„Reformideen endlich ernsthaft umsetzen“

von am 20.09.2022 in Aktuelle Top Themen, Archiv, Gesellschaftspolitik, Medienordnung, Medienpolitik, Medienregulierung, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

„Reformideen endlich ernsthaft umsetzen“
Markus Kurze, parlamentarischer Geschäftsführer und medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt

Abgeordnete aus den mitteldeutschen Bundesländern erhoffen sich noch Änderungen am Entwurf des Medienstaatsvertrages

20.09.2022. Interview mit Markus Kurze, parlamentarischer Geschäftsführer und medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt

Am 21. September und 22. September tagt die Rundfunkkommission der Länder. Einer der Tagesordnungspunkte ist die Situation in der ARD nach den bekanntgewordenen Missständen. Auch wollen die Länder die weiteren Schritte in der Auftrags- und Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beraten. Aus vielen Bundesländern und von Medienverbänden gibt es die Forderung, den vorliegenden Entwurf zu ändern und um Schlussfolgerungen aus den Vorfällen innerhalb der ARD zu ergänzen. Auch in den Landtagen In von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bestehen solche Erwartungen. Hier fand in den letzten Tagen die Vorunterrichtung der Abgeordneten über die Novelle des Medienstaatsvertrages durch die Staatskanzleichefs statt. Die Landtage müssen Anfang nächsten Jahres dieser Auftragsreform ihre Zustimmung geben. Bei diesen Sitzungen der Medienausschüsse gab es viele kritische Fragen zu den Schlussfolgerungen aus den ARD-Affären sowie über die Verwendung der Rundfunkbeiträge und das Programm. So stellt Markus Kurze, Medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt fest:Angesichts der jüngsten Verfehlungen bei der ARD ist aber nun doch Bewegung in die medienpolitische Debatte über strukturelle Reformen gekommen. Ich registriere einen regelrechten Überbietungswettbewerb an Reformideen. Diese sollte man nun aber auch ernsthaft umsetzen.“

medienpolitik.net: Herr Kurze, was muss sich kurzfristig beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ändern?

Kurze: Die Akzeptanzkurve in der Öffentlichkeit ist dramatisch gesunken. In erste Linie sind dabei die Intendantinnen und Intendanten gefragt, Veränderungen herbei zu führen um solche Maßlosigkeiten zu vermeiden und mit dem Beitragsgeld nicht verschwenderisch umzugehen.

medienpolitik.net: Sicher sind nicht nur die Anstalten gefragt, sondern auch die Medienpolitik.

Kurze: Bisher gab es für die vielen Vorschläge für eine Strukturreform, die den Namen verdient, keine Mehrheiten in den Ländern. So haben wir unter anderem gefordert, dass er schlanker aufgestellt werden muss, um den Beitrag über die Jahre stabil zu halten. Angesichts der jüngsten Verfehlungen bei der ARD ist aber nun doch Bewegung in die medienpolitische Debatte über strukturelle Reformen gekommen. Ich registriere einen regelrechten Überbietungswettbewerb an Reformideen. Diese sollte man nun aber auch ernsthaft umsetzen.

medienpolitik.net: Die Fraktionsvorsitzendenkonferenz von CDU/CSU hat am 4. September eine Reihe von Maßnahmen beschlossen. Wie schätzen Sie die Chance ein, die Vorschläge umzusetzen

Kurze: Die Chancen stehen ganz gut. Denn die Reformpläne werden jetzt von allen Fraktionen, der CDU/CSU unterstützt und die CDU/CSU regiert in mehreren Ländern und könnte diese Fragen jetzt in Angriff nehmen.

medienpolitik.net: Was müsste medienpolitisch kurzfristig umgesetzt werden?

Kurze: Die Rundfunkkommission trifft sich am 21. und 22 September und wird sich sicher mit den Vorfällen in der ARD befassen und auch ergebnissoffen über den vorliegenden Entwurf des Medienstaatsvertrages diskutieren. Ich hoffe, dass man dabei doch einige Vorschläge berücksichtigt werden, wie zum Beispiel die Landesrechnungshöfe stärker mit der Kontrolle der Anstalten zu beauftragen.

medienpolitik.net: Sollte der MDR-Staatsvertrag entsprechend geändert werden? Einiger Ihrer Forderungen könnten doch hier berücksichtigt werden.

Kurze: Die Frage einer möglichen Novellierung des MDR-Staatsvertrages sollte unbedingt in unserer Regierungskoalition diskutiert werden. Da der Staatsvertrag von drei Ländern geschlossen wird, sind mögliche Veränderungen nicht ganz einfach, aber ich denke, dass der Zeitpunkt aufgrund des öffentlichen Drucks günstig ist, einige Punkte, wie die Deckelung der Intendantengehälter festzuschreiben. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist für unsere Gesellschaft wichtig, aber der Beitrag muss verantwortungsvoll eingesetzt werden. Es ist nach meiner Meinung wichtig, dass Öffentlichkeit sieht, dass die Politik jetzt handelt und nicht nur redet. Ich habe den Eindruck, dass diese Notwendigkeit auch in Sachsen und Thüringen ähnlich gesehen wird. 

„Nach wie vor dominieren in der ARD die Stimmen, die vom Einzelfall RBB sprechen.“

medienpolitik.net: Es gibt von Ihnen aber auch Kritik am Programm…

Kurze: Die Strukturfragen sind wichtig aber ebenso müssen auch die Inhalte dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entsprechen. So hat das Allensbach-Institut im April ermittelt, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung der Auffassung ist, dass beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk Mehrheitsmeinungen oft ignoriert werden und dafür die Meinungen von Minderheiten propagiert werden. Das Programm muss wirklichkeitsnäher werden. Wir benötigen kein Belehrungs- und Erziehungsfernsehen, sondern ein Angebot, bei dem sich die große Mehrheit der Bevölkerung wiederfindet. 

medienpolitik.net: Dieser Tage fand die Information zur Novelle des Medienstaatsvertrages im Landtag statt. Welche Kritik gibt es von Ihnen an der Auftrags- und Strukturreform?

Kurze: Wir haben natürlich kritisiert, dass sich bei den Anstalten innerhalb von zwei Jahren, wo wir uns an gleicher Stelle mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk befasst hatten, scheinbar kaum etwas geändert hat. 

medienpolitik.net: Hatten Sie aus der Diskussion den Eindruck, dass die ARD-Anstalten jetzt eher bereit sind, zu ändern, was sie verändern können?

Kurze: Ich bin mir nicht sicher, ob diese Ernsthaftigkeit jetzt vorhanden ist. Nach wie vor dominieren in der ARD die Stimmen, die vom Einzelfall RBB sprechen. Aber auch bei anderen Sendern, wie dem NDR, BR, MDR oder WDR sind jetzt Vorfälle bekannt geworden, die weder zum Auftrag noch zum Anliegen eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks passen. Ich bin aber Optimist, dass dieser Eindruck falsch ist, denn es ist wichtig, dass die Akzeptanz wieder steigt, und sich das Image schnell wieder verbessert. Denn viele Mitarbeiter und Journalisten leisten in den Anstalten eine sehr gute Arbeit und es ist bedauerlich, dass diese mit in den Krisenstrudel gezogen worden sind. 

medienpolitik.net: Werden Sie der vorliegenden Novelle des Medienstaatsvertrages zu stimmen?

Kurze: Der neue Medienstaatsvertrag ist nicht der große Wurf, den wir erhofft hatten und ich wünsche mir, dass doch noch einiges nachgebessert wird. Wir brauchen ihn aber gerade in der jetzigen Situation, weil er unter anderem eine Stärkung der Aufsichtsgremien vorsieht. Deshalb werden wir ihm wahrscheinlich zustimmen.

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