„Die BKM muss Antreiberin bei einer Reform der Filmförderung sein“

von am 23.11.2022 in Aktuelle Top Themen, Archiv, Filmwirtschaft, Kreativwirtschaft, Medienförderung, Medienpolitik, Medienwirtschaft

„Die BKM muss Antreiberin bei einer Reform der Filmförderung sein“
Björn Böhning, Geschäftsführer der Produzentenallianz

Erhoffte Neuordnung der Filmförderung wird erneut vertagt

23.11.2022. Interview mit Björn Böhning, Geschäftsführer der Produzentenallianz

Noch im Februar hatte Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien (BKM), eine große Reform der Filmförderung angekündigt, die auch im Koalitionsvertrag der SPD-Grüne-FDP-Regierung versprochen worden war. Die Filmwirtschaft setzt auf eine umfassende Neuordnung der Alimentierung der Branche große Hoffnungen. Mit der Novelle sollen die Förderinstrumente des Bundes und die Rahmenbedingungen des Filmmarktes neu geordnet, vereinfacht und transparenter werden. Zudem wurde die Einführung von Investitionsverpflichtungen und steuerlichen Anreizmodellen versprochen. Nun wurde die herbeigesehnte Reform verschoben und das bestehende FFG um ein Jahr verlängert. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien begründete diese Verzögerung in einem Brief an die Verbände und Institutionen der Filmwirtschaft mit einer fehlenden Datenbasis, notwendiger Prüfaufträge und der „pandemiebedingten volatilen Situation der Filmwirtschaft“. Björn Böhning, Geschäftsführer der Produzentenallianz fordert, dass Politik und Branche in den nächsten Monaten gemeinsam dafür sorgen müssten, „dass es ein gewonnenes Jahr für die Debatte und kein verlorenes Jahr für die Filmbranche wird.“ Es sei die Aufgabe der BKM nicht nur Moderatorin zu sein, sondern Antreiberin bei einer Reform der Filmförderung, sagt Böhning.

medienpolitik.net: Herr Böhning, Die Novelle des Filmförderungsgesetzes (FFG) wird um ein Jahr verschoben. Wie bewerten Sie diese Entscheidung der Beauftragten für Kultur und Medien der Bundesregierung (BKM)?

Böhning: Aus meiner Sicht ist die Verschiebung sinnvoll, denn diese eröffnet die Möglichkeit, die Säulen der Filmförderung in Deutschland im Zusammenhang zu diskutieren und neu aufzustellen: das FFG mit dem Kern der Kinofilmförderung, die Fördersysteme des Bundes, wie den German Motion Picture Fund und den DFFF, sowie die Einführung einer Investitionsverpflichtung für Streaming-Plattformen. Diese müssen endlich mehr in die Verantwortung genommen werden, damit wir hier zu fairen Wettbewerbsbedingungen kommen. Klar ist: Politik und Branche müssen in den nächsten Monaten gemeinsam dafür sorgen, dass es ein gewonnenes Jahr für die Debatte und kein verlorenes Jahr für die Filmbranche wird.

medienpolitik.net: Wie wichtig ist das FFG im System der deutschen Filmförderung?

Böhning: Das FFG ist monetär nicht mehr die zentrale Säule der deutschen Filmförderung. Auch deshalb setzt sich die Produzentenallianz für eine stärkere Konzentration der Filmförderungsanstalt (FFA) – deren gesetzliche Grundlage das FFG darstellt – auf ihre Kernaufgabe ein: die Produktion und Herausbringung von Kinofilmen. Allerdings ist das FFG der Kern des Geflechtes der Förderung zwischen dem Bund und den Ländern. Es gibt Richtlinien für die Förderinstitutionen vor und ist ein wichtiger Diskursraum für die filmpolitisch Verantwortlichen. Zudem hat das Gesetz eine Navigationsfunktion, wie wir die Filmförderung effektiver gestalten können.

medienpolitik.net: Die Novelle würde dann erst am 1.Januar 2025 in Kraft treten. Sie ist bereits um zwei Jahre verschoben worden. Wie problematisch sehen Sie das, angesichts der tiefgreifenden Veränderungen des Medienmarktes?

Böhning: Mir kommen in der Debatte die großen Chancen, die mit den Veränderungen des Medienmarktes verbunden sind, zu kurz. Wir sprechen über einen globalen Wachstumsmarkt. Da dürfen wir den Anschluss nicht verpassen. Deshalb darf die jetzt angekündigte große Reform nicht immer weiter aufgeschoben werden. Hinzu kommt, dass diese Marktveränderungen für unsere Branche auch mit großen Herausforderungen verbunden sind. In der Pandemie haben sich viele Trends verstärkt: Das Geschäftsmodell Kinofilm, das so viele Filme ermöglicht hat, die wir heute lieben, ist stark gefährdet. Die Streamingdienste schmälern durch den Rechteausverkauf die Eigenkapitalbasis der Produktionsunternehmen und die Umwälzungen des audiovisuellen Medienmarktes führen zu einer veränderten Nachfrage bei den Formaten: Der Trend zu immer kürzeren und auch vielfältigeren Formaten hat sich weiter verstärkt. Auf diese Entwicklungen muss mit einer Veränderung des Fördersystems reagiert werden. Nur durch eine tiefgreifende Reform kann die Film- und Fernsehwirtschaft weiter am weltweit wachsenden audiovisuellen Markt erfolgreich teilhaben. Dazu gehört auch, dass bei der künftigen Filmförderung die Streamingdienste einen verpflichtenden Beitrag für deutsche Produktionen leisten.

„Nur durch eine tiefgreifende Reform kann die Film- und Fernsehwirtschaft weiter am weltweit wachsenden audiovisuellen Markt erfolgreich teilhaben.“

medienpolitik.net: Es gab in den vergangenen Monaten verschiedene „runde Tische“ der Branche mit Vertretern der BKM. Inwieweit könnten die Ergebnisse dieser Beratungen die Basis für eine neue, große Reform sein?

Böhning: Konkrete Ergebnisse gab es bei diesen Branchendialogen bisher leider nicht. Aus meiner Sicht haben diese Gespräche aber drei wichtige Impulse gesetzt:

1. Es muss ein Konzept für die Zukunft des Kinos geben. Die Besucher gehen vor allem für Event-Filme ins Kino. Das sind vor allem, aber nicht nur die Blockbuster aus Hollywood. Wir haben in diesem Jahr mehrere Beispiele erlebt, wo auch Arthouse-Filme zu Publikumsmagneten wurden. Und auch deutsche Filme sind gefragt, ob Familienfilm, Bio-Pic oder bayerische Komödie. Rheingold schießt ja gerade durch die Decke.

2. Der Fachkräftemangel belastet gegenwärtig deutsche Filmproduktionen. Deshalb benötigen wir zusätzliche Qualifizierungs- und Weiterbildungsinitiativen, damit sich mehr Menschen für einen Beruf in der Film- und Fernsehbranche entscheiden.

3. Das Fördersystem muss so verändert werden, dass die Planungs- und Investitionssicherheit für die Produzentinnen und Produzenten wächst. Dazu kann ein automatisiertes Fördersystem, wie es aktuell in Österreich ab 1. Januar 2023 eingeführt wird, wesentlich beitragen. Es ist als Zuschuss ausgestaltet und zeigt: Auch ohne steuerliche Incentives kann die Förderung auf Weltniveau gebracht werden.

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die privaten Streamer oder Sender müssen mehr leisten.“

medienpolitik.net: Seit Monaten liegen die Reformvorschläge aller Verbände der Filmwirtschaft auf dem Tisch. Warum geht es dennoch hier nicht voran?

Böhning: Die Vielfalt der Akteure in der Filmbranche gehört zu ihrem Wesen. Diese differenzierten Stimmen immer wieder zusammenzurufen und nach gemeinsamen Wegen zu suchen, ist aller Mühen wert. Klar ist aber auch: Der große Wurf eines zukunftsfähigen Filmfördersystems kann nicht aus dem kleinsten gemeinsamen Nenner bestehen. Ich bin sicher, dass eine Bereitschaft der öffentlichen Hand besteht, mehr in das Fördersystem zu investieren, wenn eine echte Erneuerung gelingt. Gleichzeitig müssen aber auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die privaten Streamer oder Sender mehr leisten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk zieht sich leider aus der Kino-Koproduktion und damit der Kinofilmfinanzierung immer mehr zurück. Es ist die Aufgabe der BKM nicht nur Moderatorin zu sein, sondern Antreiberin bei einer Reform der Filmförderung. Auch bei der Einführung des FFG gab die Filmwirtschaft den Impuls, doch maßgeblich war der politische Gestaltungswille, dass eine gesetzliche Grundlage für die Filmförderung etabliert werden konnte. Diesen aktiven Austausch zwischen Politik und Branche wünsche ich mir für die kommenden Monate.

medienpolitik.net: Warum sind sowohl Investitionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als auch der privaten Streamingplattformen für die deutsche Filmwirtschaft so wichtig?

Böhning: Sender und Streamer können und müssen die Innovationsbereitschaft vor allem von klein- und mittelgroßen Unternehmen unterstützen. Das soll durch ihren finanziellen Beitrag, aber auch durch eine gute Kooperationskultur auf Augenhöhe geschehen. Dazu gehört eine faire Rechteteilung, die es den Produktionsunternehmen ermöglicht, langfristig in ihre Produkte zu investieren und auch ins kreative Risiko zu gehen.

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