?Das Jobportal ist praktische Solidarität?

06. April 2022
?Das Jobportal ist praktische Solidarität?

Jobplattform für ukrainische Geflüchtete stößt auf großes Interesse

06.04.2022. Interview mit Dr. Christoph Palmer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Produzentenallianz

Am 31.März ist das Jobportal für ukrainische Geflüchtete new-start.media an den Start gegangen. Zu den Initiatoren der Plattform gehört die Produzentenallianz, in enger Zusammenarbeit mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften der Kultur-, Film- und Medienbranche entstanden. Auf der Portalseite werden Kultur-, Film-, und Medienschaffenden aus der Ukraine offene Stellen auf dem deutschen Arbeitsmarkt mehrsprachig (ukrainisch, deutsch, englisch oder russisch) zusammengestellt. Bereits jetzt verfügt die Branche über knapp 50.000 offene Stellen. Ziel ist durch eine effektive Netzwerk-Arbeit laufend Stellen hinzuzugewinnen und die Plattform langfristig durch Community-Seiten und Sprachkurse auszubauen und weiterzuentwickeln. ?Ganz praktisch Solidarität zu zeigen und in Anerkennung der häufig professionellen Kompetenzen der Ankommenden, wollten wir mit einer Plattform einen Baustein schaffen, der nachhaltig unterstützt?, so Christoph Palmer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Produzentenallianz gegenüber medienpolitik.net.

medienpolitik.net: Herr Palmer, warum hat sich die Produzentenallianz für die Plattform https://jobs.new-start.media engagiert?

Palmer: Die Nachrichten waren seit dem 24.2. dominiert vom Krieg in der Ukraine, und hier im Land konnte man von Beginn an eine große Welle der Solidarität mit den Ukrainerinnen und Ukrainern spüren. Besonders mit denjenigen, die ihr Land verlassen mussten. Als ver.di und der BFFS Anfang März auf uns zugekommen sind, um ein gemeinsames informelles Mediennetzwerk zu schaffen - mit dem Ziel schnell Beschäftigungsmöglichkeiten für Geflüchtete bereit zu stellen, haben wir uns gleich mit auf den Weg gemacht. Recht zügig sind wir dann in den Kontakt mit der Jobnet.AG gekommen, die als Partner zum Netzwerk dazugekommen ist. Ganz praktisch Solidarität zu zeigen und in Anerkennung der häufig professionellen Kompetenzen der Ankommenden, wollten wir mit einer Plattform einen Baustein schaffen, der nachhaltig unterstützt.

medienpolitik.net: Die Plattform entstand in wenigen Wochen. Wie war das möglich?

Palmer: Die Jobnet.AG ist im Bereich Stellenplattformen bereits sehr professionell unterwegs. Besonders hervorgehoben werden muss zu der Kooperation die hohe Motivation des Unternehmens und seiner Leitungsebene, teils weil diese selbst in der Ukraine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, und somit sehr nahe an der Situation und vom Krieg betroffen sind, und zum anderen, weil sie insgesamt mit den technisch bereits vorhandenen Tools auch die Möglichkeit und den Willen hatten, hier rasch und kompetent etwas aufzusetzen. Alle haben an einem Strang gezogen und eigentlich geht die Arbeit jetzt erst los, denn mit der Weiterverbreitung der Job-Plattform in die ukrainische Community, ob diese in Deutschland, Polen oder wo auch immer sie nun sitzt, tauchen viele Fragen auf. Wir sind aber sehr motiviert, und da darf ich sicher für das gesamte Netzwerk sprechen, unseren Beitrag zur Integration der Menschen aus der Ukraine in unsere Jobstrukturen zu leisten.

?Alle haben an einem Strang gezogen und eigentlich geht die Arbeit jetzt erst los.?

medienpolitik.net: Woher stammen die Angebote?

Palmer: Die Stellenanzeigen decken ca. 95 % des Stellenmarkts in den einschlägigen Berufsgruppen ab. Hierbei kommt eine vergleichbare Technologie zur Anwendung, wie sie in Österreich für das AMS Österreich, das Pendant zur Bundesagentur für Arbeit, im Einsatz ist: https://www.jobnet.ag/JobnetAG/Aktuelles/2021/AMS_Oesterreich_launcht_neue_Jobboerse _mit_fast_allen_Stellen_Oesterreichs_mit_Unterstuetzung_der_Jobnet.AG.php

Es werden also die relevanten Stellen intelligent referenziert, die bereits im Markt existieren, ohne für die Arbeitgeber mehrfachen Eingabeaufwand zu erzeugen. Alle Stellenanzeigen werden bei Aufruf im Original von der Originalseite angezeigt; die jeweilige Stellenquelle ist dabei immer klar sichtbar ausgewiesen. Für ein möglichst gutes Matching und zur Unterstützung weiterer Förderangebote erfolgt die Verschlagwortung mit künstlicher Intelligenz in die offizielle Berufesystematik KldB 2010 der Bundesagentur für Arbeit. Zusätzlich können Arbeitgeber natürlich auch manuell Stellenanzeigen in der gleichen Systematik eingeben ? das ist genau das, was wir mit dem weitgefassten Netzwerk erreichen wollen: Wir fordern unsere Unternehmen, so bspw. die Mitgliedsfirmen der Filmproduktionsbranche dazu auf in der Datenbank Stellen, Hospitanzen und anderes direkt für ukrainische Flüchtlinge einzustellen ? bundesweit. Ich weiß auch von Firmen, die bspw. Büroarbeitsplätze zur Verfügung stellen wollen und anderes. Wir hoffen und fördern, dass das auch passiert. Durch die katalogartige Sortierung nach Stellenzahl entsteht eine hohe Transparenz, in welchen Berufsgruppen es besonders gute Integrationschancen gibt. Das Portal gibt also auch eine wertvolle erste Orientierung am Arbeitsmarkt. Besonders interessant ist auch, dass man sieht, in welchen Regionen welche Stellenangebote vorhanden sind. Umgekehrt melden sich bei uns und den Netzwerkpartnern Medien- oder Filmschaffende und suchen Arbeitgeber, auch diese verweisen wir auf die Datenbank. Wir hoffen damit ein nachhaltiges Konzept zur Integration in den Medienmarkt geschaffen zu haben ? auch mit dem Blick auf vielleicht weitere Flüchtlingswellen und daher mehrsprachig skalierbar. Verteilt wird alles über die Partner des Netzwerks, mit denen wir in einem guten Austausch stehen.

medienpolitik.net: Wie häufig werden die Angebote aktualisiert?

Palmer: Die Angebote werden täglich aktualisiert.

?Wir hoffen, dass das Matching funktioniert, denn es ist ja keine Neuigkeit, dass es einen Fachkräftemangel in vielen Bereichen der Filmproduktion gibt.?

medienpolitik.net: Lässt sich nach den ersten Tagen schon sagen, wie groß das Interesse ist?

Palmer: Wir haben im Netzwerk viele Anfragen von beiden Seiten erhalten, einmal von Arbeitgebern, die sich erkundigen, wie sie spezielle Angebote für Geflüchtete einstellen und zum anderen, von teils schon in Deutschland angekommenen Geflüchteten, so beispielsweise eine Redakteurin aus Kiew, ein junger Regisseur aus dem Dokumentarfilmbereich, eine qualifizierte Producerin und ein ganzes Team, das über Paris in Berlin angekommen ist, da es am 24.3. nicht mehr in Kiew einreisen konnte und hier in Deutschland einen Büroraum gesucht und nun auch gefunden hat. Gerade heute hat wieder ein Berliner Dokumentarfilmbüro Arbeitsplätze angeboten, die wir nun vermitteln können. Auch dafür soll das Jobportal gerne genutzt werden: Als Tool zum Austausch und zur Community-Bildung.

medienpolitik.net: Wie groß sehen Sie die Chancen für Interessierte aus der Ukraine entsprechende Jobs z.B. in der Filmwirtschaft zu erhalten?

Palmer: Wir hoffen, dass das Matching funktioniert, denn es ist ja keine Neuigkeit, dass es einen Fachkräftemangel in vielen Bereichen der Filmproduktion gibt. Daher nutzen die Unternehmen die Plattform auch aus einer eigenen Motivation heraus. Aber darüber hinaus fordern wir auch immer wieder alle Unternehmen auf Stellen, die gezielt für ukrainische Geflüchtete geplant sind, einzustellen und haben dazu eine Vielzahl von interessierten Unterstützerinnen und Unterstützern schon bei der Schaffung der Plattform. Freilich sind die Arbeitgeber nicht zur Berichtspflicht an uns verpflichtet. Wir wissen aber im Bereich der Werbefilmproduktion, dass Producerinnen direkt in Unternehmen in Deutschland hinein vermittelt werden konnten.

medienpolitik.net: Welche Voraussetzungen müssen die Bewerber mitbringen?

Palmer: Die Bewerberinnen und Bewerber können vielfach Deutsch und Englisch und sind sehr qualifiziert. Daher denken wir, dass eher seitens der Arbeitgeber eine Bereitschaft hier auch den einen oder anderen Weg freizumachen, erforderlich ist. Aber die Signale dafür sind gut.

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