„Der EMFA kann eine echte Chance für Medienpolitik in Europa werden“

Die europäische Medienpolitik, der Jugendmedienschutz, die Umsetzung des Medienstaatsvertrages sowie die Filmförderung gehören für die Technologie-orientierten Verbände zu den Schwerpunkten für 2023
26.01.2023. Fragen an Katrin Heyeckhaus, Head of Media Policy, Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) und Lina Wöstmann, Referentin Medienpolitik & Plattformen, beim Bitkom
Der EMFA könnte eine echte Chance für Medienpolitik in Europa werden und den notwendigen Grad an Harmonisierung schaffen, den es zur Stärkung des europäischen Binnenmarkts in seinem diesjährigen Jubiläumsjahr bedarf, sagt Katrin Heyeckhaus vom ZVEI. Medienregulierung sei mit der Neueinführung von Regelungen für Benutzeroberflächen im Medienstaatsvertrag in Deutschland auch zu Produktregulierung geworden. Hier bedarf es europaweit einheitlich geltender Rahmenbedingungen, etwa hinsichtlich der Umsetzung von Public-Value-Anforderungen, die sicherstellen, dass Produkte nach wie vor auf dem gesamten Binnenmarkt vertrieben werden können. Im Gegensatz zu den Ländern, den Verbänden der Presse und der TV-Sender, sagt Heyeckhaus, greife ein solcher europäischer Rahmen nicht unzulässig in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten ein. Für Lina Wöstmann vom Bitkom hat die europäische Gesetzgebung zu Recht einen hohen Einfluss, da es in dem meisten Fällen grenzüberschreitende Phänomene gehe. Daher unterstütze der Bitkom grundsätzlich das Ansinnen der EU, hier einen harmonisierten Ansatz zu finden. Das gelte insbesondere angesichts des wichtigen Anliegens, Themen wie Medien- und Wirtschaftsfreiheit ins ganz Europa hochzuhalten.
Katrin Heyeckhaus, Head of Media Policy, Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI)
medienpolitik.net: Mit welchen medienpolitischen Themen wird sich Ihr Verband 2023 vor allem beschäftigen?
Heyeckhaus: 2023 ist für die Mitglieder des ZVEI gleichzeitig eine Bewährungsprobe novellierter Medienregulierung und ein Jahr, in dem entscheidende Impulse für die Zukunft gegeben werden können. Zum einen befindet sich die Umsetzung der Vorgaben des Medienstaatsvertrags in vollem Gang. Das hat für die Unternehmen große Bedeutung bei der Gestaltung von Benutzeroberflächen. Zum anderen gilt es, 2023 die Novelle des Jugendmedienschutzes auf den Weg zu bringen und auf Basis des Vorschlags der Länder den Grundstein für einen zukunftsfähigen Jugendmedienschutz zu legen. Auf europäischer Ebene stehen ebenfalls wichtige Weichenstellungen an: Bei der Debatte um den European Media Freedom Act wird es darum gehen, die Medienpolitik im EU-Binnenmarkt zu harmonisieren.
Die Umsetzung der Public-Value-Anforderungen auf den Benutzeroberflächen von Smart-TVs ist eine Bewährungsprobe für die neuen Regelungen hierzu im aus dem Medienstaatsvertrag an. Sie sollen für mehr Medienvielfalt und ein besseres Informationsangebot sorgen. Der Medienstaatsvertrag ist bereits Ende 2020 in Kraft getreten, viele der zentralen Vorgaben gegenüber Plattformanbietern wurden jedoch erst durch Satzungen der Landesmedienanstalten konkretisiert. So etwa in der Public-Value-Satzung, die Details zu Fragen der leichten Auffindbarkeit bestimmter Inhalte festlegt. Das einjährige Verfahren der Landesmedienanstalten zur Bestimmung der Public-Value-Angebote wurde Ende September 2022 mit der Bekanntgabe der Liste der Medienanstalten beendet. Über 300 privaten Fernseh-, Radio- und Telemedienanbietern wurde der Public-Value-Status für die kommenden drei Jahre verliehen. Jetzt müssen diese Gestaltungsentscheidungen technisch auf den Plattformen integriert werden. Wichtig ist, das Ausschreibungsverfahren und sein Ergebnis kritisch auf seinen Effekt auf die Medienvielfalt, die erwünschte Verhaltensänderung beim Medienkonsum und seine Sinnhaftigkeit aufgrund der schieren Masse an Begünstigten zu evaluieren – bevor die nächste Runde zur Vergabe des Public-Value-Status im September 2025 in Gang gesetzt wird.
Wir erwarten, dass die Diskussion um die Novelle des Jugendmedienschutzes, die nach der Veröffentlichung des Vorschlags der Länder im Mai vergangenen Jahres in den Hintergrund getreten ist, jetzt wieder aufgenommen wird. Mit ihrem Vorschlag hatten die Länder einen Systemwechsel im Jugendmedienschutz eingebracht. Abweichend von dem bisherigen inhaltezentrierten Jugendmedienschutz, bei dem die Verantwortung über Jugendmedienschutz dem jeweils für den Inhalt Verantwortlichen obliegt, sieht der Entwurf vor, dass Anbieter von Betriebssystemen als technische Mittler einbezogen werden sollen. Betriebssysteme von Smart-TVs oder von Smartphones wären somit gleichermaßen erfasst. Bei der weiteren Debatte um die Novelle des Jugendmedienschutzes kommt es nun darauf an, die konkreten Gefährdungslagen für Kinder und Jugendliche im Auge zu behalten, um eine verhältnismäßige Regulierung und ein höheres Schutzniveau zu erreichen. Der ZVEI setzt sich weiter dafür ein, dass praxisnahe Lösungen gefunden werden, die einen echten Mehrwert für die Nutzenden schaffen.
„Eine weitere Koordinierung der Aufsicht auf europäischer Ebene ist zur Erreichung einer harmonisierten Durchsetzung sinnvoll, solange sichergestellt wird, dass diese frei von politischer Einflussnahme ist.“
Ebenso wichtig wie die Grundsatzentscheidung, die beim Jugendmedienschutz getroffen wird, ist der Einfluss, den der Vorschlag für den European Media Freedom Act (EMFA) auf die europäische Mediengesetzgebung nehmen kann. Der EMFA kann eine echte Chance für Medienpolitik in Europa werden. Ein europäischer Rahmen kann den notwendigen Grad an Harmonisierung schaffen, den es zur Stärkung des europäischen Binnenmarkts in seinem diesjährigen Jubiläumsjahr bedarf. Medienregulierung ist mit der Neueinführung von Regelungen für Benutzeroberflächen im Medienstaatsvertrag in Deutschland auch zu Produktregulierung geworden. Hier bedarf es europaweit einheitlich geltender Rahmenbedingungen, etwa hinsichtlich der Umsetzung von Public-Value-Anforderungen, die sicherstellen, dass Produkte nach wie vor auf dem gesamten Binnenmarkt vertrieben werden können. Ein solcher europäischer Rahmen greift auch nicht unzulässig in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten ein. Inhaltliche medienpolitische Fragen, wie etwa die Entscheidung, welche Dienste in dem jeweiligen Mitgliedstaat als Public-Value-Angebote einzuordnen sind, können hiervon getrennt und national entschieden werden. Diesbezüglich reicht dann auch eine Missbrauchskontrolle, die Mitgliedstaaten davon abhält, über die Regulierung leichter Auffindbarkeit von Public-Value-Angeboten in die Informationsfreiheit der EU-Bürgerinnen und -Bürger einzugreifen. Eine staatsferne Aufsicht kann das leisten. Eine weitere Koordinierung der Aufsicht auf europäischer Ebene ist zur Erreichung einer harmonisierten Durchsetzung sinnvoll, solange sichergestellt wird, dass diese frei von politischer Einflussnahme ist.
Darüber hinaus bleiben Klimaschutz und Nachhaltigkeit in unserer Branchedie Megathemen. 2023 tritt die zweite Stufe der Ökodesign-Verordnung für Displays in Kraft. Das bedeutet, dass die Grenzwerte für den Energieverbrauch von TV-Geräten strenger werden. Der Energiebedarf von Fernsehern ist von vielen Faktoren abhängig. Nicht nur technische Merkmale des TV-Geräts wie z. B. Displaydiagonale, Auflösung, Bildschirmtechnologie oder die individuelle Nutzung und der Empfangsweg spielen dabei eine wichtige Rolle, auch der Content hat Einfluss auf den Energiebedarf. An der Erschließung weiterer Einsparpotenziale muss kontinuierlich geforscht und gearbeitet werden. Diese Verantwortung nimmt die Branche bewusst an.
Lina Wöstmann, Referentin Medienpolitik & Plattformen, beim Bitkom
medienpolitik.net: Mit welchen medienpolitischen Themen wird sich Ihr Verband 2023 vor allem beschäftigen?
Wöstmann: Ein wichtiges Thema wird im Jahr 2023 die Novellierung des Filmförderungsgesetz (FFG) sein. Wir sprechen uns hier stark für ein steuerliches Anreizmodell aus. Des Weiteren wird ein überarbeitetet Entwurf des Reformvorschlags des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages erwartet, welches sowohl technisch umsetzbar als auch den markbewährten Lösungen des Jugendschutzes Rechnung tragen muss. Auf europäischer Ebene werden wir insbesondere den legislativen Prozess des European Media Freedom Act als auch die Anwendung des Digital Services Act begleiten.
medienpolitik.net: Welchen Einfluss hat die EU-Gesetzgebung auf die Arbeit Ihres Verbandes und Ihre Mitglieder?
Wöstmann: Die europäische Gesetzgebung hat einen hohen Einfluss, da medienpolitische Fragen zu Recht auf europäischer Ebene diskutiert werden. Dies ist richtig und wichtig, da wir es in dem meisten Fällen mit grenzüberschreitendem Phänomen zu tun haben. Daher unterstützen wir grundsätzlich das Ansinnen der EU, hier einen harmonisierten Ansatz zu finden. Das gilt insbesondere angesichts des wichtigen Anliegens, Themen wie Medien- und Wirtschaftsfreiheit ins ganz Europa hochzuhalten.