„‘Viel hilft viel‘ kann nicht das Maß der Dinge sein“

08. April 2024
Stephan Schmitter CEO von RTL Deutschland
Stephan Schmitter CEO von RTL Deutschland
RTL-Deutschland-Chef fordert Begrenzung der Sportausgaben von ARD und ZDF und mehr Transparenz bei den realen Kosten

Interview mit Stephan Schmitter CEO von RTL Deutschland

Im Jahr 2022 haben das Erste der ARD, die Dritten Programme und das ZDF, laut KEF-Bericht, 865 Millionen Euro für Sportrechte, deren Umsetzung und Übertragungen ausgegeben. Private Anbieter, die viele dieser Sportarten ebenso gut, hochwertig, und gerne anbieten könnten, blieben hier am Ende in Bieterverfahren oftmals chancenlos, sagt Stephan Schmitter CEO von RTL Deutschland in einem Interview. Statt unklar kommunizierter Selbstverpflichtungen der Anstalten fordert RLT deshalb hier mehr Transparenz und eine klare Deckelung der Sportausgaben, um mehr Markt und Wettbewerb zu ermöglichen. Über diese Frage diskutiert gegenwärtig auch die Rundfunkkommission der Länder. Nach Aussage von Schmitter erbringe sein Sender „quasi im Wochentakt“ den Beweis, dass RTL den freien Zugang zu Sportarten, die nach den Festlegungen im Medienstaatsvertrag frei empfangbar sein müssen, ermöglicht.

medienpolitik.net: Herr Schmitter, welche Bedeutung haben Sportevents für das Programm von RTL?

Schmitter: Sportevents sind eine elementare Säule unseres Programms und schon seit über vier Jahrzehnten ein wichtiger Baustein unseres Erfolges. Wir haben den Anspruch, eine große Bandbreite an Inhalten von herausragendem Live-Sport über große Unterhaltung bis hin zu unabhängigen, menschennahen Nachrichten und Magazinen auf unseren Sendern und Plattformen anzubieten. Der Ausbau attraktiver Inhalte sowohl im linearen Fernsehen als auch im Streaming ist Wachstumstreiber für unser Geschäft, der Sport ein ganz zentraler Bestandteil unserer Strategie. Nehmen Sie als Beispiel die NFL, mit der wir sowohl junge Zuschauer aus der Zielgruppe 14-29 Jahre wieder fürs lineare Free-TV begeistern als auch ein breites Zusatzangebot sowie die Live-Simulcasts im Abo-Angebot bei RTL+ verfügbar machen.

medienpolitik.net: Welche Bedeutung haben Sportevents für die Refinanzierung des Programms von RTL?

Schmitter: Live-Sport ist als eines der großen TV-Lagerfeuer für uns auch eine strategische Investition, mit der wir unsere linearen und non-linearen Angebote stärken und aufmerksamkeitsstarke Umfelder schaffen. Gleichzeitig müssen wir als Wirtschaftsunternehmen in einem zunehmend umkämpften Sportrechtemarkt selbstverständlich Kosten und Nutzen unserer Investitionen gut abwägen. Das bedeutet, dass wir auch neue Formen der Kooperationen bei Sport-Inhalten suchen und vorantreiben, wie zum Beispiel in unserer Partnerschaft mit der Deutschen Telekom oder zuletzt mit Sky.

medienpolitik.net: Inwieweit kann RTL garantieren, dass sportliche Großereignisse, wie es die Politik fordert, im frei empfangbaren Programm gesendet werden?

Schmitter: Die Liste der frei zu empfangenden Sport-Großereignisse ist im Medienstaatsvertrag abschließend geregelt und differenziert dabei nicht nach privaten oder öffentlich-rechtlichen Programmen. Den Beweis, wie wichtig uns bei RTL der freie Zugang für Alle zu großartigen, emotionalen Sporterlebnissen ist, erbringen wir quasi im Wochentakt. Wir zeigen z.B. bis 2028 die Hälfte aller Spiele der Herren-Fußball-Nationalmannschaft und damit mehr als jeder andere Sender im Free-TV. Darüber hinaus zeigen wir als einziger Anbieter mit der UEFA Europa League und Conference League internationalen Vereinsfußball regelmäßig live im Free-TV sowie zwei Spiele der NFL in der Primetime am Sonntag bei RTL. Auch unsere Kooperation mit Sky etwa im Bereich der Formel 1, der Premier League und der Konferenz der 2. Bundesliga zeigt, dass wir durch völlig neue Allianzen trotz eines extrem herausfordernden wirtschaftlichen Umfeldes attraktiven Sport möglichst vielen Menschen in einem geschickten Mix der Angebotsformen Free- und Abo-TV zugänglich machen.

„Statt unklar kommunizierter Selbstverpflichtungen der Anstalten brauchen wir mehr Transparenz und eine klare Deckelung der Sportausgaben, um mehr Markt und Wettbewerb zu ermöglichen.“

medienpolitik.net: Wie sehen Sie den Status Quo im Markt mit den öffentlich-rechtlichen Sendern?

Schmitter: Wir bekennen uns klar zum dualen Mediensystem, wünschen uns jedoch mehr Transparenz, Ehrlichkeit, Tempo und echten Umsetzungswillen bei Veränderungen. Wir befinden uns in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten. Der TV-Werbemarkt liegt im Moment immer noch ca. 20 Prozent unter dem Niveau von 2019. Auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk übertragen käme dies einem Beitragsrückgang um 1,7 Milliarden Euro gleich – und zwar sofort. Zusätzlich zu diesen extremen Einbußen treffen uns genauso die hohe Inflation und die Preissteigerungen im Markt. Darüber hinaus wollen und müssen wir massiv in die Transformation unserer Geschäfte investieren. Angesichts dieser täglichen Herausforderungen ist für uns private Anbieter die politische Forderung nach Beitragsstabilität oder gar einer Beitragserhöhung alles – nur nicht ‚Sparen‘.

medienpolitik.net: ARD und ZDF produzieren, nachgewiesenermaßen, ihre Sportevents mit einem großen personellen und technischen Aufwand. Inwieweit wäre RTL dazu ebenfalls in der Lage?

Schmitter: „Viel hilft viel“ kann hier nicht das Maß der Dinge sein. Natürlich gehört Live-Sport zu den kostenintensiven Programmangeboten. Aber es kommt nicht auf die Anzahl der beschäftigten Personen, sondern darauf an, dass wir inhaltlich und personell das beste Produkt für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer liefern und dabei auch alle modernen, technischen Innovationen optimal nutzen. Dafür investieren wir das, was für das perfekte Live-Erlebnis der jeweiligen Sportart notwendig ist. Der Erfolg bei der Einschaltquote zeigt, dass wir mindestens auf Augenhöhe mit allen anderen agieren. Gerade haben am vergangenen Dienstag das Spiel der Nationalmannschaft bei uns im Schnitt 10,81 Mio. gesehen. Wir haben damit bei RTL mehr Menschen erreicht als das ZDF mit dem Spiel am Samstag zuvor (10,12 Mio. im Schnitt). Mit Blick auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Strukturkosten sehen wir – Stichwort Sparen – deutlichen Optimierungsbedarf.

medienpolitik.net: Wie bewerten Sie die Gesamthöhe des öffentlich-rechtlichen Sportetats? Besteht eine hinreichende Transparenz?

Schmitter: Mangels klar kommunizierter Zahlen ist das schwer zu bewerten. In einem durchschnittlichen Sportjahr werden inklusive Produktions- und Strukturkosten vermutlich mehr als 500 Millionen Euro für beträchtliche Sportrechte und deren Übertragungen ausgegeben. Im Jahr 2022 waren es in Summe laut KEF-Bericht sogar 865 Millionen bei ARD, ZDF und den Dritten Programmen. Private Anbieter, die viele dieser Sportarten ebenso gut, hochwertig, und gerne anbieten könnten, bleiben hier am Ende in Bieterverfahren oftmals chancenlos. Statt unklar kommunizierter Selbstverpflichtungen der Anstalten brauchen wir daher mehr Transparenz und eine klare Deckelung der Sportausgaben, um mehr Markt und Wettbewerb zu ermöglichen.

medienpolitik.net: Welche Rolle spielen die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für den internationalen Sportrechtemarkt?

Schmitter: Ein Überbieten der Angebote privater Sender befeuert die Preisspirale im internationalen Sportrechtemarkt und verstetigt den Preisdruck auch für kommende Rechteausschreibungen. Diese Entwicklung führt dazu, dass attraktive Sportrechte künftig verstärkt nur noch in internationalen, hochpreisigen Sport-Abo-Paketen oder eben im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugänglich wären, der ohne Refinanzierungsdruck agiert. Diese Dynamik sollte auch durch die Politik durchbrochen werden, die – wie unlängst durch den von den Ländern eingesetzten Zukunftsrat für die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefordert – den Auftrag der Anstalten schärfen und auf mehr Unterscheidbarkeit vom privaten Rundfunk drängen sollte.  Dabei sollte sich der Blick neben der Unterhaltung insbesondere auf den Bereich Sport richten.  

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