunk ausreichend ist. Hier muss gegebenenfalls nachgebessert werden. Dass wir dringend einheitliche Compliance-Regeln brauchen, zeigt das Beispiel RBB. Aber auch anderswo gibt es Handlungsbedarf. In fünf der neun ARD-Anstalten und beim ZDF genehmigen sich die Intendanten selber ihre Dienstreisen und deren Abrechnungen. Hier muss sich dingend etwas ändern. Die Bundes-CDU hat darüber hinaus beim Parteitag in Hannover ebenfalls einen Antrag zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschlossen. Dort ist u.a. die Idee formuliert, die Beitragszahler stärker in die Kontrollgremien zu integrieren, nach dem Vorbild der Sozialwahlen. Ich halte das für einen sehr interessanten Ansatz. Wir werden unsere Fraktionspositionen in die kommenden Debatten einbringen und die neueren Entwicklungen entsprechend berücksichtigen. Klar ist, dass dazu aber Änderungen in den Staatsverträgen und Gesetzen zum Öffentlich-rechtlichen Rundfunk nötig sind, auf die wir uns dann auch mit den Koalitionspartnern und den anderen Bundesländern verständigen müssen.

„Kostensenkung, bessere Aufsicht, Angebote für alle. Hier müsste der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht auf die Politik warten.“

medienpolitik.net: Sollte also der MDR-Staatsvertrag entsprechend geändert werden?

Nowak: Die Novelle des MDR-Staatsvertrages ist vor einem reichlichen Jahr in Kraft getreten. Es war die erste Novelle seit 30 Jahren. Seitdem hat das Thema erheblich an Dynamik gewonnen. Ich glaube, wir werden uns mit dem MDR Staatsvertrag schneller wieder beschäftigen, als vor einem Jahr absehbar gewesen ist. Zwar haben wir eine Drei-Länder-Anstalt, aber im Verbund der ARD. Ziel sollte es sein, den öffentlich-rechtlicher Rundfunk in ganz Deutschland zu reformieren. Insofern Wäre die Reihenfolge für mich zunächst Medienstaatsvertrag, dann MDR-Staatsvertrag. Sollte sich auf der deutschlandweiten Ebene nicht genug bewegen, wäre ein Modell bei uns dann denkbar. Aber auch dazu möchte ich zunächst mit den Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesländern austauschen und gemeinsame Positionen entwickeln.

medienpolitik.net: Dieser Tage fand die Information zur Novelle des Medienstaatsvertrages im Landtag statt. Welche Kritik gibt es von Ihnen an der Auftrags- und Strukturreform?

Nowak: Die Vorunterrichtung zu den geplanten Änderungen des Medienstaatsvertrages ist vor kurzem offiziell im Medienausschuss durch die Staatsregierung eingebracht. Wir werden uns jetzt zunächst im zuständigen Facharbeitskreis damit befassen. Im Januar findet eine öffentliche Anhörung im Medienausschuss des Sächsischen Landtages statt. Diese werden wir wiederum auswerten und dann in der Fraktion beraten, wie wir mit dem Entwurf umgehen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es für eine Festlegung zu früh.

Christian Herrgott, Generalsekretär der CDU-Thüringen und medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag:

medienpolitik.net: Was muss sich kurzfristig beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ändern?

Herrgott: Aus meiner Sicht benötigen wir mehr Eigeninitiative und Reformwillen bei den Rundfunkanstalten. Denn in erster Linie sind die öffentlich-rechtlichen Sender selbst angehalten Reformvorschläge für Struktur und Auftrag zu entwickeln und umzusetzen. Nach jahrelangem Stillstand und einer teilweisen Abwehrhaltung müssen endlich auch aus den Anstalten Impulse für Veränderungen kommen. Zum anderen muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei der Auftragsvergabe und insbesondere bei den Gehalts- und Versorgungsstrukturen mehr Transparenz und Realitätssinn zeigen. Angesichts der Fehlentwicklungen und Versäumnisse beim RBB fordern wir eine generelle Untersuchung der Gehaltsstrukturen aller ARD-Anstalten, des ZDF und Deutschlandradios, einschließlich der Tochtergesellschaften. Zudem sollte überprüft werden, ob alle Tätigkeiten der Tochtergesellschaften mit dem Programmauftrag zu vereinbaren sind.   

medienpolitik.net: Die Fraktionsvorsitzendenkonferenz von CDU/CSU hat am 4. September eine Reihe von Maßnahmen beschlossen. Wie werden diese jetzt umgesetzt?

Herrgott: Die Thüringer CDU hat vor wenigen Wochen ein eigenes Positionspapier zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk entwickelt, dass in einigen Bereichen über das von Ihnen genannte Papier hinausgeht und weitere konkrete Reformvorschläge enthält. Wir wollen damit unsere Landesregierung auf parlamentarischem Weg auffordern, Forderungen und Vorschläge aus diesem Papier in die Beratungen der Rundfunkkommission der Länder und der Ministerpräsidentenkonferenz einfließen zu lassen. Wir können aufgrund der besonderen Situation in Thüringen davon ausgehen, dass sich die Rot-Rot-Grüne Koalition unseren Forderungen nicht grundsätzlich verschließen kann.

medienpolitik.net: Sollte der MDR-Staatsvertrag entsprechend geändert werden? Einiger Ihrer Forderungen könnten doch hier berücksichtigt werden.

Herrgott: Die meisten Vorschläge unserer Fraktion lassen sich nur über eine Änderung des MDR-Staatsvertrages umsetzen. Aber das ist ein langwieriger Weg, denn es müssen sich drei Bundesländer einig sein. Dennoch werden wir den Staatsvertrag ändern müssen, vor allem um die Kontroll- und Aufsichtsfunktion der Gremien weiter zu stärken.

„Aus unserer Sicht fehlen für eine Auftrags- und Strukturreform wichtige Aussagen zur künftigen Finanzierung.“

medienpolitik.net: Dieser Tage fand und findet die Unterrichtung zur Novelle des Medienstaatsvertrages in den Landtagen statt. Welche Kritik gibt es von Ihnen an der Auftrags- und Strukturreform?

Herrgott: Aus unserer Sicht fehlen für eine Auftrags- und Strukturreform wichtige Aussagen zur künftigen Finanzierung. Das muss jetzt kommen. Ein weiterer Hauptkritikpunkt an der vorliegenden Novelle ist die vorgesehene Flexibilisierung beim Kika und bei Phoenix zu nichtlinearen Angeboten. Das halten wir für falsch. Denn ein solcher Schritt würde viele Nutzer, die vor allem im ländlichen Raum noch nicht über die erforderliche leistungsfähige digitale Infrastruktur verfügen, benachteiligen. Für den Medienstandort Thüringen wäre zudem eine ausschließlich nichtlineare Verbreitung des Kika-Angebotes mit erheblichen negativen Auswirkungen verbunden.

medienpolitik.net: Werden Sie der Novelle des Medienstaatsvertrages zu stimmen?

Herrgott: Wir hoffen natürlich, dass nach der breiten Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf der nächsten Sitzung der Rundfunkkommission doch noch einige Veränderungen vorgenommen werden. Sollte es aber bei dem vorliegenden Entwurf bleiben, wird sich unsere Fraktion, nach dem jetzigen Stand der Diskussion, der Reform dennoch nicht verweigern. Wir werden aber unsere Überlegungen und Konzepte für eine tiefergehende Reform in die parlamentarische Debatte einbringen. Dieses Mediengesetz ist ein Zustimmungsgesetz, dem wir nur zustimmen oder es ablehnen können. Mit unseren eigenen Vorschlägen werden wir wichtige Anregungen für dringend notwendige strukturelle Veränderungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geben.

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