
Fragen an Nathanael Liminski (CDU), Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen sowie Chef der Staatskanzlei
Nordrhein-Westfahlen will sich nach den Worten von Nathanael Liminski, Chef der NRW-Staatskanzlei dafür einsetzen, die Presse besser zu unterstützen. Nordrhein-Westfalen sei offen dafür, über die weitere Reduzierung der Mehrwertsteuer für Presseprodukte zu sprechen, damit die Verlage in den nächsten Jahren weiterhin Luft hätten, um starke Redaktionen und den Vertrieb auch gedruckter Presseerzeugnisse abzusichern. Erst würden den Verlagen die Werbeeinnahmen wegbrechen, dann würden auch noch ihre Inhalte, die zu ihrer wichtigsten Einnahmequelle werden, ohne Vergütung für das Füttern der Chatbots genutzt. Das Thema käme jetzt in der EU auf die Agenda. Die Sorgen der Verlage nehme NRW sehr ernst. Es sei, so Liminski, ein problematisches Signal, wenn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht dagegen vorgingen, dass die Chatbots ohne Vergütung mit ihren Inhalten trainiert würden. Beim Programm von ARD, ZDF und Deutschlandradio gehe es nicht um ein „entweder oder“, sondern es geht um ein „best of“. Gleiches gelte für die Online-Aktivitäten. Dafür brauche es klare Strukturen und inhaltliche Vorgaben, die der Reformstaatsvertrag jetzt vorgebe. Jetzt seien die Sender dran. Wenn sie es nicht schafften, ihren Mehrwert sichtbarer zu machen, würden sie ihren Zuspruch in der Bevölkerung verlieren. Das gelte auch mit Blick auf den Preis.
medienpolitik.net: Wo liegen für Ihre Landesregierung die medienpolitischen Schwerpunkte für 2025?
Liminski: Das Jahr 2024 lehrt uns, dass die großen Überschriften der nordrhein-westfälischen Medienpolitik richtig bleiben: Medienvielfalt sichern. Medienkompetenz fördern, gerade auch im Kampf gegen Desinformation und Radikalisierung im Netz. Gute Rahmenbedingungen sichern für die Entwicklung von Games und die Produktion von Filmen für TV und Kinos. Das vergangene Jahr lehrt uns auch, dass bei diesen Aufgaben keine Verschnaufpause möglich ist.
Stichwort Medienvielfalt: Was bringt eine große Vielfalt klassischer Medien, wenn sich immer mehr Menschen, vor allem junge Leute, in den sozialen Medien informieren, in denen nur selten journalistische Standards angelegt werden? Bei den Wahlen in Ostdeutschland konnte man beobachten, dass die AfD gerade bei jungen Menschen gut abschnitt. Dies zumindest in Teilen sicherlich auch deshalb, weil die AfD auf TikTok sehr präsent ist und es hier mit rechtspopulistischen Posts leicht hat, zu emotionalisieren und damit zu aktivieren.
Die Sozialen Medien sind inzwischen fester Bestandteil der Kommunikationskultur. Vor Verboten oder Altersgrenzen müssen wir individuelle Medienkompetenz fördern und Aufklärungsarbeit leisten. Zudem müssen wir die Plattformen verstärkt in die Pflicht nehmen. Dabei geht es nicht nur um illegale Posts und ihre Identifizierung und Beseitigung auch mithilfe von Künstlicher Intelligenz, wie es die Landesanstalt für Medien NRW vormacht. Wichtig sind insbesondere auch die konsequente Umsetzung und Durchsetzung des Digital Services Act. Wir sehen das Bemühen der Europäischen Kommission, die Plattformen zu verbindlichen Maßnahmen gegen Desinformation zu verpflichten. Mit zunehmender Sorge registrieren wir jedoch das inhaltliche und zeitliche Verzögern des Prozesses durch die beteiligten Unternehmen, die sich bei der Verschärfung des sogenannten „Code of Practice on Disinformation“ der EU immer weiter von ihren ursprünglichen Zusagen entfernen. Vor allem dem Kampf gegen technische Manipulationen der Meinungsbildung im Netz zum Beispiel durch „coordinated inauthentic behaviour“ messen wir größte Bedeutung bei.
Um angesichts solcher Entwicklungen weiterhin ein Gegengewicht aus verlässlichen Informationen zu haben, müssen wir gerade jetzt weiter den klassischen Medien helfen, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, insbesondere aber auch der Presse. 2024 ist die Vertriebsförderung gescheitert, weil die Akteure der inzwischen ebenfalls gescheiterten Ampel-Koalition im Bund sich dieses Vorhaben wie eine heiße Kartoffel hin- und hergeworfen haben. Auf den Teller kam diese Kartoffel nie. Die Herausforderung, dass sich die Presse am Markt immer schwieriger refinanzieren kann, bleibt aber. Nordrhein-Westfalen ist offen dafür, über die weitere Reduzierung der Mehrwertsteuer für Presseprodukte als unbürokratische Unterstützung zu sprechen, damit die Verlage in den nächsten Jahren weiterhin Luft haben, um starke Redaktionen und den Vertrieb auch gedruckter Presseerzeugnisse abzusichern.
„Wieder einmal schwächt sich die Medienbranche selbst. Die einen kämpfen um Vergütung, die anderen nicht. Das untergräbt die Verhandlungsposition gegenüber OpenAI und Co.“
Ein weiteres Großthema an dieser Stelle: Die Anpassung des Urheberrechts an das KI-Zeitalter. Kreative Leistung muss etwas wert sein und bleiben. Erst brechen den Verlagen die Werbeeinnahmen weg. Dann werden auch noch ihre Inhalte, die zu ihrer wichtigsten Einnahmequelle werden, ohne Vergütung genutzt für das Füttern der Chatbots. Das Thema kommt jetzt in der EU auf die Agenda, wenn das gerade erst durchaus mühevoll reformierte EU-Urheberrecht überprüft wird. Die Sorgen unserer Verlage an dieser Stelle nehmen wir sehr ernst. Es ist übrigens ein problematisches Signal, wenn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht dagegen vorgehen, dass die Chatbots ohne Vergütung mit ihren Inhalten trainiert werden. Es mag richtig sein, dass damit ein Beitrag dazu geleistet wird, dass die Produkte der Bots überhaupt brauchbar sind; sie leben bekanntlich von der Qualität der Daten, mit denen sie gefüttert werden. Aber: Wieder einmal schwächt sich die Medienbranche selbst. Die einen kämpfen um Vergütung, die anderen nicht. Das untergräbt die Verhandlungsposition gegenüber OpenAI und Co. Presse und Rundfunk sollten hier an einem Strang ziehen.
Stichwort Medienkompetenz: Sie ist nicht nur wichtig, wenn es darum geht, den Wert von Journalismus zu erkennen und zu schätzen. Sondern auch, um Radikalisierung durch Desinformationskampagnen, polemische Narrative von Populisten oder schlicht unreflektierter Kommunikation in den sozialen Netzwerken vorzubeugen. In einem Aktionsplan gegen Desinformation richten wir den Fokus darauf, was wir hier zusätzlich tun können. Dazu gehört der weitere Ausbau von Angeboten wie dem DigitalcheckNRW, einer Kompetenz- und Wissensplattform, die sich als Ankerprojekt zur Förderung von Medienkompetenz an alle Erwachsenen in Nordrhein-Westfalen richtet und dem NewscheckNRW, der konkret Lehrkräfte in den Blick nimmt, die ihren Schülerinnen und Schülern der Wert von Journalismus näherbringen wollen.
Nach dem furchtbaren Terroranschlag in Solingen hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen ein umfangreiches Sicherheitspaket mit einer starken Säule Prävention geschnürt. Als Medienminister will ich gerade auch in der Medienpolitik die Potenziale ausschöpfen. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass wir zusätzliche Mittel in die Hand nehmen, um Computerspiele zu fördern, die gegen Desinformation und Radikalisierung wirken. Mit dem Spiel „Leons Identität“ gegen Rechtsextremismus haben wir hier bereits gute Erfahrungen gesammelt. Damit lassen sich gerade junge Menschen noch einmal ganz anders erreichen. Diese guten Erfahrungen wollen wir auch in die Entwicklung eines neuen Videospiels, das über die Gefahren der islamistischen Propaganda warnt, stecken. Ein weiteres Vorhaben: Wir wollen Influencer in den sozialen Netzwerken dafür gewinnen, in ihren Communities Flagge zu zeigen gegen Desinformation, Radikalisierung und Extremismus. Es ist in ihrem ureigenen – auch geschäftlichen – Interesse, dass die sozialen Netzwerke nicht zu toxischen Räumen werden.
Stichwort Film- und Gamesförderung: 2024 hat sich das Klima in der Filmproduktion weiter kräftig abgekühlt. Der insbesondere von Netfilx und Co. ausgelöste Boom ist Vergangenheit. Das trifft auch das Filmland Nordrhein-Westfalen. Währenddessen hat die Bundesregierung eine ehrgeizige Reform der Filmförderung erst immer wieder angekündigt, dann verschleppt und schließlich, mit dem Bruch der Ampel, abgesagt. Wir bleiben dran und setzen das Thema wieder auf die Agenda für die Zeit nach dem 23. Februar 2025. Die Branche erwartet hier zu Recht Fortschritte. Die Filmförderung in Deutschland muss international konkurrenzfähig bleiben. In Nordrhein-Westfalen halten wir die Filmförderung deshalb stabil. Trotz sehr schwieriger Rahmenbedingungen in Sachen Haushalt bleiben die Fördermittel des Landes für die Film- und Medienstiftung auf dem gleichen Niveau wie 2024. Im Bereich Games erhöhen wir sie sogar um 500.000 Euro.
Apropos Gamesförderung. Alle Jahre wieder hören wir auf der gamescom in Köln vom Bund die schönsten Versprechungen. Ich bin gespannt, was 2025 nach der Bundestagswahl die Botschaft sein wird. In Nordrhein-Westfalen erhöhen wir nicht nur die Förderung, von immerhin 3,5 Millionen Euro auf 4 Millionen Euro. Zudem arbeiten wir auch an einer neuen Förderleitlinie der Film- und Medienstiftung NRW, damit gute Spieleideen nicht an Bürokratie und falschem Förderdesign scheitern.
„In all den Gesprächen, die wir mit den Anstalten in den letzten Jahren geführt haben, stand immer der Vorwurf im Raum, dass die Politik nicht entscheidet. Jetzt liegt eine klare Marschroute vor. Der Weg muss nur noch beschritten werden.“
medienpolitik.net: Die Länder haben einen sehr umfangreichen Reformkatalog erarbeitet, durch den die KEF Ende der nächsten Beitragsperiode (2025 - 2028) mit ersten Einspareffekten bei den Anstalten rechnet. Welche Erwartungen haben Sie in diesem Zusammenhang an die öffentlich-rechtlichen Sender?
Liminski: Eine Reform ist nichts ohne die Menschen, die sie umsetzen. Von daher habe ich selbstverständlich hohe Erwartungen an die Sender und an ihre Führungskräfte. Diese hohen Erwartungen sollten die Sender aber auch an sich selbst stellen. Denn es geht auch um ihre eigene Zukunft. Wir haben als Ländergemeinschaft nach Monaten sehr intensiver Befassung und Beratung eine sehr grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf den Weg gebracht. Dabei waren wir uns in dem Ziel immer einig: den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für die Zukunft so aufzustellen, dass er seiner Funktion auch zukünftig noch gerecht wird und vor allem dafür anerkannt wird. Mit anderen Worten: Wir wollen einen modernen und starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, bei dem Preis und Leistung stimmen. Mit den jetzigen Reformen wird dafür klar eingefordert, was eigentlich längst überfällig war: eine Bündelung und Modernisierung des Angebots, insbesondere der Spartenangebote und Mediatheken, ein Abbau unnötiger Doppelstrukturen, ein kostenbewussterer Umgang mit dem zur Verfügung stehenden Budget.
Diese Reform erfordert von den Rundfunkanstalten erhebliche strukturelle Veränderungen, aber auch ein Umdenken im programmlichen Bereich. Denn der Nutzer soll in den Vordergrund gestellt werden. Das verlangt mehr Miteinander, statt gegeneinander. Das verlangt auch, sich von alten Strukturen, Denkweisen, ebenso wie Marken zu lösen. Die Anstalten müssen sich auf das Wesentliche konzentrieren. Das, was sie tun, gut machen. Raum für Kreativität und Innovation schaffen. Immer orientiert an einem qualitativen Anspruch. Ich halte es im Hörfunk, aber auch bei den Spartenprogrammen für zwingend, das Angebot neu zu denken, nicht jetzt in den Wettlauf um den Erhalt bestehender Angebote zu treten. Es geht nicht um ein „entweder oder“, sondern es geht um ein „best of“. Gleiches gilt für die Online-Aktivitäten. Dafür braucht es klare Strukturen und inhaltliche Vorgaben, die der Reformstaatsvertrag jetzt vorgibt. Die Politik hat ihre Hausaufgaben gemacht. Jetzt sind die Sender dran. Wenn sie es nicht schaffen, ihren Mehrwert sichtbarer zu machen, werden sie ihren Zuspruch in der Bevölkerung verlieren. Das gilt auch mit Blick auf den Preis.
Der Systemwechsel zum Finanzierungssystem, der jetzt beschlossen ist, soll zügig erfolgen. Dafür nutzen wir die Rücklagen, die im System vorhanden sind, und schaffen es darüber, ab 2027 in einen neuen vierjährigen Rhythmus zu kommen. Es bleibt nicht viel Zeit. Und auch der KEF wird viel abverlangt. Aber es ist eine große Chance für einen echten Umstieg. Vielleicht eine, die nie wieder kommt. Diese Chance ist es daher aus meiner Sicht mehr als wert, ergriffen zu werden. Ich würde mir wünschen, dass die Anstalten ihre Klage überdenken und wieder zur Verantwortungsgemeinschaft zurückkehren, die wir im auslaufenden Jahr gebildet haben. In all den Gesprächen, die wir mit den Anstalten in den letzten Jahren geführt haben, stand immer der Vorwurf im Raum, dass die Politik nicht entscheidet. Jetzt liegt eine klare Marschroute vor. Der Weg muss nur noch beschritten werden.