Archiv November 2022
Der „Tagesspiegel“ verkleinert sein Format und reduziert die Medienberichterstattung
28.11.2022. Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net
„Entlang meiner fernsehsoziologischen Analyse, wonach Fernsehen Dumme dümmer macht und Schlaue schlauer, plädiere ich für ein gemeinsames Fernsehprogramm von ARD und ZDF, das beide schlauer macht. Ich weiß, worüber ich fantasiere: Ich schaue seit 60 Jahren fern und schreibe seit 35 Jahren übers Fernsehen“, das stellt Joachim Huber, Ressortleiter Medien des „Tagesspiegel“ auf der Medienseite seiner Zeitung am 26.November lakonisch fest. Diese Medienseite wird es ab morgen nicht mehr geben. Die Berliner Tageszeitung „Tagesspiegel“ erscheint dann in einem neuen kompakteren Format mit Tabloid-Größe, einem anderen Layout und überarbeitetem journalistischen Konzept. Das Blatt wird dann aus einem überregionalen und einen regionalen Teil bestehen. „Wir investieren in unseren Journalismus. In Zukunft lesen Sie zwei Zeitungen in einer: Mehr aus der Welt. Mehr aus der Weltstadt. Der neue Tagesspiegel“, lautet die Eigenwerbung des Verlages im Kampf um neue Leser. Das Motto der Zeitung, so steht es über dem Eingang des Medienhauses am Askanischen Platz, war bisher „Rerum cognoscere causas – die Ursachen der Dinge erkennen“. Mit der Verkleinerung des Formats beginnt anscheinend auch - zumindest im Medienbereich – eine Reduzierung der journalistischen Kompetenz. Eine „Investition in den Journalismus“ ist die Einstellung der Medienseite jedenfalls nicht.
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Filmbranche erwartet, dass die Vorbereitung der großen Novellierung umgehend in Gang gesetzt wird
24.11.2022. Fragen an SPIO, AG Kino, HdF Kino, Bitkom, VdF, FFF Bayern und BKM
Der deutschen Filmwirtschaft stehen gegenwärtig mehr als 450 Mio. Euro Fördermittel durch die Filmförderungsanstalt (FFA) und Steuermittel des Bundes und der Länder zur Verfügung. Das Fördervolumen ist auch im internationalen Vergleich beachtlich, doch durch den Flickenteppich unterschiedlicher Förderinstrumente und -maßstäbe ist es weniger effektiv als in anderen Ländern. Vor allem die Zersplitterung der Geldmittel, zu geringe Budgets für deutsche Filme, eine unzureichende Orientierung an veränderter Mediennutzung und im Umbruch befindlicher Marktverhältnisse sowie eine mangelnde internationale Wettbewerbsfähigkeit werden von Branchenvertretern seit Jahren kritisiert. In Österreich wird ab 1. Januar 2023 ein neues automatisiertes System der Filmförderung eingeführt. Damit wird eine einfachere und transparente Neuordnung des Filmfördersystems umgesetzt. Ein zuschussbasiertes und ungedeckeltes Modell wie das österreichische könnte auch ein Vorbild für Deutschland sein. Medienpolitik.net hat Branchenverbände und Institutionen der Filmwirtschaft gefragt, wie sie die Verschiebung der FFG-Reform um ein Jahr bewerten und welche Erwartungen sie an eine "grundlegende Reform“ haben.
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Erhoffte Neuordnung der Filmförderung wird erneut vertagt
23.11.2022. Interview mit Björn Böhning, Geschäftsführer der Produzentenallianz
Noch im Februar hatte Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien (BKM), eine große Reform der Filmförderung angekündigt, die auch im Koalitionsvertrag der SPD-Grüne-FDP-Regierung versprochen worden war. Die Filmwirtschaft setzt auf eine umfassende Neuordnung der Alimentierung der Branche große Hoffnungen. Mit der Novelle sollen die Förderinstrumente des Bundes und die Rahmenbedingungen des Filmmarktes neu geordnet, vereinfacht und transparenter werden. Zudem wurde die Einführung von Investitionsverpflichtungen und steuerlichen Anreizmodellen versprochen. Nun wurde die herbeigesehnte Reform verschoben und das bestehende FFG um ein Jahr verlängert. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien begründete diese Verzögerung in einem Brief an die Verbände und Institutionen der Filmwirtschaft mit einer fehlenden Datenbasis, notwendiger Prüfaufträge und „pandemiebedingten volatilen Situation der Filmwirtschaft“. Björn Böhning, Geschäftsführer der Produzentenallianz fordert, dass Politik und Branche in den nächsten Monaten gemeinsam dafür sorgen müssten, „dass es ein gewonnenes Jahr für die Debatte und kein verlorenes Jahr für die Filmbranche wird.“ Es sei die Aufgabe der BKM nicht nur Moderatorin zu sein, sondern Antreiberin bei einer Reform der Filmförderung, sagt Böhning.
Das Steuerrecht bietet ungehobenes Potenzial zur Unterstützung des Journalismus
22.11.22. Von Rechtsanwalt Hermann von Engelbrechten-Ilow
Die Ampel will die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen gewährleisten und prüfen, welche Fördermöglichkeiten dazu geeignet sind; so steht es im Koalitionsvertrag. Im Haushalt für 2022 schlägt sich das bisher nicht nieder, kritisiert der Bundesrat. In einem aktuellen Entschluss hat er den Bund aufgefordert, zeitnah ein Förderkonzept vorzulegen. Freie Medien seien ein wesentliches Element unserer demokratischen Ordnung. Insgesamt sei die Gesamtauflage der Tageszeitungen von etwa 27 Millionen 1991 auf ca. 12 Millionen Exemplare im Jahr 2021 gesunken, erinnert die Länderkammer. Gerade regionale und lokale Presseerzeugnisse stünden vor extremen Herausforderungen. Der Bundesratsvorstoß zeigt: Es gibt sehr viele gute Argumente für eine Medienförderung. Es gibt aber auch sehr viele gute Argumente dagegen. Diese sind weniger grundsätzlicher, sondern vielmehr praktischer Natur. Die Schwierigkeit der Medienförderung liegt darin, dass sie mindestens staatsfern und meinungsneutral, wenn nicht sogar auch technologieneutral erfolgen muss. Das erklärt, warum das Wirtschaftsministerium sich in der vergangenen Legislaturperiode zwar an einer Presseförderung mit einem Volumen von 220 Millionen Euro versucht, dieses Vorhaben aber aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken wieder aufgegeben hat.
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Wie viel zusätzliches Spektrum benötigen DVB-T2, 5G-Broadcast und moderne Funkmikrofone?
17.11.2022. Von Michael Moskob, Leiter Regulierung & Unternehmenskommunikation, Media Broadcast GmbH
Die Zukunft des terrestrischen Rundfunks und des Kulturbetriebs wird Ende 2023 international auf der Weltfunkkonferenz (WRC-23) verhandelt. Die Entscheidungsfindung zur Frage, wie das heutige Rundfunk- und Kulturspektrum im Bereich von 470-694 MHz künftig genutzt werden soll, befindet sich auf nationaler und europäischer Ebene aber bereits jetzt in der entscheidenden Phase. Frequenzbedarf melden neben dem terrestrischen Fernsehrundfunk DVB-T2 und dem Kulturbetrieb mit seinen drahtlosen Produktionsmitteln auch der kommerzielle Mobilfunk, Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) sowie das Militär an. Angesichts dessen hat die Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen am 10. November 2022 eine Online-Konferenz mit dem Titel „Zukunft und Innovation für Rundfunk und Kultur – Wie viel zusätzliches Spektrum brauchen DVB-T2, 5G-Broadcast und moderne Funkmikrofone?“ veranstaltet. Das Fazit lautet: eine Lösung kann nur konsensual im Rahmen einer europäischen Harmonisierung gefunden werden – ohne Eile und unter behutsamer Abwägung aller berechtigten Interessen.
Ver.di verteidigt Warnstreiks und erwartet für 2025 eine Erhöhung des Rundfunkbeitrages
16.11.2022. Interview mit Christoph Schmitz, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes
Seit einigen Wochen kommt es in ARD-Anstalten, zuletzt am vergangenen Mittwoch und Donnerstag, zu Warnstreiks. Anlass sind die laufenden Tarifverhandlungen. Ver.di fordert Gehalts- und und Honorarerhöhungen von zirka sechs Prozent. Die Rundfunkanstalten bieten bislang maximal 2,8 Prozent, bei einer deutlich längeren Laufzeit. Die Geschäftsleitungen seien nicht bereit, über 2,25 Prozent hinausgehende Tariferhöhungen pro Jahr zu verhandeln und wollten eine Festlegung auf mindestens 24 Monate Laufzeit. Das hätte für die Beschäftigten eine Einkommensentwicklung zur Folge, die weit hinter der aktuellen Entwicklung der Lebenshaltungskosten zurückbliebe, so Christoph Schmitz, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes gegenüber medienpolitik.net. Angesichts der Kritik an hohen Pensionslasten verweist Schmitz darauf, dass die Sender in Abstimmung mit der Gewerkschaft diese Systematik 2017 reformiert hätten. Diese Regelung habe Gültigkeit mindestens bis ins Jahr 2031. Was davon jedoch keineswegs erfasst sei, seien die Ruhegelder und Altersversorgungszusagen für außertarifliches Leitungspersonal oder auch die Boni. Das seien Ausgaben, die verzichtbar, mindestens jedoch deutlich reduzierbar seien.
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Renommierter Medienrechtler sieht keine verfassungsrechtlichen Vorbehalte gegenüber den Reformvorschlägen von Tom Buhrow
15.11. 2022. Interview mit Professor Dr. Karl-E. Hain, Direktor des Instituts für Medienrecht und Kommunikationsrecht der Universität zu Köln
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts biete erheblichen Konkretisierungsspielraum für die Gesetzgebung der Länder und die Anstalten im Rahmen ihrer Programmautonomie, so Professor Dr. Karl-E. Hain, Direktor des Instituts für Medienrecht und Kommunikationsrecht der Universität zu Köln. Eine Reform und Verschlankung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks würde, so Hain, nicht im Widerspruch zur Funktionsbeschreibung der obersten Verfassungsrichter stehen. Auch die Entrichtung des Rundfunkbeitrages sei dadurch nicht obsolet, denn „den Vorteil, der die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtlich rechtfertigt, hat das BVerfG in der Möglichkeit der Nutzung der öffentlich-rechtlichen Angebote gesehen. Diese Möglichkeit wird auch weiterhin nicht nur für die tatsächlichen Nutzerinnen und Nutzer bestehen.“ Bei dem Ausbau der Kooperationen sieht Hain vor allem die Sender in der Pflicht. „Die konkrete Umsetzung von Kooperationen wird zum großen Teil den Anstalten selbst im Rahmen ihrer Programmautonomie und ihrer Selbstverwaltungsrechte obliegen“, sagt der Medien- und Verfassungsrechtler.
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