Archiv November 2022
SPD-Bundestagsfraktion fordert, Strukturen, die ein Fehlverhalten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ermöglichen, vollständig zu zerstören
10.11.2022. Interview mit Helge Lindh, MdB, Medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag
„Sowohl die öffentlich-rechtlichen Sender als auch die Länder tragen Verantwortung“ Es sei eine Gemeinschaftsaufgabe das verlorengegangene Vertrauen gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wiederherzustellen, sagt der medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Helge Lindh gegenüber medienpolitik.net. Auf die Rede von Tom Buhrow in Hamburg Bezug nehmend stellt er fest, dass es im Kern richtig sein, dass es dabei keine Tabus geben dürfe. Doch Schlagworte würden aktuell aber nur bedingt weiterhelfen. Es brauche einen strukturierten Prozess, unter Beteiligung der Länder, Sender, Gremien, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beitragszahlerinnen und -zahler. „Was es nicht braucht: Selbstmord aus Angst vor dem Tode“, so Lindh. Dabei ginge es um alle Reformen, die helfen, die Arbeit der Medienschaffenden zu stärken und verkrustete Strukturen abzubauen: Reformen zur Demokratisierung nach innen und außen und zur Stärkung von Compliance und Transparenz. Dabei gelte es: raus aus der Defensive, die Debatte nicht scheuen, Flucht nach vorne.
Medien und Kulturwirtschaft sehen wichtige Übertragungsfrequenzen gefährdet
09.11.2022. Interview mit Dr. Susanne Pfab, ARD-Generalsekretärin
Die Sicherung der Frequenzen des unteren UHF-Bands (470-694 MHz) für ihre Anwendungen fordern über 80 Verbände, Unternehmen und Einzelpersonen der Rundfunk- und Kulturindustrie aus mehr als 20 europäischen Ländern in ihrem zweiten „Call to Europe". Adressaten der Forderung sind die politischen Entscheidungsträger und Regulierungsbehörden in ganz Europa. Sie bereiten derzeit ihre Positionen für die Weltfunkkonferenz 2023 (WRC-23) vor, auf der über die zukünftige Nutzung dieses Frequenzbereichs über das Jahr 2030 hinaus entschieden wird. Die Forderungen der Rundfunk- und Kulturindustrie zur unveränderten Nutzung des unteren UHF-Bands werden durch die Ergebnisse aktueller Studien untermauert. So ist das terrestrische Fernsehen weiterhin der meistgenutzte TV-Empfangsweg in Europa und zudem eine sehr energieeffiziente Übertragungstechnik. Auch die Nachfrage nach Frequenzen für drahtlose Produktionsmittel bei Veranstaltungen wächst stetig, zudem erfordert die Einführung technischer Innovationen zusätzliche Ressourcen. Fragen an Dr. Susanne Pfab, ARD-Generalsekretärin. Der Senderverbund gehört der „Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen“ an.
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Bundesländer hoffen darauf, dass ihre Kritik am EMFA in Brüssel Gehör findet
08.11.2022. Interview mit Heike Raab (SPD), Medienstaatssekretärin in Rheinland-Pfalz und Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder
Der European Media Freedom Act (EMFA) der EU wird sowohl von Medienpolitikern, Landesmedienanstalten als auch von Medienunternehmen stark kritisiert. Nach Auffassung von Heike Raab, Koordinatorin der Rundfunkkommission der Bundesländer, ist Medienregulierung mehr als Binnenmarktregulierung. Die rein wirtschaftliche Betrachtung der Medien und ihrer Akteure greife ihres Erachtens zu kurz: allein durch gute Wettbewerbsbedingungen für den Medienbereich werde Medienvielfalt und Erreichbarkeit für die Nutzer nicht gesichert. Mit dem EMFA sollen der Medienpluralismus und die Unabhängigkeit der Medien in der EU geschützt werden. Der Verordnungsentwurf sieht unter anderem Schutzmaßnahmen gegen politische Einflussnahme auf journalistische Medien vor. Dazu zählt die EU auch die Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Medien, die stabil finanziert werden sollen. Außerdem sind in der geplanten Verordnung Festlegungen zur Transparenz der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich, zur Rolle von staatlicher Werbung in Medien und zur Medienkonzentration enthalten. Der Vorschlag sieht auch ein neues unabhängiges Europäisches Gremium für Mediendienste vor (European Board for Media Services).
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Tom Buhrows Reformgedanken und die ARD-Wirklichkeit
04.11.2022. Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net
Der Begriff „gespaltene Persönlichkeit“ steht laut Wikipedia für Schizophrenie oder eine Dissoziative Identitätsstörung. Beides kann man guten Gewissens Tom Buhrow nicht nachsagen. Doch wie kann ein amtierender ARD-Vorsitzender und Intendant der größten ARD-Anstalt öffentlich als Privatperson über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reden, ohne, dass seine Überlegungen mit seiner Kompetenz und seinem Wissen als einer der wichtigsten Manager dieses Systems, assoziiert werden. Zurecht hat Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, gegenüber dem „Spiegel“ gesagt, es spiele für ihn keine Rolle, in welcher Eigenschaft Buhrow in Hamburg geredet habe. Seinen Gastbeitrag vom 23. März 2021, der in der FAZ unter dem Titel: „Wo die ARD im Jahr 2030 steht“ erschienen ist, hatte er wenigstens noch als WDR-Intendant verfasst. Anscheinend können nun 20 Monate später nicht einmal mehr die Mitarbeiter in seinem eigenen Haus seinen Gedanken folgen. Die Überlegungen des ARD-Vorsitzenden und WDR-Intendanten sind selbstverständlich der Diskussion und auch der konkreten Umsetzung wert. Doch sie wären noch wertvoller, wenn sie einer Erklärung aller ARD-Intendanten entstammen würden.
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Private Sender erwarten durch Flexibilisierung und Hyperlokalisierung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk erheblichen Wettbewerbsdruck
03.11.2022. Interview mit Claus Grewenig, Vorstandvorsitzender, Vaunet - Verband Privater Medien
Nach Auffassung des Vaunet, des Verbands Privater Medien, muss die Medienpolitik eine Aufwertung erfahren, um der wirtschaftlichen und der konstitutiven Bedeutung der privaten Medien für Demokratie und Meinungsvielfalt Rechnung zu tragen. „Medienpolitik gehört auf die große Bühne, sie ist mehr als eine bloße Fachdisziplin. Wir brauchen einen orchestrierten Dreiklang von Gesellschafts-, Wirtschafts- und Digitalpolitik mit Kohärenz auf allen Regulierungsebenen – Länder, Bund und Europa“, sagt der Vorstandsvorsitzende Claus Grewenig in einem medienpolitik.net-Gespräch. Konkret bedeute das eine bessere Abstimmung in diesen Themen. Als Fazit aus den Skandalen bei der ARD schlussfolgert Grewenig, dass ein wohlüberlegter Neustart im dualen System nötig sei, weil sich Änderungen in einer Säule des dualen Mediensystems immer auch in der anderen Säule auswirken. Als nachteilig für die private Seite bewertet er den Ausbau der Audioaktivitäten angeht durch die Flexibilisierung des Auftrags, ebenso, wie die Tendenz der Hyperlokalisierung, das heißt die Besetzung durch lokaljournalistische Berichterstattung oder sonstige lokale Präsenz, z.B. auf Städte-, Gemeinde- oder Stadtteil-Ebene. Hierfür gäbe es keinen Auftrag für die landesweit konzipierten ARD-Anstalten.
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