Interview mit Michael Ziche, Vorsitzender des Rundfunkrates des MDR
Auf seiner diesjährigen Klausurtagung informierte sich der MDR-Rundfunkrat über den aktuellen und künftigen Umgang des MDR beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Expertinnen und Experten des MDR berichteten über die entwickelten KI-Richtlinien des MDR zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz sowie die angedachte künftige KI-Struktur im MDR. Informationen gab es auch zu den Aktivitäten der laufenden Ausgabe des Innovationsprogrammes des MDR, MDR <next>, unter dem Motto: „Künstliche Intelligenz entdecken, verstehen und anwenden“. Vorgestellt wurden dem Rundfunkrat konkrete KI-Anwendungen im MDR beispielsweise in der Grafik-Unterstützung und beim Einsatz in der automatischen Untertitelung und Bildbeschreibung.
medienpolitik.net: Herr Ziche, der Rundfunkrat hat sich auf seiner Klausurtagung mit dem Thema Künstliche Intelligenz befasst. Warum?
Ziche: Wie jedes Jahr hat sich der Rundfunkrat auf seiner Klausur vertiefend mit aktuellen Themen und den Implikationen für den MDR und seine Angebote beschäftigt. Für die Klausur dieses Jahres haben wir uns für Künstliche Intelligenz (KI) entschieden. Dafür gibt es zwei Hauptargumente: die Aktualität und die Relevanz des Themas. Künstliche Intelligenz ist dabei kein neues Thema für den MDR als Medienhaus, sondern begleitet ihn bereits seit Jahren. Damit der Rundfunkrat seiner Aufgabe als Kontrollgremium nachkommen kann, ist es wichtig, dass er über die Prozesse, Neuerungen und aktuelle Themen des MDR Bescheid weiß und Nachfragen zu aktuellen Entwicklungen stellen kann. Ich beobachte, dass sich der MDR frühzeitig mit neuen Möglichkeiten und Innovationen auseinandersetzt. So kann ich sagen, dass ich den MDR als aktiven Gestalter der technischen Entwicklung wahrnehme. Die rasanten KI-Entwicklungen bedürfen einer stetigen Aufmerksamkeit, da der MDR als öffentlich-rechtliches Medienhaus eine besondere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft trägt. Einerseits weil der MDR in der journalistischen Recherche im Umlauf befindliche mögliche KI-Videos aus anderen Quellen verifizieren können muss. Andererseits, weil der MDR seinem Publikum moderne und hochwertige Angebote unterbreiten möchte. KI kann dafür als unterstützendes Tool verstanden werden. Wichtig ist dabei, dass der MDR im Sinne der Glaubwürdigkeit seiner publizistischen Angebote sehr verantwortungsvoll mit KI umgeht. Zudem bietet KI auch Möglichkeiten in Verwaltungsbereichen, um dort beispielsweise Büro-Prozesse zu unterstützen und effizienter zu machen.
medienpolitik.net: Welche Rolle spielt KI heute beim MDR?
Ziche: In der täglichen Arbeit beim MDR wird die KI als ergänzendes Werkzeug verstanden. Auf der Klausur wurde betont, dass sie die journalistische Arbeit nicht ersetzt und die erstellten Inhalte in Zusammenarbeit mit KI immer in den Redaktionen evaluiert und geprüft werden. Wir konnten auf der Klausur auch erfahren, dass KI bisher im MDR an verschiedenen Stellen der Produktion vereinzelt eingesetzt wird: dazu zählen die Themenfindung oder die Erstellung von multimedialen Inhalten – beispielsweise hier: https://www.mdr.de/presse/fussball-barrierefrei-ki-100.html. KI wird auch zur Recherche etwa von bestimmten Expertinnen und Experten genutzt, da sie zielgerichteter arbeitet als gewöhnliche Suchmaschinen. An anderen Stellen wird die KI in Form von einem MDR-Chatbot von Mitarbeitenden für die internen Arbeitsabläufe getestet. Um den KI-Einsatz nicht grenzenlos werden zu lassen, müssen sich alle Mitarbeitenden an Regeln halten, wenn sie mit KI arbeiten. Diese KI-Guidelines stellt der MDR online transparent einsehbar: https://www.mdr.de/service/ki-richtlinien-100.html
„Das programmliche Angebot des MDR soll meiner Meinung nach in erster Linie Qualität verkörpern, bevor es um Quantität geht.“
medienpolitik.net: Wie wird sich das in den nächsten Jahren entwickeln?
Ziche: Die Entwicklung von KI ist schwer vorherzusagen, weil sehr dynamisch und rasant. Ich persönlich denke, dass auf lange Sicht in allen Medienunternehmen mit einer flächenmäßigen Etablierung von KI in den Redaktionsprozessen zu rechnen ist, also auch im MDR. Neue Möglichkeiten, die durch KI aufkommen, werden als Chance gesehen und gleichzeitig kritisch beleuchtet und verantwortungsvoll geprüft. In diesem Kalenderjahr veranstaltet MDR next regelmäßige Lern- und Mitmachprojekte zum Thema KI für Mitarbeitende. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Interessierte KI-Tools ausprobieren, ihre Bedenken äußern können und in den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen kommen. Auf diese Veranstaltungsreihe soll in Zukunft aufgebaut werden und das persönliche Know-how kontinuierlich erweitert und die Sensibilisierung der Mitarbeitenden geschärft werden. Die Einsatzmöglichkeiten von KI-Tools werden dabei naturgemäß je nach Bereich variieren.
medienpolitik.net: Welche Effekte verspricht sich der MDR vom KI-Einsatz?
Ziche: Im Journalismus ist es keine neue Nachricht, dass die Arbeit durch die Digitalisierung einem Wandel unterliegt. Die Inhalte werden schneller publiziert und sollen trotzdem einem hohen qualitativen Maßstab entsprechen. Uns wurde berichtet, dass KI den Mitarbeitenden die Arbeit unternehmensintern, aber vor allem auch in der Produktion erleichtert. Das programmliche Angebot des MDR soll meiner Meinung nach in erster Linie Qualität verkörpern, bevor es um Quantität geht. An den Stellen, an denen sich der KI-Einsatz bewährt oder das Potenzial für ihn gesehen wird, bin ich der Auffassung, dass der MDR nicht vor dem Gebrauch der KI zurückscheuen soll. Derzeit bemerken wir in der Gremienarbeit, dass mit KI die journalistische Arbeit weiterhin der notwendigen Sorgfalt unterliegt und der MDR dem Publikum ein breiteres, sogleich modernes Angebot bieten kann. Diese Entwicklung beobachten wir gerne und verbuchen sie als positiven Effekt der KI.
medienpolitik.net: Die ARD hat im April Grundsätze zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) beschlossen. Werden diese beim MDR bereits umgesetzt?
Ziche: Anhand der regelmäßigen Einblicke, die ich als Rundfunkratsvorsitzender erlebe, können wir erwarten, dass diese Grundsätze beim MDR beherzigt und umgesetzt werden. Zudem hat der MDR seine eigenen Richtlinien zum Umgang mit KI festgelegt und diese auch mit Blick auf die ARD-Leitplanken formuliert. Dem MDR ist die Transparenz der Arbeit generell und speziell im Einsatz von KI wichtig, weshalb das auch wesentlicher Bestandteil der hauseigenen Guidelines ist.
medienpolitik.net: Gibt es innerhalb der ARD einen Austausch zu Erfahrungen beim Einsatz von KI?
Ziche: Ja, den gibt es und dieser ist, wie uns berichtet wurde, auch sehr bedeutsam. Als eine Landesrundfunkanstalt der ARD stehen der MDR und auch die Gremien untereinander ständig in Kontakt mit den anderen Häusern. Derzeit wird an ARD-weiten Transparenz-Richtlinien zur Kennzeichnung von KI-Inhalten gearbeitet. Für den MDR gibt es solche wahrnehmbaren Hinweise an den Beiträgen bereits. Für die ARD-weite Zusammenarbeit gibt es das sogenannte ARD-KI-Netzwerk, das sich als „interdisziplinäres KI-Netzwerk“ aller Landesrundfunkanstalten versteht und unter Einbeziehung der bestehenden Strukturen agiert. Zu den Aufgaben der im November gestarteten KI-Koordination gehören neben der Vernetzung der ARD und dem Wissensaufbau und -transfer, die Erarbeitung einer KI-Strategie sowie die Koordination aller übergreifender Maßnahmen. Durch diese Struktur können die Landesrundfunkanstalten individuelle Maßnahmen entwickeln, anwenden und gleichzeitig ihre Erkenntnisse mit der „ARD-Familie“ teilen oder sich zur effizienten gemeinsamen Nutzung neuer Tools verabreden.
„Wichtig ist, dass der MDR im Sinne der Glaubwürdigkeit seiner publizistischen Angebote sehr verantwortungsvoll mit KI umgeht.“
medienpolitik.net: Sehen Sie Gefahren für den KI-Einsatz bei einem öffentlich-rechtlichen Medium?
Ziche: Sofern sich der MDR als aktiven und verantwortungsvollen Gestalter im Umgang mit KI sieht, sind nach meiner Ansicht die Herausforderungen beherrschbar. Ich nehme war, dass sich der MDR nicht blindlings den Folgen der digitalen Entwicklung unterwirft, sondern sie klug und sorgfältig mitgestaltet und für sich einen passgenauen effizienten Einsatz konfektioniert. Wir als Rundfunkrat behalten die Abläufe im MDR im Blick. Der MDR muss gerade als öffentlich-rechtliches Medienhaus mit einer besonderen Vorsicht und Verantwortung arbeiten, so auch sorgfältig und gewissenhaft mit KI-Tools.
medienpolitik.net: Wie stellen Sie sicher, dass der KI-Einsatz nicht zur Manipulation erfolgt?
Ziche: Der MDR ist in seinen Angeboten an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden und der Wahrheit und Sorgfalt verpflichtet. Ich hoffe, dass durch meine bisherigen Antworten bereits deutlich geworden ist, dass sich der MDR einer besonderen Verantwortung bewusst ist und dementsprechend arbeitet. Der MDR hat Richtlinien formuliert, an die er sich auch hält.
medienpolitik.net: Auch der novellierte Medienstaatsvertrag befasst sich mit dem Einsatz von KI. So heißt es: „Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio können in ihren Angeboten einem öffentlich-rechtlichen Profil entsprechend künstliche Intelligenz einsetzen." Was bedeutet es für Sie KI „einem öffentlich-rechtlichen Profil entsprechend“ einzusetzen.
Ziche: Der vorgeschlagene § 31m im Reformstaatsvertrag meint, meiner Ansicht nach, den verantwortungsvollen Umgang mit KI durch eine besondere Transparenz des KI-Einsatzes nach außen (das Programm betreffend) und nach innen (bei Prozessen organisatorischer oder kommunikativer Natur). Als öffentlich-rechtlicher Sender soll durch eine besondere Sorgfalt in den Arbeitsprozessen ein dem Auftrag entsprechendes Angebot entstehen. Ich kann Ihnen sagen, dass der MDR behutsam mit seinen Ressourcen umgeht, der Einsatz von KI kann dabei unterstützen, ohne die Sorgfalt zu vernachlässigen. Durch mein Wirken im Rundfunkrat bekomme ich regelmäßig den Eindruck, dass der MDR im Sinne der Gesellschaft arbeitet und die Angebote den Belangen aller Bevölkerungsgruppen Rechnung tragen. Der Rundfunkrat wird im Rahmen seiner Aufgaben den Einsatz von KI und die damit verbundenen Entwicklungen weiter im Auge haben. Ich bin optimistisch, dass die KI im Werkzeugkasten des MDR eine Bereicherung darstellen kann.