„Das Streaming-Geschäft verhilft der Musikbranche zu signifikantem Wachstum“

06. März 2024
Umsatzplus der Musikindustrie 2023 von 6,3 Prozent, das Digitalgeschäft legte um 7,9 Prozent zu

Die Zahlungen der Musikindustrie an Künstler haben sich in zwölf Jahren mit einem Plus von 132 Prozent mehr als verdoppelt, wie eine vom Bundesverband Musikindustrie (BVMI) veröffentlichte Studie zeigt. Partizipierten Künstler 2010 anteilig mit rund 21 Prozent an den Einnahmen der Firmen, wurden 2022 rund 43 Prozent der Einnahmen durch direkte Zahlungen wie Vorschüsse und Lizenzzahlungen an sie weitergegeben. Diese und weitere Daten finden sich in dem Report „Die deutsche Musikindustrie: Investitionen und Zahlungen an Künstler“, durchgeführt vom Forschungsinstitut Oxford Economics im Auftrag des BVMI. Zusammen mit dem Report veröffentlichte der BVMI darüber hinaus die Umsatzbilanz der Musikindustrie 2023, die mit einem Umsatzplus von 6,3 Prozent erneut deutlich positiv ausfiel. Das Digitalgeschäft legte um 7,9 Prozent zu, der physische Markt, also Vinyl und CDs, veränderte sich gegenüber dem Vorjahr dagegen kaum (+0,1 %). Dr. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des BVMI: „Das Streaming-Geschäft verhilft der Branche seit einigen Jahren wieder zu signifikantem Wachstum, von dem Labels wie auch Künstlerinnen und Künstler profitieren. Gerade weil wir uns nun im Umfeld des zunehmenden Einsatzes von KI mitten in der nächsten Evolutionsstufe befinden, ist es zentral, dass wir gemeinsam als Branche dafür sorgen, dass menschliche Kreativität auch in Zukunft Kern und Maßstab unseres Schaffens bleibt. Das gelingt nur, wenn alle Branchenakteure, Kreative und ihre Partner auf Unternehmensseite, an einem Strang ziehen.“

Zusammenfassung der Studie

Die deutsche Musikindustrie unterlag in den letzten zwei Jahrzehnten einem signifikanten Wandel. Die fortschreitende Digitalisierung und der damit verbundene Transformationsprozess vom physischen hin zum digitalen Produkt hat nicht nur verändert, wie Konsumenten Musik hören, sondern auch die Aufgaben der Unternehmen innerhalb der Musikwirtschaft, speziell der Musiklabels. Neben neuen Möglichkeiten hat die Digitalisierung auch neue Herausforderungen für Musiklabels mit sich gebracht, die zunächst über viele Jahre zu einem Umsatzrückgang geführt haben. Erst in den letzten vier Jahren sind die Einnahmen der deutschen Musiklabels wieder kontinuierlich gestiegen, sodass im Jahr 2020 erstmals wieder das Einnahmen-Niveau von 2010 erreicht worden ist. Im Jahr 2022 betrugen die Industrieeinnahmen 1,15 Mrd. Euro und lagen in etwa 17 Prozent über dem Niveau von 2010.

Da medial fast nur die Umsätze der Musiklabels kommuniziert werden, fehlt es bislang an einer Darstellung, inwiefern auch Künstler von der wirtschaftlichen Erholung der Musiklabels profitiert haben. Diese Studie analysiert daher, inwiefern die deutschen Musiklabels ihre gestiegenen Einnahmen der letzten Jahre in die Entwicklung neuer Talente und bestehender Künstler reinvestieren und über Zahlungen an ihre Künstler weitergeben haben. Dafür betrachten wir in dieser Studie folgende Entwicklungen:

  • Investitionen in Artists & Repertoire und Marketing & Promotion
  • Zahlungen an Künstler durch Musiklabels.

Für die Berechnung wurde eine Befragung zu den Investitions- und Zahlungsverhalten mit den größten Musiklabels in Deutschland durchgeführt. Die abgefragten Investitions- und Zahlungsstatistiken wurden dann auf Basis der offiziellen Marktabdeckungen der BVMI-Marktstatistik auf den Rest des Marktes hochgerechnet. Die erfassten Musiklabels deckten in etwa 66 Prozent des Marktes in 2022 ab. Somit spiegeln die Ergebnisse dieser Studie etwa 65-70 Prozent der deutschen Musiklabels im Untersuchungszeitraum (2010-2022) sowie für Musiklabels mit vergleichbaren Investitions- und Zahlungsdynamiken wider.

Vor allem der Anstieg in Ausgaben für Artists & Repertoire führte zu einem Anstieg der Investitionen

Die deutschen Musiklabels investierten im Jahr 2022 rund 342 Mio. Euro. Dies entspricht einem Anstieg der Gesamtinvestitionen von 28,2 Prozent seit 2010 und liegt somit über dem 17-prozentigen Wachstum der Industrieeinnahmen im selben Zeitraum. Insgesamt investieren die deutschen

Musiklabels im Durchschnitt jährlich 33,3 Prozent ihrer Einnahmen (nicht des Gewinns) in die Entwicklung und Entdeckung neuer Künstler (=Investitionen in Artists & Repertoire (A&R)) sowie deren Vermarktung und den Vertrieb ihrer Musik (=Investitionen in Marketing & Promotion inklusive interner Agentur- & digitaler Leistungen (M&P)).

Hauptverantwortlich für den Anstieg der Gesamtinvestitionen sind steigende Investitionen in A&R, die sich seit 2010 mehr als verdoppelten. Die Investitionen in A&R können auch als die Forschungs- und Entwicklungsausgaben (F&E) der Musikindustrie verstanden werden, denn diese sind Investitionen in ihre zukünftigen „Produkte“ (F&E ist auch als Research & Development Quote, kurz R&D-Quote, bekannt). Die F&E-Quote der deutschen Musikindustrie im Jahr 2022 ist mit 13,2 Prozentrelativ hoch. Zum Vergleich: Die forschungsintensiven Pharma- und Elektroindustrien hatten 2022 eine F&E-Quote von jeweils knapp 10 Prozent (Michelsen & Junker, 2023). Die Musikindustrie investiert also, im Branchenvergleich, überdurchschnittlich stark in die Zukunft. Davon profitieren Künstler, da vermehrt kostenintensive Produktions- und Aufnahmekosten durch die Musiklabels gedeckt werden.

Während die Investitionen in A&R zwar gestiegen sind, sind die Investitionen in M&P seit 2010 insgesamt leicht um 6 Prozent gesunken, in den letzten zwei Jahren jedoch wieder gestiegen. Hauptgrund dafür sind Umschichtung von externen Marketingkosten (z.B. Fernsehwerbung) in interne Kosten wie den Ausbau interner Strukturen und Know-how (z.B. Personal im Bereich Data Analytics, Social Media, Search Engine Optimization) sowie vermehrtes, effektiveres und Hörer*innen-orientierteres Online-Marketing.

Künstler profitieren von höheren Zahlungen durch die Musiklabels - speziell durch gestiegene Vorschüsse

Neben höheren Investitionen führte der Anstieg der Einnahmen auch zu steigenden Zahlungen an Künstler. Während die Industrieeinnahmen zwischen 2010 und 2022 um 17 Prozentstiegen, haben sich die Zahlungen an Künstler im selben Zeitraum mehr als verdoppelt (ein Anstieg um 132%). Bemerkenswert ist, dass insbesondere die Vorschüsse seit 2010 sich mehr als verdreifachten (+273%). Vorschüsse stellen zwar amortisierbare Zahlungen der Musiklabels an die Künstler dar, werden aber unabhängig vom erzielten Erfolg des produzierten Werkes gezahlt. Dadurch stellen sie immer ein Investitionsrisiko für die Musiklabels dar. Die Musiklabels tragen daher zunehmend das unternehmerische Risiko für den Erfolg von Musikwerken. Hinzu kommt, dass sich neben den Vorschüssen auch die Lizenzzahlungen der Musiklabels an die Künstler verdoppelten haben. Zusammengenommen partizipierten Künstler in den letzten drei Jahren durch Vorschüsse oder Lizenzzahlungen somit an ca. 43 Prozent der Industrieeinnahmen. Zum Vergleich: Zwischen 2010 bis 2013 betrug dieser Anteil nur leicht über 20Prozent. Trotz der steigenden Bedeutung von Vorschüssen sind Lizenzzahlungen mit einem Anteil von etwa 75 Prozent weiterhin die wichtigste Zahlungskomponente von Musiklabels an Künstler. Die verbleibenden 25 Prozent entfallen auf die geleisteten Vorschüsse der Musiklabels an die Künstler.

 

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