„Die Rundfunkanstalten haben noch diverse ‚Aufträge‘ der KEF abzuarbeiten“

von am 25.05.2023 in Aktuelle Top Themen, Archiv, Gesellschaftspolitik, Medienordnung, Medienpolitik, Medienregulierung, Medienwirtschaft, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

„Die Rundfunkanstalten haben noch diverse ‚Aufträge‘ der KEF abzuarbeiten“
Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei von Schleswig-Holstein und Prof. Dr. Bernd Holznagel, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Bundesländer wollen im Herbst einen Reformstaatsvertrag vorlegen, auch ein Moratorium scheint möglich

25.05.2025. Fragen an Minister Dirk Schrödter (CDU), Chef der Staatskanzlei von Schleswig-Holstein und Prof. Dr. Bernd Holznagel, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Im Reformprozess beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist im Moment etwas Ruhe eingekehrt: Der achtköpfige Zukunftsrat ist beauftragt und die Fragen, die beantwortet werden müssen, sind formuliert. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben am 28. April ihre Anmeldung für einen höheren Rundfunkbeitrag abgegeben. Die KEF rechnet gegenwärtig den notwendigen Aufwand gegen Einsparmöglichkeiten und die Mittel aus der Sonderrücklage III. In der Rundfunkkommission sind mehrere Arbeitsgruppen gebildet worden, die einen Entwurf für den nächsten Reformstaatsvertrag erarbeiten. Im Herbst wird es mit der scheinbaren Ruhe vorbei sein: Die Ergebnisse des Zukunftsrates sollen bei den Reformplänen Berücksichtigung finden und in den nächsten Änderungsstaatsvertrag einfließen und die KEF wird wissen, ob es eine Anhebung des Rundfunkbeitrages geben muss, damit die öffentlich-rechtlichen Anstalten bedarfsgerecht finanziert sind. Möglicherweise reichen aber die 350 Millionen Euro aus der Sonderrücklage, die Sparvorschläge, die die ARD-Intendanten im Juni verabschieden wollen sowie die Einsparmöglichkeiten, die die KEF-Experten ermitteln, aus, um eine Null-Runde für die nächste Beitragsperiode zu ermöglichen oder die Länder beschließen – um Zeit zu gewinnen – ein Moratorium.

Fragen an Minister Dirk Schrödter (CDU), Chef der Staatskanzlei von Schleswig-Holstein:

medienpolitik.net: Der Zukunftsrat soll bis Herbst/Jahresende 2023 seine Ergebnisse vorlegen. Gleichzeitig wird auf der Basis des Beschlusses der Rundfunkkommission vom 20. Januar 2023 am Fünften Medienänderungsstaatsvertrag gearbeitet. Wäre es Ihrer Meinung nach wichtig und auch realistisch, diese Vorschläge im Medienänderungsstaatsvertrag mit zu berücksichtigen?

Schrödter: Der Dritte Medienänderungsstaatsvertrag (3.MÄStV) zur Auftragsreform und Flexibilisierung ist auf der Zielgeraden und wird voraussichtlich zum 1. Juli in Kraft treten. Der 4.MÄStV zur Stärkung von Compliance und Transparenz wurde gerade unterzeichnet. Parallel laufen die Vorarbeiten für weitere Reformen. Diese umfassen unter anderem Themen wie die intensivere Zusammenarbeit der Anstalten, deren Strukturen, das Finanzierungssystem sowie internes wie externes Controlling. Hinzu kommt die Arbeit des Zukunftsrates, der grundsätzlichere Fragen eines zukunftsfähigen, gesamtgesellschaftlich akzeptierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Jahre 2030 – und darüber hinaus – unterbreiten soll. Der Zukunftsrat hat dazu einen klaren Auftrag und arbeitet unabhängig. Wir werden im Herbst die Empfehlungen der unabhängigen Experten erhalten und uns diese dann genau anschauen. In diesem Zusammenhang wird dann zu entscheiden sein, ob es eines 5. und 6 Änderungsstaatsvertrages bedarf oder wir einen größeren Wurf in einem Änderungsstaatsvertrag hinbekommen. Ich wäre für die zweite Alternative, aber wir Länder sind in Staatsvertragsverfahren ziemlich geübt und können die Stränge auch so zusammenführen. Klar ist für mich, dass absehbar weitere Reformen auf Grundlage der Arbeiten des Zukunftsrates und der Arbeiten zu den weiteren genannten Themen geben muss.

medienpolitik.net: Könnte das auch bedeuten, dass die KEF keine Empfehlung für den Beitrag ab 2025 abgibt und der Beitrag für zwei Jahre eingefroren wird, um die Ergebnisse des Zukunftsrats einzurechnen? Wären Sie für eine solche Verschiebung?

Schrödter: Die Entscheidung hierüber trifft aus gutem Grund die unabhängige KEF autonom. Die staatsvertraglichen Regelungen würden die KEF hieran jedenfalls nicht hindern, keine Empfehlung abzugeben. Für ein solches Vorgehen hätte ich durchaus Sympathie. Und auch vom Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag wäre ein solches Vorgehen gedeckt, denn er verlangt lediglich, dass die KEF den Landesregierungen mindestens alle zwei Jahre Bericht erstattet. Und auch rein praktisch sprechen gute Gründe dafür. In der aktuellen Beitragsperiode wurden deutlich höhere Einnahmen erzielt, als seinerzeit von der KEF prognostiziert. Dieses Geld dürfen die Anstalten nicht ausgeben, sondern müssen es in einer Sonderrücklage zurücklegen. Dies haben die Anstalten nach Aufforderung auch zugesichert. Darüber hinaus haben die Rundfunkanstalten noch diverse „Aufträge“ der KEF abzuarbeiten, wie z. B. die seit 2017 laufenden Strukturprojekte, die sich in den kommenden Beitragsperioden bemerkbar machen können. Zudem können die absehbaren Reformen durch den 3. und 4. MÄStV und die weiteren laufenden Vorarbeiten nur dann zeitnah Wirkung auch für die Beitragszahlenden entfalten, wenn sie nicht erst für die übernächste Beitragsperiode Berücksichtigung finden. Dies wären alles gute und vor allem rechtmäßige Gründe, den Zeitpunkt für eine Beitragsanpassung zu verschieben.

„Dies wären alles gute und vor allem rechtmäßige Gründe, den Zeitpunkt für eine Beitragsanpassung zu verschieben.“

Fragen an Prof. Dr. Bernd Holznagel, Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Westfälische Wilhelms-Universität (WWU) Münster:

medienpolitik.net: Die Rundfunkkommission der Länder hat sich zu grundlegenden Strukturreformen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entschlossen. Eine wichtige Rolle spielen Kooperationen und der Abbau von Doppelstrukturen. Wie weit dürfen hier die medienpolitischen Vorgaben gehen?

Holznagel: Dem Rundfunkgesetzgeber steht ein weiter Gestaltungsspielraum zu, sofern er sich bei seiner Ausgestaltung an den Vielfaltszielen der Rundfunkfreiheit orientiert. Als in der Nachkriegszeit die Finanzierungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bescheidener als heute waren, ist z.B. die Gründung eines die Anstalten übergreifenden Rundfunkverbandes erwogen worden. Der Verband sollte für die „Vereinfachung und Wirtschaftlichkeit der Verwaltung seiner Mitglieder sorgen“. Es ging u.a. um eine engere Zusammenarbeit der Anstalten untereinander, die Förderung eines ständigen Programmaustausches und um eine Unterstützung bei der Beschaffung der Technik. Auch sollte der Verband eine Reihe von Gemeinschaftsaufgaben übernehmen, wie den Unterhalt eines Archivs, den Betrieb der technischen Forschung und Entwicklung sowie eine gemeinsame Wahrnehmung der Rechtsangelegenheiten. Im Übrigen gab es schon immer zahlreiche Kooperationen bis hin zu der Fusion von Süddeutscher Rundfunk und Südwestfunk. Die Grenzen einer stärkeren Kooperation und eines Abbaus von Doppelstrukturen liegen nicht im Medienrecht, sondern im Kartellrecht. Der Bundesgesetzgeber müsste einen Befreiungstatbestand für den öffentlichen-rechtlichen Rundfunk im GWB schaffen, um diesen Weg effektiv beschreiten zu können.

medienpolitik.net: Das läuft auch auf weniger Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hinaus. Wie weit ist das durch den Auftrag, den das Bundesverfassungsgericht sogar inhaltlich erweitert hat, gedeckt?

Holznagel: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem jüngsten Beitragsbeschluss vom Juli 2021 betont, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Aufgabe habe, ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Entscheidungsrationalität als der der ökonomischen Anreize folge. Er habe so zur inhaltlicher Vielfalt beizutragen, wie sie allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden könne. In Zeiten von Desinformation und Fake News nehme seine Bedeutung gar zu, ein durch sorgfältig recherchierte Informationen und durch eine klare Trennung von Fakten und Meinungen vielfaltsicherndes und Orientierungshilfe bietendes Angebot bereitzustellen. Ich sehe nicht, dass diese Aufgabenbestimmung den Ausbau von Kooperationen und den Abbau von Doppelstrukturen begrenzt.

„Dies bedeutet nicht, dass z.B. Programmbegrenzungen von vornherein unzulässig wären oder jede Entscheidung der Anstalten finanziell zu honorieren wäre.“

medienpolitik.net: Ist eine Auftragserweiterung ausschließlich qualitativ oder auch quantitativ zu sehen? Rechtfertigt die vom BVerfG betonte besondere Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zusätzliche Angebote wie Podcast oder einen reinen News-Kanal?

Holznagel: Die Entscheidung über die zur Aufgabenerfüllung als nötig angesehenen Inhalte und Formate obliegt den Anstalten. Dies gilt auch für neue Podcasts oder einen neuen News-Kanal. Dies bedeutet aber nicht, dass z.B. Programmbegrenzungen von vornherein unzulässig wären oder jede Entscheidung der Anstalten finanziell zu honorieren wäre. Die Länder definieren die Aufgaben der Anstalten; die KEF hat dafür zu sorgen, dass diese Aufgaben bedarfsgerecht finanziert werden.

medienpolitik.net: Es ist ein Beitragsmoratorium für zwei Jahre im Gespräch, damit die KEF die geplanten Strukturveränderungen bei ihren Berechnungen auch berücksichtigen kann. Die KEF gibt alle vier Jahre einen Vorschlag für den Beitrag in den nächsten vier Jahren ab. Kann das so „einfach“ verschoben werden?

Holznagel: Es gibt einen Zwischenbericht und einen Beitragsbericht. Der Zwischenbericht steht nach zwei Jahren an. Der nächste Bericht ist wieder ein Beitragsbericht, der Anfang 2024 offiziell vorgelegt wird. Dieser Rhythmus kann nicht so einfach verschoben werden, zumal wenn die Anmeldungen der Anstalten bereits eingereicht wurden.

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