„Das können auch harte Schnitte sein“

von am 05.01.2023 in Aktuelle Top Themen, Archiv, Dualer Rundfunk, EU-Politik, Medienordnung, Medienpolitik, Medienregulierung, Medienwirtschaft, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

„Das können auch harte Schnitte sein“
Dr. Severin Fischer, Chef der Senatskanzlei Berlins und Dr. Benjamin Grimm, Medienstaatssekretär Brandenburgs

Berlin und Brandenburg sprechen sich für „Stabilisierung des Rundfunkbeitrages“ aus

05.01.2023. Fragen an Dr. Severin Fischer (SPD), Chef der Senatskanzlei Berlins und Dr. Benjamin Grimm (SPD), Medienstaatssekretär Brandenburgs

Für den Berliner Chef der Senatskanzlei, Severin Fischer, ist eines der wichtigsten medienpolitischen Ziele, „die Stabilisierung des Rundfunkbeitrags, um ihn möglichst langfristig über 2025 hinaus etwa auf dem derzeitigen Niveau zu halten“. Ziel der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks soll es sein, das duale System insgesamt zu stärken. Berlin und Brandenburg würden bei der Novellierung des rbb-Staatsvertrages „alle in der breiten Öffentlichkeit diskutierten Aspekte in ihre weiteren Überlegungen einbeziehen“. Benjamin Grimm, Medienstaatssekretär Brandenburgs, hält eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum jetzigen Stand „für nicht vermittelbar“. In diesem Zusammenhang erinnert er an die Forderung der Ländergemeinschaft nach finanzwirksamen Selbstverpflichtungserklärungen der Rundfunkanstalten. Insbesondere die angekündigte demografiebedingte Fluktuation im Personalbereich eröffne die Chance, so Grimm, durch Veränderungen in den Strukturen Kosten zu reduzieren. Reformen müssten zu deutlichen Verbesserungen im gesamten öffentlich-rechtlichen System führen. Das könnten auch „harte Schnitte“ sein. Sonst verliere der öffentlich-rechtliche Rundfunk Akzeptanz und Relevanz, sagt der Brandenburger Medienstaatssekretär.

Dr. Severin Fischer, Chef der Senatskanzlei Berlins

medienpolitik.net: Herr Fischer, welches sind die medienpolitischen Schwerpunkte für 2023 aus Ihrer Sicht?

Fischer: Der Berliner Senat wird sich auch 2023 die Stärkung des Medienstandorts zum Ziel setzen. Dazu zählt vor allem, die Bedingungen für die Filmbranche in Berlin weiter zu verbessern. Denn jeder Film, der hier entsteht, ist Werbung für unsere Stadt. Wir haben den Berliner Anteil an der Förderung des Medienboards Berlin-Brandenburg im Haushalt erhöht – in 2023 auf 17,9 Mio. Euro. Wir greifen auch den Wunsch aus der Branche nach einer Vereinfachung beim Thema Drehgenehmigungen auf. Unser Ziel ist es, eine zentrale Anlaufstelle für Drehgenehmigungen zu errichten. Mindestens genauso wichtig ist das Thema Fachkräftemangel. Hier werden wir gemeinsam mit den Medienunternehmen der Stadt insbesondere das Thema Ausbildung in den Blick nehmen. Als Vorsitzland der Filmkoordinierung werden wir uns auch in die Debatten auf Bundesebene einbringen. Berlinale und Europäischer Filmpreis sind und bleiben 2023 wichtige Termine. Berlin ist aber auch Festivalmetropole mit einer Vielzahl von kleinen und mittelgroßen Filmfestivals, die wir weiter unterstützen wollen – genauso wie die einzigartige Kinolandschaft der Stadt.

Wir werden auch im Bereich Games noch stärker sichtbar sein und haben auch hier eine Erhöhung der Regionalförderung erreichen können. Gamesprojekte in der Hauptstadtregion werden ab 2023 mit einer eigenen Richtlinie gefördert. Damit besteht ein direktes Äquivalent zur Bundesförderung für Games auf Länderebene. Wir wollen den Games-Standort Berlin auf das „nächste Level“ heben.

„Eines der wichtigsten Ziele ist die Stabilisierung des Rundfunkbeitrags, um ihn möglichst langfristig über 2025 hinaus etwa auf dem derzeitigen Niveau zu halten.“ (Severin Fischer)

medienpolitik.net: Wie soll es mit der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunk weitergehen?

Fischer: Die Rundfunkkommission der Länder will den Reformprozess bei den Öffentlich-Rechtlichen rasch fortsetzen und wird sich im Januar dazu intensiv austauschen. Auch wenn einiges an Anpassungen im bestehenden System möglich ist, besteht trotzdem weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Inhaltlich wird es besonders darum gehen, dass alle Anstalten ihre Compliance-Regeln überprüfen und ihre Kontrollsysteme verbessern. Die ARD hat in ihrem Ende November 2022 vorgelegten Reformvorschlägen angekündigt, im programmlichen Bereich stärker zusammenzuarbeiten und Konzepte für Pool-Lösungen zu erarbeiten. Eines der wichtigsten Ziele ist die Stabilisierung des Rundfunkbeitrags, um ihn möglichst langfristig über 2025 hinaus etwa auf dem derzeitigen Niveau zu halten. Ziel der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sollte es sein, das duale System insgesamt zu stärken. Das umfasst insbesondere dessen publizistische Qualität. Parallel werden Berlin und Brandenburg bei ihrer laufenden Novellierung des rbb-Staatsvertrages alle in der breiten Öffentlichkeit diskutierten Aspekte in ihre weiteren Überlegungen einbeziehen. Wir werden uns dafür einsetzen, die Lehren aus den Ereignissen des Jahres 2022 im rbb zu ziehen, den rbb zu einem modernen und transparenten Sender weiterzuentwickeln, der auch künftig alle Generationen auf den verschiedenen Verbreitungswegen mit einem attraktiven Angebot aus der Hauptstadtregion erreicht.      

Dr. Benjamin Grimm, Medienstaatssekretär Brandenburgs

medienpolitik.net: Herr Grimm, welches sind die medienpolitischen Schwerpunkte für 2023 aus Ihrer Sicht?

Grimm: Medienpolitische Fragestellungen werden uns 2023 auf den unterschiedlichsten Ebenen begegnen. Nach der beim rbb im Laufe des vergangenen Jahres zu Tage getretenen Misswirtschaft werden wir in diesem Jahr entschieden Konsequenzen ziehen. Aktuell laufen hier noch die Untersuchungen der Rechnungshöfe. Die Probleme, die nach und nach öffentlich geworden sind, haben das öffentlich-rechtliche Mediensystem insgesamt schon schwer beschädigt. Alle Beteiligten müssen sie mit größter Ernsthaftigkeit angehen – und das sollte zu deutlichen Verbesserungen im gesamten öffentlich-rechtlichen System führen. Das können auch harte Schnitte sein. Sonst verliert der öffentlich-rechtliche Rundfunk Akzeptanz und Relevanz.

Auch in der bundesweiten Debatte steht einiges an: Die Rundfunkkommission der Länder hat sich im Dezember 2022 auf neue Regelungen in den Bereichen Compliance, Transparenz und Gremienaufsicht im länderübergreifenden Medienstaatsvertrag verständigt. Die Regelungsentwürfe können noch bis Ende Januar 2023 kommentiert werden. Die Vorgaben sollen gleichermaßen für die ARD, das ZDF und Deutschlandradio gelten. Wir schaffen damit einheitliche Standards für alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Stärkung der Transparenz und Kontrollmechanismen. Die Rundfunkkommission wird in diesem Jahr außerdem über weitere Reformschritte beraten und entscheiden. Gemeinsam mit Berlin werden wir die Novellierung des Staatsvertrages zu unserer gemeinsamen Medienanstalt mabb weiter vorantreiben, um sie möglichst zeitnah abschließen zu können. Ein wichtiges Ziel ist die finanzielle Stärkung der mabb, damit sie ihren zahlreichen Aufgaben auch in Zukunft nachkommen kann. Insbesondere die Überwachung journalistischer Sorgfaltspflichten und die Regulierung von Intermediären binden viele Kapazitäten.

Auch auf europarechtlicher Ebene werfen zahlreiche Regulierungsvorhaben ihre Schatten voraus. Eine besondere Stellung nimmt der European Media Freedom Act – kurz: EMFA – ein. Die dahinterstehenden Anliegen der EU begrüße ich. Denn natürlich ist es besorgniserregend, wenn der Rechtsstaatlichkeitsbericht der EU-Kommission in mehr als 20 Mitgliedstaaten mangelhafte Verhältnisse feststellt. Beim EMFA greift die rein marktbezogene Betrachtung der Medien – wie sie die Kommission vornimmt – zu kurz. Vielmehr sind Aspekte der Meinungsfreiheit und -vielfalt betroffen, für die die Mitgliedstaaten zuständig sind. Die Rundfunkkommission ist mit der Europäischen Kommission im Austausch, immer mit dem Ziel, das gut funktionierende Mediensystem in Deutschland zu erhalten und nicht zu gefährden.

„Ich persönlich halte eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum jetzigen Stand jedenfalls für nicht vermittelbar.“ (Benjamin Grimm)

medienpolitik.net: Wie soll es mit der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunk weitergehen?

Grimm: Mit dem Dritten Medienänderungsstaatsvertrag setzen die Länder die erste Phase der Reformen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk um. Aktuell laufen die Ratifikationsverfahren in den Landesparlamenten. Wir schärfen das Profil öffentlich-rechtlicher Angebote und stärken die Gremien im Bereich der Finanzkontrolle sowie des Qualitätsmanagements. Gleichzeitig ermöglichen wir den Rundfunkanstalten über die Flexibilisierung des Auftrags die Transformation ins Digitale. Wichtig auch: Die Beitragszahlenden werden künftig mehr mitbestimmen können. Wir verpflichten die Anstalten zu einem regelmäßigen Dialog mit ihnen insbesondere über Inhalt, Qualität, Leistung und Fortentwicklung des öffentlich-rechtlichen Angebots. Die Reformen des Dritten Medienänderungsstaatsvertrags gehen in die richtige Richtung, gerade auch mit Blick auf das, was beim rbb offensichtlich völlig falsch gelaufen ist – unabhängig davon, ob justiziabel oder nicht. In der zweiten Phase der Reformen widmen wir uns weiteren grundlegenden Fragen. Auftakt bildet eine Klausur der Rundfunkkommission im Januar 2023. Hier geht es dann auch um Aspekte der Beitragsstabilität und -akzeptanz.

Die Länder können nur den gesetzlichen Rahmen zum öffentlich-rechtlichen Auftrag vorgeben. Die konkrete Umsetzung bleibt Sache der Sender. Dabei haben sie Spielräume. Und diese müssen sie nutzen, um ihren Beitrag zur Akzeptanzsicherung zu leisten. Dazu gehören Reformen und Kooperationen in Verwaltung und im Programm, die auch kurzfristige Kosteneinsparungen zur Folge haben. Ich persönlich halte eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum jetzigen Stand jedenfalls für nicht vermittelbar. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Forderung der Ländergemeinschaft nach finanzwirksamen Selbstverpflichtungserklärungen der Rundfunkanstalten. Insbesondere die angekündigte demografiebedingte Fluktuation im Personalbereich eröffnet die Chance, durch Veränderungen in den Strukturen Kosten zu reduzieren. 

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