?Wir mussten ziemlich dicke Bretter bohren?
02. Juni 2022
Rundfunkkommission der Länder einigt sich auf Entwurf für Auftragsreform
02.06.2022. Fragen an Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien Hamburgs (SPD) und Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein, (CDU)
Über die Reform des Auftrags für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, über die Länder seit sechs Jahren diskutieren, scheint endlich Einigkeit zu herrschen. Die Rundfunkkommission hat sich gestern, nach Aussagen von Heike Raab, Koordinatorin der Rundfunkkommission und rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin, auf einen Entwurf verständigt. Gegenüber der dpa sagte sie: ?Wir haben uns auf Änderungen im 3. Medienstaatsvertrag geeinigt?. Es fehle noch die Zustimmung der Ministerpräsidenten. Am Donnerstag werde der Vorschlag, laut dpa, den Ministerpräsidenten bei ihrer Sitzung vorgelegt. Wenn diese zustimmen sollten, werden in einem weiteren Schritt die Länderparlamente in die Pläne einbezogen. Zwar ist das ursprüngliche Ziel einer Strukturoptimierung auf dem langen Weg verloren gegangen, aber wenigstens die Auftragsoptimierung soll nun bis Ende des Jahres realisiert werden. Allerdings müssen alle Landtage der Vereinbarung zustimmen. Fragen an Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien Hamburgs (SPD) und Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein, (CDU).
medienpolitik.net: Heute wollen sich die Regierungschefinnen und -chefs in der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Reform des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks befassen. Wie bewerten Sie die Chance, dass sie dem Gesetzesentwurf zustimmen werden?
Brosda: Im Länderkreis wurde bereits ein umfassender und guter Diskussionsentwurf erarbeitet, der seither breit diskutiert wird und derzeit in der Rundfunkkommission und auf Fachebene zwischen den Ländern konkretisiert wird. Ich hoffe sehr und bin auch zuversichtlich, dass wir auf Grundlage dieser sehr umfassenden Vorarbeit dieses so wichtige Reformvorhaben zeitnah im Länderkreis zum Abschluss bringen werden.
Schröter: Wir müssen nun endlich zu einem Abschluss der Beratungen kommen. Die Argumente sind ausgetauscht, die Zeit ist einfach reif für Entscheidungen. Seit 2016 suchen wir Länder nach dem Königsweg. Eine Verlängerung der Diskussion wird nicht dazu beitragen, das Ergebnis zu verbessern. Es war die richtige Entscheidung, die Anhörung in einem so großen Rahmen zu veranstalten. Nicht nur öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, private Anbieter, Institutionen und Verbände haben sich sehr ausführlich zum Diskussionsentwurf geäußert. Auch viele Beitragszahler/innen haben uns mit Kritik, Anregung und guten Ideen unterstützt. Das hat uns sehr geholfen. Die Länder haben sich anschließend noch einmal ausreichend Zeit genommen, den Entwurf des Staatsvertrags an vielen Stellen nach zu schärfen. Jetzt gibt es nur noch wenige offene Fragen. Aber ich bin mir sicher, dass die Länder am 2. Juni hierfür eine Lösung finden. Wir sind uns unserer Verantwortung sehr bewusst und wissen, was auf dem Spiel steht: Die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einer zunehmend digitalen Welt.
nn?Klar ist, dass Beitragsstabilität nicht automatisch bedeutet, dass der Beitrag unverändert bleibt.?
Wir mussten ziemlich dicke Bretter bohren, aber das Reformpakt kann sich wirklich sehen lassen: Der Programmauftrag wird deutlich flexibler gestaltet. Das ist für mich Dreh- und Angelpunkt der Reform. Wir eröffnen den Anstalten die Möglichkeit, die Menschen da abzuholen, wo sie sind. Sie können weniger linear und mehr online machen. Die Mediatheken bekommen mehr Spielraum. Das ist folgerichtig im Zeitalter des sich stetig wandelnden Mediennutzungsverhaltens. Die Verantwortung der Gremien wird gestärkt. Nachhaltigkeit wird ein zentrales Kriterium. Und das öffentlich-rechtliche Profil der Angebote wird deutlich geschärft. Ich hoffe, dass wir dazu kommen, klarzustellen, dass das besondere Profil der öffentlichen sich auch und gerade im Bereich der Unterhaltung spiegeln muss. Das ist das Mindeste. Ich könnte mir auch vorstellen nochmals die Schwerpunkte (Vermittlung von Bildung, Beratung, Information und Kultur) herauszustellen. Das wird die Diskussion zeigen. Es ist wichtig, dass wir dieses Reformpaket jetzt durchs Ziel bringen. Die Anstalten müssen ihre Bedarfe für die nächste Beitragsperiode schon im kommenden Frühjahr der KEF melden. Das macht nur Sinn, wenn wir die Reform bis dahin in trockenen Tüchern haben. Deshalb sage ich: Wenn nicht jetzt, wann dann?
nn?Der aus Hamburger Sicht vielversprechendste Ansatz ist die Kopplung des Rundfunkbeitrags an einen Index, an dem sich regelmäßige Anpassungen des Beitrags orientieren können.?
medienpolitik.net: Es gab bisher am vorliegenden Entwurf Kritik, dass damit wahrscheinlich keine Reduzierung der Kosten verbunden ist. Haben die Länder das Ziel einer langfristigen Beitragsstabilität aufgegeben?
Brosda: Zusätzlich zur Reform des Auftrags gilt es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch in der Ausgestaltung seines Finanzierungsrahmens fit für die Zukunft zu machen, damit er seine essentielle gesamtgesellschaftliche Aufgabe auch weiterhin erfüllen kann. Bevor eine solche Debatte allerdings zielführend geführt werden kann, ist es erforderlich, dass die Länder auf einer ersten Ebene zunächst medienpolitisch festlegen, wie der genaue Auftrag in unserer dynamischen Medienwelt künftig überhaupt auszusehen hat. Insofern haben die Länder sich bewusst dafür entschieden, die Debatten über den Auftrag und die Finanzierung getrennt voneinander zu behandeln. Erst nach Abschluss dieses Verfahrens werden die Länder daher in einer zweiten Phase vertieft über Fragen der Beitragsfinanzierung sprechen. Der aus Hamburger Sicht vielversprechendste Ansatz ist die Kopplung des Rundfunkbeitrags an einen Index, an dem sich regelmäßige Anpassungen des Beitrags orientieren können. Ein solcher Schritt würde das bisherige Festsetzungsverfahren vereinfachen, objektivieren und staatsferner ausgestalten sowie den Anstalten einen verlässlichen finanziellen Rahmen vorgeben, in dem sie ihren Auftrag freier und eigenverantwortlicher als bisher erfüllen können.
Schröter: Beitragsakzeptanz und Beitragsstabilität waren und sind ganz wesentliche Ziele der Reform. Daran hat sich nichts geändert. Allerdings darf man die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht übersehen: Die Länder dürfen keine Medienpolitik über die Beitragsschraube machen. Das widerspräche der Staatsferne des Rundfunks. Es ist die KEF, welche die Bedarfe der Anstalten auf Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit prüft. Und das kritisch und streng. Und die Bedarfe sind Ausdruck des Auftrags.
Klar ist auch, dass Beitragsstabilität nicht automatisch bedeutet, dass der Beitrag unverändert bleibt. Darüber sollten wir uns alle im Klaren sein. Im Übrigen sollte man durchaus anerkennen, dass die ÖRR inzwischen wirklich viele Anstrengungen unternehmen, um kosteneffizienter zu arbeiten. Die KEF weist dabei den Weg, auf dem es weitergehen muss. Wenn der erste Teil der Reform in Kraft getreten ist, werden die Länder sich in einem zweiten Schritt um die Finanzierungsgrundlagen der Anstalten kümmern. Dies ist auch deshalb zwingend, da ein flexibilisierter Programmauftrag mit dem jetzigen System der Bedarfsermittlung nur noch bedingt kompatibel ist. Die Länder müssen dann u.a. über Möglichkeiten der Budgetierung und der periodenübergreifenden Rücklagenbildung bei den Anstalten sprechen. Und auch die Frage einer Indexierung des Rundfunkbeitrags halte ich vor diesem Hintergrund noch lange nicht für erledigt.
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