Gegen den Mehrheitswillen der Beitragszahler

Bedarfsanmeldung von ARD und ZDF ohne Überraschung
02.05.2023. Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net
Es lief am vergangenen Freitag leider so ab, wie von vielen Beobachtern der Medienszene erwartet: ARD, ZDF und Deutschlandradio meldeten termingerecht am 28. April einen zusätzlichen Finanzbedarf für die Zeit von 2025 bis 2028 an. Die Pressemeldung enthielt keine absoluten Zahlen, sondern nur Prozentangaben. Dass diese von ARD und ZDF nahezu deckungsgleich sind, werden die Sender sicher als Zufall bezeichnen, doch sie belegen die Intransparenz des Vorganges. Es ist also klar, ARD, ZDF und Deutschlandradio wollen mit dem Beitrag der Bürger nicht hinkommen. Zu den 40 Milliarden, die sie bisher innerhalb von vier Jahren erhalten, soll noch eine Milliarde obendrauf kommen, geht man von den Anmeldungen aus. Die Entscheidung über eine notwendige Beitragserhöhung fällt die KEF. Deshalb muss es nicht zu einer Anhebung kommen. Und wenn die KEF diese eine Milliarde nicht für notwendig und vertretbar hält, wird sie auch keine Aufstockung des Beitrages empfehlen. Doch mit diesem Votum haben die Anstalten auch ein Zeugnis ihrer Reformbereitschaft abgelegt und gezeigt, wie wenig ernst es ihnen mit der Bekundung ist, verlorengegangenes Vertrauen wieder zu erlangen. Es gehört schon sehr viel Arroganz dazu, die kritischen Stimmen aus Öffentlichkeit und Politik zu ignorieren.
„Die ARD erfüllt die von der KEF festgelegte Personalabbauquote und wird ihren Personalbestand weiter reduzieren. Seit 1992 haben die ARD Landesrundfunkanstalten inzwischen über 20 Prozent bzw. über 5.000 Stellen im Personal abgebaut. Mit diesem Abbau entlang demographischer Abgänge leistet die ARD einen signifikanten Beitrag, um den ARD Finanzbedarf zu begrenzen“, heißt es in der Pressemeldung. Die KEF fordert von den Anstalten jährlich einen Abbau von 0,5 Prozent. Doch ist das ausreichend, um den Erwartungen der Öffentlichkeit zu genügen? Keiner, der sich ernsthaft mit Medienpolitik befasst, stellt in Abrede, dass ARD und ZDF Personal einsparen. Doch das bisherige Tempo reicht nicht aus, um den aufgeblähten Apparat – auch in Bezug auf die Gehaltsstrukturen – so zu reformieren, dass der vom Bundesverfassungsgericht und den Ländern vorgesehene Auftrag, mit einem geringeren Budget erfüllt werden kann. 23.000 feste Mitarbeiter hat gegenwärtig die ARD, 3.400 das ZDF, dazu kommen tausende weitere freie Journalisten, Techniker, IT-Fachleute usw. Bei RTL Deutschland sind 8.000 feste Mitarbeiter beschäftigt.
Anscheinend muss man es immer wiederholen, dass die Aufgaben, die das Bundesverfassungsgericht für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschreibt, qualitative Leistungen betrifft und keine quantitativen. Zahlreiche Doppelangebote bei ARD und ZDF können also ersatzlos gestrichen werden. Das Bundesverfassungsgericht schreibt auch keine zwei öffentlich-rechtlichen Sendergruppen vor, die ein nahezu gleiches Angebot bereithalten. Wettbewerb nennen das die Intendanten von ARD und ZDF. Geht man von den Absichtserklärungen der ARD der letzten Wochen für Reformen aus, hätte sich der Senderverbund für eine Beitragssenkung aussprechen müssen.
Laut Pressemeldung des ZDF-Fernsehrates vom 10. März hat das ZDF ein Strategiepapier verabschiedet, das man aber nicht veröffentlichen möchte, wie die ZDF-Pressestelle auf Nachfrage mitteilte. Zu den sechs Schwerpunkten gehört das Sparen nicht. Daneben wurde aber auch ein neues Konzept der strategischen Personalplanung verabschiedet, das aufhorchen lässt. Dieses sieht vor, dass die ZDF-Personalstrategie künftig konsequent auf die Erreichung der gemeinsam formulierten Ziele des Strategieprozesses ausgerichtet wird. Hierbei gilt, dass zusätzlicher Personalbedarf grundsätzlich innerhalb der Direktionen erwirtschaftet werde. In allen Direktionen sollen strategische Reformprojekte identifiziert werden. Diese können die Zusammenlegung von Bereichen, die Verlagerung oder den Verzicht von Aufgaben beinhalten. Warum, so muss man fragen, werden wie auch bei der ARD, diese Umstrukturierungen, die möglicherweise mit Einsparungen verbunden sein könnten, nicht bei der Bedarfsanmeldung berücksichtigt? Anscheinend traut man den eigenen Strategien nicht oder es ist nur PR-Getöse.
„Wie lange wollen ARD, ZDF und Deutschlandradio noch gegen die Meinung derer agieren, von denen sie abhängig sind?“
Am gleichen Tag, als das ZDF seinen umfangreichen Brief der KEF übergab, tagte auch der ZDF-Verwaltungsrat. Die Ministerpräsidenten Dr. Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt und Dr. Dietmar Woidke aus Brandenburg, beide gehören dem Verwaltungsrat an – CDU-Mitglied der eine, SPD-Mitglied der andere – gaben ihr Unverständnis über den zusätzlichen Finanzbedarf zu Protokoll: „Herr Dr. Reiner Haseloff und Herr Dr. Dietmar Woidke weisen darauf hin, dass das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk derzeit schwer erschüttert ist und insbesondere die Akzeptanz der Höhe des Rundfunkbeitrags stetig sinkt. Sie sind der Auffassung, dass das ZDF dies bei der Anmeldung ihres Finanzbedarfes für die Jahre 2025 bis 2028 berücksichtigen muss. Deshalb sollte das ZDF im Gesamtergebnis keinen Mehrbedarf anmelden, der zu einer Erhöhung des monatlichen Rundfunkbeitrags führen würde. Die für die Weiterentwicklung des ZDF im Sinne der verfassungsrechtlichen Entwicklungsgarantie notwendige Bedarfe sollten durch Einsparungen an anderer Stelle gegenfinanziert werden. Die Empfehlungen der letzten KEF-Berichte sollten hierbei vollumfänglich berücksichtigt werden.“ Sie halten es zudem für erforderlich, die Ende des Jahres erwarteten Empfehlungen des Zukunftsrates, insbesondere auch zur Stabilisierung der Ausgabenseite, zu berücksichtigen. Zudem weisen sie darauf hin, dass eine Mehrheit in 16 Landesparlamenten für eine Erhöhung des monatlichen Rundfunkbeitrags derzeit nicht erwartet werden kann.
Anlässlich der Bedarfsanmeldung hat auch die Vorsitzende der Rundfunkkommission, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die hohe Erwartungshaltung der Länder zu konsequenten Reformen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk betont. „Die Länder erwarten, dass die Anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Herausforderungen des Reformstaus annehmen und die Möglichkeiten der Flexibilisierung nutzen, um die Angebote digitaler zu machen und gleichzeitig auch wirtschaftlich effizienter zu arbeiten“, so die Ministerpräsidentin. Die Reformschritte müssten für die Bürger und Bürgerinnen spürbar sein und dies sowohl in den Angeboten als auch beim Rundfunkbeitrag.
Ja und, wird sich der eine oder andere Intendant denken, was zählt schon die Meinung mehrerer Ministerpräsidenten und vieler Volksvertreter in den Landtagen, dann gehen wir eben wieder zum Bundesverfassungsgericht. Nur die obersten Verfassungsrichter haben bei ihrem jüngsten Beitragsurteil auch gesagt, dass den Ländern neben der Einstimmigkeit auch andere Optionen offenstehen, um die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten sicher zu stellen. Die Anstalten sollten sich also nicht so sicher sein, das Vabanque-Spiel, wie in der vergangenen Beitragsperiode, wieder zu gewinnen. Sie ignorieren wissentlich Umfragen, nach denen eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung gegen eine weitere Erhöhung ist, nur ein Bruchteil mehr und ein Drittel keinen Beitrag bezahlen möchte. Und sollten die Intendanten auch mit ihren Finanziers reden, wird sich deren Auffassung mit den Umfragen decken. Das aber wird ignoriert. Wie lange wollen ARD, ZDF und Deutschlandradio noch gegen die Meinung derer agieren, von denen sie abhängig sind?