„Wir brauchen konkrete Vorschläge“

Bayerischer Medienminister mahnt die Anstalten, Pläne für Strukturreformen zu unterbreiten
04.01.2023. Fragen an Dr. Florian Herrmann, Leiter der Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien Bayerns
Die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört zu den Schwerpunkten Bayerischer Medienpolitik. Gegenüber medienpolitik.net betont Dr. Florian Herrmann, Chef der Bayerischen Staatskanzlei, dass es das Ziel der Länder sei, mithilfe eines Reformkonzepts, den Rundfunkbeitrag stabil zu halten. So sollen die Vorteile und die Vielfalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bewahrt, aber Mehrfachstrukturen zusammengeführt und sichergestellt werden, dass alle Bevölkerungsgruppen ein passendes Angebot finden. Es sei nicht klar, so Herrmann, „wie Parlamente auf die denkbare Empfehlung einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags, und sei es auch nur zum Inflationsausgleich, reagieren würden“. Auf der Agenda der Münchner Staatskanzlei für 2023 stehen zudem Veränderungen am Entwurf des European Media Freedom Acts („EMFA“), die Förderung der lokalen und regionale Radio- und TV-Sender sowie die Verbesserung der Medienkompetenz Jugendlicher. „Wir stehen fest an der Seite der bayerischen (Medien-) Unternehmen und setzen uns weiterhin für den Erhalt der einzigartigen Medienvielfalt in Bayern ein“, sagt der Medienminister.
medienpolitik.net: Herr Herrmann, welches sind die medienpolitischen Schwerpunkte für 2023 aus Ihrer Sicht?
Herrmann: Viele Probleme, die das Jahr 2022 gebracht hat, werden uns auch noch im Jahr 2023 begleiten: Der Krieg in der Ukraine führt zu politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten, die sich auf die Refinanzierbarkeit von Medien auswirken. Andererseits kommt qualitativ hochwertigen Medien eine noch größere Bedeutung zu, um die Bürgerinnen und Bürger vielfältig und frei informieren und den Gegenpol zu Propaganda und Desinformationskampagnen zu setzen.
Die Europäische Kommission strebt an, diese Medienfreiheit und Medienpluralismus durch den Vorschlag eines European Media Freedom Acts („EMFA“) zu schützen. Die kommende schwedische Ratspräsidentschaft plant eine zügige Behandlung in der Ratsarbeitsgruppe und anschließend eine politische Einigung im Mai 2023. Aus deutscher Sicht ist bis dahin noch ein weiter Weg zu gehen: Viele Mitgliedstaaten begrüßen zwar die grundsätzlichen Ziele des EMFA, haben jedoch Prüfvorbehalte hinsichtlich der Rechtsgrundlage erklärt und zahlreiche Änderungsvorschläge unterbreitet. Innerhalb Deutschlands hat die Bundesregierung nunmehr den Ländern die Verhandlungsführung übertragen. Die Länder werden sich deshalb konstruktiv dafür einsetzen, die vorgeschlagenen Regelungen so abzuändern, dass sie tatsächlich der Verbesserung des Binnenmarktes dienen, den Mitgliedstaaten genügend Spielraum lassen und Grundsätze wie die Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden wahren. Gleichzeitig werden sich die Länder mit der Frage befassen, welchen Anpassungsbedarf der Digital Services Act für die deutsche Medienregulierung mit sich bringt und auch das geplante Digitale-Dienste-Gesetz des Bundes begleiten.
Auf europäischer Ebene müssen wir außerdem bis zur Weltfunkkonferenz Ende des Jahres eine Lösung finden, wie man den Bedarf der Sicherheitsdienste nach Frequenzen decken kann. Nicht nur für Fälle von Naturkatastrophen wie im Ahrtal streben diese den Aufbau eines eigenbeherrschten Funknetzes an und würden dabei am liebsten Frequenzen übernehmen, die derzeit für das terrestrische Fernsehen genutzt werden. Diese Frequenzen werden jedoch sowohl hierfür als auch für die Nachfolgetechnologie 5G Broadcast benötigt.
„Den qualitativ hochwertigen Medien kommt eine noch größere Bedeutung zu, um die Bürgerinnen und Bürger vielfältig und frei informieren und den Gegenpol zu Propaganda und Desinformationskampagnen zu setzen.“
Auf Ebene der Länder werden wir mit Nachdruck an einer Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks arbeiten. Ich bin fest überzeugt, dass wir einen beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk brauchen, der vielfältig informiert, diskutiert und einordnet, und gesellschaftlichen Interessen und Strömungen einen breitgefächerten Rahmen gibt. Unser gemeinsames Ziel sollte sein, verloren gegangenes Vertrauen wieder zu gewinnen und die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für das Programm und auch den Rundfunkbeitrag zu steigern. Unser duales Rundfunksystem hat sich aus meiner Sicht über viele Jahre hinweg bewährt. Entscheidend ist, dass es auch weiterhin stark und zukunftsfähig bleibt. Nur so kann es seine hohe Bedeutung für die Demokratie bestmöglich entfalten und zu einer gesellschaftlichen Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger beitragen.
Neben dem öffentlichen Rundfunk sind es v. a. die vielen kleinen und großen privaten Anbieter, die unsere Medienvielfalt gewährleisten. Diese wollen wir auch im Jahr 2023 weiter unterstützen. Mit einer in Deutschland einzigartigen Förderung unterstützt die Bayerische Staatsregierung seit mehreren Jahren erfolgreich insbesondere lokale und regionale Radio- und TV-Sender. Wegen ihrer besonderen Nähe zum Publikum und zu den Themen vor Ort nehmen sie einen wichtigen Platz im Informationsgefüge ein und tragen in besonderem Maße zur demokratischen Willensbildung bei. Leider erschweren gerade auch die aktuelle Krise, die daraus resultierende hohe Inflation, die steigenden Preise und die gesamtwirtschaftliche Lage eine angemessene Refinanzierung und damit die Tätigkeit von Medienanbietern. Das führt zu großen Herausforderungen, die auch das Jahr 2023 prägen werden. Wir lassen auch in dieser Krise niemanden allein, stehen fest an der Seite der bayerischen (Medien-) Unternehmen und setzen uns weiterhin für den Erhalt der einzigartigen Medienvielfalt in Bayern ein.
In Krisenzeiten haben Fake News und Desinformation besonderen Aufwind – sie werden uns auch im Jahr 2023 herausfordern. Sie fallen leider bei vielen Menschen auf fruchtbaren Boden und gefährden unsere Demokratie. Wir werden dieser Entwicklung weiterhin entschieden entgegentreten. Der Bereich der Medienkompetenz ist uns dabei besonders wichtig, denn wir wollen v. a. junge Menschen befähigen, selbst kritisch zu hinterfragen und sicher zu werden im Umgang mit Medien. Innerhalb der Bayerischen Staatsregierung gibt es zahlreiche Initiativen, die sich an verschiedene Gruppen und Altersklassen richten, und wir investieren jährlich mehrere Millionen Euro – sicher auch im Jahr 2023 wieder.
„Die Anstalten wurden von den Ländern aufgefordert, Reformvorschläge zu unterbreiten, die aber bislang hinter den Erwartungen zurückbleiben.“
Besonders hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auf die von der Bayerischen Staatskanzlei geförderte Stiftung Medienpädagogik Bayern. Sie entwickelt aktuell Materialien, die sich speziell mit dem Thema der Krisenberichterstattung beschäftigen. Wir sind also gut aufgestellt und können den Herausforderungen im Jahr 2023 aus meiner Sicht mutig entgegenblicken.
medienpolitik.net: Wie soll es mit der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weitergehen?
Herrmann: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht – unter anderem wegen der bekanntgewordenen Defizite einzelner Anstalten – unter einem hohen Reformdruck. Kontrollversagen, fehlende finanzielle Sensibilität und Vorwürfe unausgewogener Berichterstattung treffen auf eine zunehmend kritischere Bevölkerung. Trotz hoher Quoten finden nicht alle Bevölkerungsgruppen Angebote, die sie ansprechen. Dies hat zur Folge, dass nicht klar ist, wie Parlamente auf die denkbare Empfehlung einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags, und sei es auch nur zum Inflationsausgleich, reagieren würden.
Die Länder arbeiten deshalb an einem Reformmodell, das die Vorteile und die Vielfalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bewahrt, aber Mehrfachstrukturen zusammenführt und sicherstellt, dass alle Bevölkerungsgruppen ein passendes Angebot finden. Dabei ist unser Ziel, den Rundfunkbeitrag jedenfalls stabil zu halten.
Die Anstalten wurden von den Ländern aufgefordert, Reformvorschläge zu unterbreiten, die aber bislang hinter den Erwartungen zurückbleiben. Wir brauchen konkrete Vorschläge, welche Strukturen verzichtbar sein könnten.