Quo vadis Kino nach Corona?

08. Juli 2022
Quo vadis Kino nach Corona?

Aktuelle Studie: Der notwendige Innovationsschub in den Kinos erfordert gezielte Förderung

08.07.2022. Der aktuelle Investitionsbedarf der Kinos in Deutschland liegt bei 375 Mio. Euro. Fast 2/3 der Unternehmen kann diese Investitionen jedoch nicht aus eigener Kraft stemmen. Das ergab eine von rmc medien+kreativ consult erstellte Studie der Kinoverbände HDF KINO, AG Kino-Gilde und des Bundesverbands Kommunale Filmarbeit mit Unterstützung der Beauftragten für Kultur und Medien (BKM). Die Studie analysiert die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den deutschen Kinomarkt. Für den anstehenden Innovationsbedarf und die Investitionen in die Zukunftsfähigkeit der Branche werden umfassende Förderprogramme und geeignete politische Rahmenbedingungen benötigt. Wie sieht die wirtschaftliche Bilanz der Kinos nach über zwei Jahren Pandemie mit knapp zwölf Monaten Lockdown und einem weiteren Jahr mit erheblichen Betriebsauflagen aus? Welche Unterstützungsprogramme waren für die Branche bisher am effektivsten? Und welche Rahmenbedingen müssen geschaffen werden, um die deutschen Kinos zukunftsfähig aufzustellen? Eine aktuelle Umfrage unter deutschen Kinounternehmen rekapituliert die letzten beiden Pandemiejahre und nimmt die Zukunftserwartungen der Betreiber in den Blick.

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Die wichtigsten Kennzahlen der Studie:

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  • 9 von 10 Unternehmen waren in den letzten zwei Jahren zur Tätigung von Investitionen auf die Hilfe von Förderprogramme angewiesen. Knapp 40 % aller Kinos mussten geplante Investitionen trotz existierender Förderprogramme verschieben.
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  • Die Schwerpunkte für kommende Investitionen lassen sich eindeutig identifizieren: 1. Investitionen in Infrastruktur (Technik, Komfort, Ambiente), 2. Investitionen in Nachhaltigkeit, 3. Ersatzinvestitionen (= Erhalt des Status Quo)
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  • Als wichtigste Rahmenbedingungen zur Gestaltung der Zukunftsfähigkeit der Kinos wird neben den Investitionshilfen die Sicherung der exklusiven Kinoauswertung und der Bedarf nach mehr publikumsstarken Filme aus Deutschland genannt.
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Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages kam in einem Sachstandsbericht vom 31. Mai 2021 unter dem Titel: ?Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie auf das kulturelle Leben in Deutschland: Entwicklung der Kultur-und Kreativwirtschaft in den Jahren 2020 und 2021? zu dem bemerkenswerten Ergebnis, dass durch die ?sehr vielfältigen Förder- und Hilfsprogramme? die signifikanten Verluste ?nur ansatzweise kompensiert? werden konnten. (Quelle WD des DBT Nr. 10-3000-027/21; Stand 31. Mai 2021) Dem ist etwa ein Jahr später wenig hinzuzufügen.

Im Hinblick auf die unmittelbaren Folgen entsprechen die Ergebnisse unserer empirischen Untersuchung leider nicht der häufiger aus Branchenkreisen zu vernehmenden Wahrnehmung: ?Es Hätte schlimmer kommen können?. Die vielfältigen Hilfs- und Entschädigungsprogramme haben zwar ein ausgeprägtes Kinosterben verhindert, eine volle Kompensation der Folgewirkungen der politischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie blieb jedoch nach unseren Berechnungen für die Gesamtbranche aus. Dies deckt sich mit unseren empirischen Befunden. Den Unternehmen sind relevante Schäden in Form von Verlusten und entgangenen Gewinnen entstanden, in doch überraschend vielen Fällen hat sich das Eigenkapital reduziert, und dann auch noch überwiegend in deutlichem Umfang von mehr als 25 Prozent. Investitionen konnten entweder gar nicht (rd. 40%) oder nur mit Hilfe von speziellen Förderprogrammen (52%) durchgeführt werden. Neun von zehn Unternehmen wären in dieser Hinsicht aus eigener Kraft nicht handlungsfähig gewesen. Den Untersuchungsergebnissen lässt sich die Sorge um die Exklusivität des Contents sehr klar entnehmen. Dieser Aspekt wird beim Ranking der wichtigsten Rahmenbedingungen noch vor Zuschüssen zu Investitionsvorhaben genannt. Die Zukunftserwartungen zeugen vermutlich und leider von einigem Realismus. Weit überwiegend wird eine Phase mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten erwartet. Etwa 2/3 erwarten sinkende Besucherzahlen, überwiegend in deutlichem Umfang von mehr als 15 Prozent. Nach mehr als zwei Jahren Pandemie ist insgesamt eine strukturelle Schwächung der Branche zu erkennen. Gleichzeitig sind die Herausforderungen, um die Zukunft erfolgreich bestreiten zu können, sehr hoch. Die Kernfrage wird sein, wie die Branche ihr ökonomisches Gleichgewicht wiederfinden kann. Endogene wie exogene Faktoren lassen derzeit große Schwierigkeiten erwarten.

Aktuelle strategische Ausgangssituation der Kinos

Die allgemeine Wirtschaftslage hat sich durch die Ukraine-Krise seit Ende Februar massiv zum Nachteil verändert: hohe Inflation, damit verbundener Druck auf die Realeinkommen, Preissensibilität und Zurückhaltung der Verbraucher stellen nicht nur die Kinobranche vor Probleme, deren Ausmaß und Dauer derzeit vermutlich nur unzureichend bewertet werden können. Daneben kann ? dies lässt die Entwicklung der Besucherzahlen bis weit in das Frühjahr 2022 erkennen ? von einer nachhaltigen Überwindung der Pandemie noch keine Rede sein. Es ist nicht unwahrscheinlich, damit rechnen zu müssen, dass ein Teil des Publikums Kino verlernt hat (Verhaltensänderung/Entwöhnung), ein anderer Teil wiederum die Sorgen um das Aufsuchen geschlossener Räume nur schwer überwinden kann.

Auch wenn aus unserer Sicht im Hinblick auf die Frage, wie lange mit diesen schwierigen Rahmenbedingungen gerechnet werden muss, noch etwas Vorsicht geboten erscheint, so ist doch ein belastendes Gesamtpaket negativer Einflussfaktoren zu konstatieren. Auch erscheint klar: ein einfacher Ausweg, mit Preisanpassungen auf einen Mengeneffekt (Besucherrückgang) reagieren zu können, wird kaum zur Verfügung stehen. Endogene Faktoren kommen hinzu. Die Entwicklung von Energie- und auch von Personalkosten werden den Möglichkeiten eines wirksamen Kostenmanagements enge Grenzen setzen. Somit kommt der Druck auf die Kinos derzeit von allen Seiten, und das nach zwei Jahren Pandemie, in der die Betriebe die Hälfte der Zeit vom Markt völlig verschwunden waren und die andere Hälfte der Zeit (jedenfalls in vielen Monaten) mit sehr starken Restriktionen operieren mussten.

?Ohne Support und Flankierung ist die Gefahr groß, dass die eigenen Kräfte nicht reichen, um eine blühende Landschaft zu erhalten.?

Insgesamt sollte deutlich sein, was im Worst-Case geschehen kann. Die Katastrophe in der Corona-Pandemie ist ausgeblieben, nur ganz wenige Kinos mussten schließen, und dann aus Gründen, die nur sehr bedingt mit der Pandemie zu tun hatten. Wenn aber infolge des wirtschaftlichen Drucks Kinos in nennenswerter Zahl in die Schieflage geraten, führt das zu Verlusten in der Fläche, und auch zu Bereinigungsprozessen und Konzentration. Gegen alle Prognosen vor Beginn der Multiplex-Ära ca. Mitte der 90-er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts, der begleitet war von einem aggressiven Agieren großer ausländischer Konzerne, hat sich der inhabergeführte Mittelstand im deutschen Kinomarkt bisher gut behaupten können. Die Branche ist noch immer recht kleinteilig, positiv formuliert vielfältig, strukturiert, und dies dürfte im Sinne der Relevanz des Mediums als positiv zu bewerten sein.

Wie also kann die Branche sich wehren, was ist die angemessene strategische Grundhaltung? Viele Unternehmen sehen den Untersuchungsergebnissen zufolge die größte Herausforderung darin, sich in den Kostenstrukturen an ein eventuell dauerhaft niedrigeres Besucheraufkommen anpassen zu müssen. Das ist angesichts der typischen Kostenstrukturen in einem Kinobetrieb mit einem hohen Block wenig flexibler Kosten mit Fixkostencharakter nachvollziehbar. Eine solche Strategie wäre geprägt von Zurückhaltung bei Investitionen und einer allgemein kostenorientierten Unternehmenspolitik. Etwas salopp formuliert könnte man sie als die Strategie des Einigelns und Abwarten bezeichnen.

Eine aktive Beeinflussung des Marktgeschehens ist unter diesen Vorzeichen schwer vorstellbar. Eine defensive Grundhaltung kann durch Sachzwänge entstehen, birgt aus unserer Sicht jedoch ? und auch sehr eindeutig ? die Gefahr einer Abwärtsspirale. Alternativ dazu stünde eine offensive Grundhaltung. Weiterhin hohe Investitionen in die Ausstattung, Verbesserung des Service, begleitet von übergeordneten Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit, und vermutlich auch durch Investitionen in Marketing & Kommunikation auf betriebswirtschaftliche Ebene. Die Wahrnehmung in der Branche mag hier noch zu schärfen sein, wie die Befragungsergebnisse nahelegen.

Am Ende bedeutet Mittel für Marketing bereit zu stellen und kompetent einzusetzen vor allem mit den (potentiellen) Kunden zu kommunizieren und den Aufbau und die Pflege einer Kundenbeziehung in den Mittelpunkt zu stellen. An die Adresse der Politik in Bund, Land und Kommunen sei gesagt: Die Bitte um kluge, planbare, mittelfristige Unterstützung ist nach zwei Jahren Pandemie, die einen erheblichen Schaden angerichtet und die Unternehmen geschwächt hat, insbesondere dann gut begründet, wenn der Erhalt einer attraktiven Kinolandschaft als gesellschaftlicher Mehrwert erkannt und gewünscht ist. Ohne Support und Flankierung ist die Gefahr groß, dass die eigenen Kräfte nicht reichen, um eine blühende Landschaft zu erhalten.

?Quo vadis Kino? Wirtschaftliche Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den deutschen Kinomarkt?

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nhttps://www.hdf-kino.de/studie-zu-den-wirtschaftlichen-auswirkungen-der-covid-19-pandemie-auf-den-deutschen-kinomarkt-abgeschlossen/n
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