Zukunft des UHF-Bandes: die Lösung liegt in der europäischen Harmonisierung

von am 17.11.2022 in Aktuelle Top Themen, Archiv, Digitale Medien, Infrastruktur, Kreativwirtschaft, Medienordnung, Medienpolitik, Medienwirtschaft, Technik

Zukunft des UHF-Bandes: die Lösung liegt in der europäischen Harmonisierung
Michael Moskob, Leiter Regulierung & Unternehmenskommunikation, Media Broadcast GmbH

Wie viel zusätzliches Spektrum benötigen DVB-T2, 5G-Broadcast und moderne Funkmikrofone?

17.11.2022. Von Michael Moskob, Leiter Regulierung & Unternehmenskommunikation, Media Broadcast GmbH

Die Zukunft des terrestrischen Rundfunks und des Kulturbetriebs wird Ende 2023 international auf der Weltfunkkonferenz (WRC-23) verhandelt. Die Entscheidungsfindung zur Frage, wie das heutige Rundfunk- und Kulturspektrum im Bereich von 470-694 MHz künftig genutzt werden soll, befindet sich auf nationaler und europäischer Ebene aber bereits jetzt in der entscheidenden Phase. Frequenzbedarf melden neben dem terrestrischen Fernsehrundfunk DVB-T2 und dem Kulturbetrieb mit seinen drahtlosen Produktionsmitteln auch der kommerzielle Mobilfunk, Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) sowie das Militär an. Angesichts dessen hat die Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen am 10. November 2022 eine Online-Konferenz mit dem Titel „Zukunft und Innovation für Rundfunk und Kultur – Wie viel zusätzliches Spektrum brauchen DVB-T2, 5G-Broadcast und moderne Funkmikrofone?“ veranstaltet. Das Fazit lautet: eine Lösung kann nur konsensual im Rahmen einer europäischen Harmonisierung gefunden werden – ohne Eile und unter behutsamer Abwägung aller berechtigten Interessen.

Was sind die weiteren Erkenntnisse der Konferenz?

Die Nutzung des unteren UHF-Frequenzbandes von 470-694 MHz ist mit der symbiotischen und störungsfreien Nutzung durch Rundfunk, Kultur, Wissenschaft und Militär eine jahrzehntelange und einmalige Erfolgsgeschichte. Für die Kultur- und Kreativwirtschaft beruht der wesentliche Wert dieses Spektrums auf der weltweiten Verfügbarkeit, wie Frau Prof. María Dolores Pérez Guirao von der Ostfalia Hochschule erklärte. Durch eine sogenannte ko-primäre Zuweisung der UHF-Frequenzen z.B. auch an Blaulichtdienste BOS oder den Mobilfunk entstünde die Gefahr, dass inkompatible nationale Insel-Lösungen entstehen. Dann wäre die grenzüberschreitende Mobilität von Künstlern und Produktionsteams gefährdet.

Marco Völzke, selbständiger Frequenzmanager, betonte, dass bereits heute für große kulturelle Events ein Frequenzmangel bestehe, infolgedessen Veranstaltungen nicht mehr wie geplant stattfinden können. Der Kulturbetrieb hat also tatsächlich einen Bedarf an mehr Frequenzen als heute zur Verfügung stehen.

„Die Terrestrik spielt für die mediale Teilhabe eine besondere Rolle. Medien und Kultur müssen Alle erreichen. Daher sollte die Entscheidung über die künftige Nutzung des UHF-TV-Bandes nicht voreilig getroffen werden, sondern unter behutsamer Abwägung aller berechtigten Interessen.“, erklärte Staatssekretärin Heike Raab, Koordinatorin der Rundfunkkommission der Bundesländer. Ergänzt wurde dies durch die Botschaft des digitalpolitischen Sprechers von Bündnis 90/Die Grünen, MdB Maik Außendorf, an die Konferenz: „Wir wollen das UHF-Band dauerhaft für Kultur und Rundfunk sichern. Zu dieser Aussage aus dem Koalitionsvertrag stehen wir. Wir sehen uns aber auch verpflichtet, berechtigte Interessen anderer Nutzer nicht einfach zu ignorieren. Es ist die Aufgabe der Bundesnetzagentur, hier für einen fairen Ausgleich zu sorgen, und zwar nicht gegen, sondern im Sinne der im Koalitionsvertrag festgelegten Vereinbarung.“

„Deutschland ist keine Insel und Frequenznutzungen machen an Landesgrenzen nicht halt.“

Aus unterschiedlichen Perspektiven auch aus anderen europäischen Ländern wurde der besondere gesellschaftliche Wert des Rundfunks deutlich. DVB-T2 ist Hauptverbreitungsweg für Fernsehen in vielen Ländern Europas, die DVB-T2 nicht abschalten werden und sich daher klar für ein frequenzpolitisches „no change“ ausgesprochen haben. Antennenfernsehen ist eine sichere Quelle von Qualitätsinhalten und damit ein wichtiger Beitrag zur Demokratiesicherung. Darüber hinaus ist es umweltfreundlich und eine kritische Infrastruktur mit hoher Resilienz in Krisensituationen. Ohne das bisherige Spektrum würde es terrestrischen Rundfunk nicht mehr geben.

Mit 5G Broadcast hat die Rundfunkterrestrik ein großes Innovationspotential. Dies erläuterte Uwe Baeder, Director International Relations, ITU/UN von Rohde & Schwarz, einem der Treiber dieser Technologie. Die 5G Broadcast-Entwicklung erfolgt weltweit und bietet die Chance auf einen mobilen Free-To-Air-Empfang von Fernsehen – mit einer Warnfunktion in Krisensituationen. Daher ist der Schutz der Frequenzbasis erforderlich, um Investitionssicherheit zu geben.

Eine voreilige Befürwortung einer ko-primären Zuweisung der UHF-Frequenzen an BOS oder andere würde die Rundfunkterrestrik und den Kulturbetrieb unwiderruflich beschädigen – eine Nutzung durch BOS oder andere wäre aber wegen der Abhängigkeit vom Ausland völlig ungewiss, betonte Jochen Mezger, Leiter ARD-Kompetenzzentrum internationales Frequenzmanagement. Rundfunk und Kultur in Deutschland fordern mit Blick auf die Weltfunkkonferenz 2023 – wie bereits andere europäische Staaten – den Erhalt ihrer heute genutzten Frequenzen auch über 2030 hinaus. Staatssekretärin Raab bekräftigte angesichts der offenen Fragen und des drohenden Schadens für den Rundfunk durch eine ko-primäre Zuweisung des UHF-Bandes an andere Funkdienste ausdrücklich das „no change an dieser Stelle“. 

Die Konferenz hat deutlich gemacht, dass eine Lösung auch ohne eine Beschneidung des UHF-Bandes im Konsens möglich sein kann. In anderen Ländern finden insbesondere BOS, Rundfunk und Kultur einvernehmliche Lösungen ohne Umwidmung von Rundfunk- und Kulturfrequenzen. Ermutigend ist insofern die ausdrücklich bekräftigte Gesprächsbereitschaft auch in Deutschland seitens der Rundfunk- und Kulturbranche als auch BOS. Der Präsident der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, Andreas Gegenfurtner, sandte der Konferenz das Signal „kein Gegeneinander, sondern Miteinander“.

Deutschland ist keine Insel und Frequenznutzungen machen an Landesgrenzen nicht halt. Nationale Alleingänge funktionieren daher nicht. Daher ist eine voreilige nationale Entscheidung für eine ko-primäre Frequenznutzung als vermeintlich flexible Lösung verfehlt. Alle Konferenzteilnehmer waren sich daher einig: Eine Lösung kann nur im Rahmen einer europäischen Harmonisierung gefunden werden. Dabei sollten auch die Bedarfe der Blaulichtorganisationen BOS europaweit abgestimmt werden.

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