Accounts klassischer Nachrichtenanbieter werden von Jugendlichen geschätzt

von am 01.11.2022 in Aktuelle Top Themen, Archiv, Journalismus, Kommunikationswissenschaft, Medienkompetenz, Medienwissenschaft, Plattformen und Aggregatoren, Social Media

Accounts klassischer Nachrichtenanbieter werden von Jugendlichen geschätzt

Studie: Social Media Content Creators aus Sicht ihrer jungen Follower

01.11.2022. Jugendliche und junge Erwachsene folgen gezielt Influencern und anderen Accounts in sozialen Medien, um sich zu unterhalten, zu informieren oder um mitreden zu können. Social Media Content Creators auf Instagram, TikTok und anderen Plattformen erfüllen dabei unterschiedliche Funktionen für verschiedene Nutzungsmotive und tragen wesentlich zur Meinungsbildung bei. Accounts einzelner Persönlichkeiten bieten Orientierung und haben wichtige Identifikations- und Vorbildfunktionen für ihre jungen Follower. Auch die Accounts klassischer Nachrichtenanbieter werden geschätzt und genießen bei jungen Menschen Vertrauen, weil sie als unabhängig und seriös gelten. Dies sind Ergebnisse einer Studie des Hamburger Leibniz-Instituts für Medienforschung im Rahmen des Projekts #UseTheNews, das in Kooperation mit der dpa, Verlagen sowie öffentlichen-rechtlichen und privaten Rundfunkanbietern die Nachrichtenkompetenz junger Menschen fördert.

Für die qualitative Studie „Social Media Content Creators aus Sicht ihrer jungen Follower“ wurden Tiefeninterviews mit 14- bis 17-jährigen Jugendlichen und 18- bis 24-jährigen jungen Erwachsenen geführt. Darin wurde gefragt, welchen Accounts sie in sozialen Medien folgen, welche Nutzungsmotive sie damit verknüpfen und wie sie einzelne Akteurinnen und Akteure bewerten.

Vier Account-Typen lassen sich nach Nutzungsmotiven unterscheiden:

  • Inhalts-fokussierte themenspezifische Accounts werden zur Unterhaltung und zum Zeitvertreib genutzt.
  • Inhalts-fokussierte themenvielfältige Accounts dienen Wissens- und Informationszwecken.
  • Personen-fokussierte themenvielfältige Accounts ermöglichen Soziale Nähe & Einblick, Inspiration & Motivation sowie Kommunikation & Integration.
  • Bei Personen-fokussierten themenspezifischen Accounts stehen einzelne Persönlichkeiten im Mittelpunkt, denen eine Identifikations- und Vorbildfunktion zugesprochen wird.

Inhalte-fokussierte themenvielfältige und Personen-fokussierte themenspezifische Accounts werden durchaus als relevant für die eigene Meinungsbildung erachtet, da sie Fakten und Hintergrundwissen bieten, um sich eine „fundierte“ und „professionelle“ Meinung zu bilden. Diese Accounts werden als besonders „seriös“ und „vertrauenswürdig“ bewertet.

 „Influencern eine zu große und zu allgemeine Relevanz zuzuschreiben, ist nicht angebracht.“

„Influencern allgemein eine zu große und zu allgemeine Relevanz zuzuschreiben, ist nicht angebracht. Vielmehr bietet sich für den Journalismus die Chance, sich als unabhängiger und vertrauensvoller Akteur zu platzieren und sich gleichzeitig von werbefinanzierten Inhalten und Persönlichkeiten abzugrenzen“, sagen die Studienautoren Leonie Wunderlich und Sascha Hölig.

Schlussfolgerungen und Fazit

„Mit Blick auf das Verständnis von „Influencern“ lässt sich zusammenfassen, dass die befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen anhand der Kriterien Themenbereich und Finanzierung definieren, wer ein Influencer ist und damit auch von anderen Social Media Content Creators abgegrenzt werden kann. Daneben werden Merkmale herangezogen, um Unterschiede zwischen Influencern deutlich zu machen, die sich auf die Reichweite bzw. Anzahl ihrer Follower, den persönlichen Kontakt und Austausch mit Influencern, deren Persönlichkeit und Werte sowie die wahrgenommene Authentizität beziehen. Es wird also deutlich, dass Influencer nur eine Teilgruppe von Social Media Content Creators darstellen, denen in sozialen Medien gefolgt wird. Entsprechend sollte deren Relevanz nicht überschätzt werden.

Bezüglich der Glaubwürdigkeits- und Vertrauensbewertungen sowie für deren Beurteilung herangezogenen Kriterien lässt sich festhalten, dass diese je nach Account-Typ bzw. je nach Akteursgruppe von Social Media Content Creators unterschiedlich sind. Während der Großteil der interviewten Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Glaubwürdigkeit von Nachrichtenanbietern anhand der Kriterien eigene Erfahrung, Gewohnheit, Wahrnehmung der Professionalität in Schreibstil und Aufmachung sowie Wahrnehmung der Neutralität bewertet, zählen für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von einzelnen Persönlichkeiten (mit spezifischem Themenwissen oder geteilten Interessen) Indikatoren wie Sympathie, Reichweite und Bekanntheit, Vorreiterposition sowie das Verhalten vor und hinter der Kamera. Insgesamt erfüllen Accounts (inter-) nationaler Nachrichtenanbieter überwiegend Wissens- Informations- und Kommunikationsbedürfnisse und werden von den befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen als glaubwürdig und vertrauenswürdig charakterisiert.

Mit Blick auf die letzte Forschungsfrage, die auf die Rolle einzelner Social Media Content Creators bei Meinungsbildungsprozessen abzielt, kann zusammenfassend festgestellt werden, dass diesen Akteuren jeweils unterschiedliche Funktionen im Prozess der eigenen Meinungsbildung zugeschrieben werden. Inhalts-fokussierte themenvielfältige und Personen-fokussierte themenspezifische Accounts (Persönlichkeiten mit spezifischem Wissen) werden dahingehend als relevant für die eigene Meinungsbildung erachtet, als sie Fakten und Hintergrundwissen bieten, um sich eine „fundierte“ und „professionelle“ Meinung zu bilden, wobei Accounts (inter-)nationaler Nachrichtenanbieter als besonders „seriös“ und „vertrauenswürdig“ bewertet werden. Im Gegensatz dazu sind vor allem Personen-fokussierte themenvielfältige Accounts wichtig, wenn es darum geht, sich eine „persönliche“ bzw. „ungebildete“ Meinung zu bilden, um in Gesprächen oberflächlich mitreden und sich über „lustige“ Ereignisse austauschen zu können. Diese Quellen werden als „subjektiv“ eingestuft, wenngleich ihre Inhalte und persönlichen Meinungsäußerungen als relevant für die eigene Meinungsbildung eingeschätzt werden.“

Studiendesign: Qualitative Leitfadeninterviews mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Im Rahmen der Studie wurden halbstrukturierte Leitfadeninterviews mit insgesamt 22 Jugendlichen und jungen Erwachsenen (14 bis 24 Jahre) geführt, die mit Blick auf ihr Geschlecht, ihren Wohnort und ihren formalen Bildungshintergrund gemischt zusammengesetzt waren. In den Interviews, die im Durchschnitte etwas mehr als eine Stunde gedauert haben, wurden individuelle Account-Repertoires der Teilnehmenden erstellt. Außerdem wurden mit Visulisierungshilfen und der Methode des „Lauten Denkens“ über die Nutzungsmotive und Eigenschaften der gefolgten Social Media Content Creator Accounts gesprochen. Transkripte der Interviews sowie weitere Fragebogen- und Memomaterialen haben als Basis für die Auswertung und Analyse der Gespräche gedient.

Über #UseTheNews

Das bundesweite Projekt #UseTheNews geht der Nachrichtennutzung und -kompetenz junger Menschen auf den Grund und entwickelt neue Informations- und Bildungsangebote. In einem News Literacy Lab werden auf Basis der Studienergebnisse neue Nachrichtenangebote konzipiert. Begleitet wird das News Literacy Lab von Journalismus-Experten der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). Darüber hinaus werden unter dem Titel Open News Education (ONE) Bildungsangebote, Unterrichtsmaterialien und Fortbildungen für Lehrkräfte entwickelt, um die Vermittlung von Nachrichtenkompetenz in Schulen zu stärken. Initiiert wurde #UseTheNews von der Deutschen Presse-Agentur dpa und der Hamburger Behörde für Kultur und Medien. Unterstützt wird das Projekt von einem Kuratorium aus namhaften Persönlichkeiten aus Medien und Politik.

https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/81872/ssoar-2022-wunderlich_et_al-Social_Media_Content_Creators_aus.pdf?sequence=4&isAllowed=y&lnkname=ssoar-2022-wunderlich_et_al-Social_Media_Content_Creators_aus.pdf

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