Die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) hat ihren 24. Jahresbericht für das Jahr 2022 veröffentlicht. Im zurückliegenden Jahr hat die KEK insgesamt 33 Verfahren abgeschlossen. Neben ihrer Prüftätigkeit hat die KEK im Berichtsjahr ihren siebten Konzentrationsbericht veröffentlicht. Der Konzentrationsbericht verdeutlicht abermals, dass Gefahren der einseitigen Beeinflussung der Meinungsbildung längst nicht mehr allein vom linearen Fernsehen ausgehen. Daneben besteht eine große Bandbreite an internetbasierten Angeboten, denen in ihrer Gesamtheit eine ganz erhebliche Relevanz für die Meinungsbildung zukommt. Hierauf kann mit dem geltenden Medienkonzentrationsrecht nur unzureichend reagiert werden. Die Länder beraten aktuell konkret über ein Modell zur Reform des Medienkonzentrationsrechts, das die notwendige Abkehr von der fernsehzentrierten Konzentrationskontrolle vorsieht. Die KEK ist in diesen Prozess eingebunden. Sie hat zu dem bislang intern diskutierten Konzept im März 2022 und April 2023 ihre Stellungnahmen abgegeben. „Die KEK hat ihre Hausaufgaben gemacht, es ist nun an den Ländern zu entscheiden, ob, wann und wie der Reformprozess umgesetzt wird”, so der Vorsitzende der KEK, Prof. Dr. Georgios Gounalakis.
Aus dem Bericht:
Im Jahr 2022 hat die KEK zum siebten Mal einen Bericht über die Entwicklung der Konzentration und über Maßnahmen zur Sicherung der Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk veröffentlicht. Die Konzentrationsberichte der KEK dienen dazu, Transparenz zu schaffen und Konzentrationstendenzen aufzuzeigen. Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben in § 60 Abs. 6 MStV stellt die Kommissiondarin die Entwicklung der Konzentration sowie Maßnahmen zur Sicherung der Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk dar. Sie zeigt darüber hinaus Entwicklungen auf den Medienmärkten auf und gibt Einblicke in bestehende Unternehmensstrukturen. Die Konzentrationsberichte verfolgen dabei einen breiten Ansatz. So werden im Bereich der Marktdarstellungen neben dem Fernsehmarktausführlich auch die Entwicklungen im Bereich der „medienrelevanten verwandten Märkte“ dargestellt. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Hörfunk, Print und Online sowie den Rechte- und Werbemarkt. Der Bericht unter dem Titel „Zukunftsorientierte Vielfaltssicherung im Gesamtmarkt der Medien“ unterstreicht abermals und nachdrücklich, dass Gefahren hinsichtlich einer einseitigen Beeinflussung der Meinungsbildung längst nicht mehr allein vom Fernsehen ausgehen. Das lineare Fernsehen beeinflusst die Meinungsbildung aufgrund nach wie vor hoher Nutzungszahlen zwar weiterhin maßgeblich. Daneben besteht jedoch eine große Bandbreite an internetbasierten Angeboten, welchen in ihrer Gesamtheit eine ganz erhebliche Relevanz für die Meinungsbildung zukommt. Hierauf kann mit dem geltenden Medienkonzentrationsrecht allerdings nur unzureichend reagiert werden. Die KEK weist daher erneut auf den dringenden Reformbedarf der konzentrationsrechtlichen Regelungen hin. Die Länder beraten aktuell konkret über ein Modell zur Reform des Medienkonzentrationsrechts, das eine Abkehr von der fernsehzentrierten Konzentrationskontrolle vorsieht. Die KEK ist in diesen Prozess eingebunden.
Konzentration im bundesweiten privaten Fernsehen
Das bundesweite Programmangebot ist im Grundsatz ausgesprochen vielfältig. Neben mehr als 200 privaten bundesweit zugelassenen Fernsehprogrammen gehören das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit 21 Programmen, diverse Teleshoppingsender, Programme mit einer ausländischen Lizenz sowie mehr als 200 regionale und lokale Fernsehprogramme zum TV-Angebot in Deutschland. Die Anzahl der Programme nimmt dabei nach wie vor zu. Trotz dieser Vielfältigkeit dominieren drei große Veranstaltergruppen den Fernsehmarkt: der öffentlich-rechtliche Rundfunk, die RTL-Gruppe und die ProSiebenSat.1-Gruppe. Auf deren Programme entfallen insgesamt fast 90 Prozent der Zuschaueranteile. Die beiden großen privaten Sendergruppen RTL (22,4 Prozent) und ProSiebenSat.1 (17,2 Prozent) kamen im Jahr 2020 auf einen gemeinsamen Zuschaueranteil von 39,6 Prozent.
„Insbesondere Intermediären wie Suchmaschinen und Social Media-Angeboten kommt bereits gegenwärtig ein hoher Einfluss auf die Meinungsbildung zu.“
Die klassische Fernsehnutzung ist auf die Sehdauer bezogen nach wie vor sehr hoch. Daneben findet Videonutzung zunehmend online per Streaming statt, in jüngeren Altersgruppen fast ausschließlich. Die so verbreiteten Bewegtbildangebote sind, was die „Wirkmacht“ im Hinblick auf die Meinungsbildung betrifft, den klassischen TV-Angeboten grundsätzlich vergleichbar. Das auf das klassische lineare Fernsehen fokussierte Medienkonzentrationsrecht erfasst die nichtlineare Video-on-Demand-Nutzung jedoch, wenn überhaupt, nur nachgelagert im Rahmen der Einbeziehung medienrelevanter verwandter Märkte. Lineares (Live-)Streaming wird zwar grundsätzlich erfasst, es bestehen jedoch noch Hürden hinsichtlich einer einheitlichen und umfassenden konvergenten Nutzungsabbildung. Die Nutzungsentwicklung, insbesondere in jüngeren Altersstufen, hin zu einer nichtlinearen Mediennutzung sowie der Zuwachs von potenziellen Einflüssen auf die Meinungsbildung außerhalb des linearen Fernsehens zeigen, dass eine Verhinderung von Konzentration im bundesweiten privaten Fernsehen zwar weiterhin geboten, aber nicht länger ausreichend ist.
Crossmediale Verflechtungen und medienrelevante verwandte Märkte
Die Regelungen des Medienstaatsvertrags zur Sicherung der Meinungsvielfalt sehen in § 60 Abs. 2 Satz 2 MStV vor, dass bei der Beurteilung vorherrschender Meinungsmacht eines Fernsehveranstalters auch medienrelevante verwandte Märkte einzubeziehen sind. Diese medienrelevanten verwandten Märkte sind gemäß § 60 Abs. 6 Nr. 1 MStV ebenfalls in den Konzentrationsbericht der KEK einzubeziehen. Der Bericht zeigt auf, dass Unternehmen mit Tätigkeitsschwerpunkt im Bereich des bundesweiten privaten Fernsehens daneben selten ein breites crossmediales Portfolio an Print-und Hörfunkbeteiligungen haben. Häufiger und ausgeprägter sind crossmediale Verflechtungen in den Bereichen von Radio und Presse. Eine Ausnahme bilden der Bertelsmann-Konzern sowie die Axel Springer SE, die im Berichtszeitraum sowohl im Bereich der Fernsehveranstaltung als auch im Presse-, Hörfunk- und Online-Bereich aktiv waren. Der deutsche Hörfunkmarkt ist einerseits durch eine plurale Eigentümerstruktur sowie eine Vielzahl an lokalen und regionalen Hörfunkprogrammen geprägt. Laut Medienvielfaltsmonitor dominieren den Meinungsmarkt Hörfunk die öffentlich-rechtlichen Programme der ARD mit einem Marktanteil von 51,8 Prozent. Größter privater Anbieter ist die Regiocast mit 5,9 Prozent vor der RTL Group mit einem Marktanteil von 4,8 Prozent. Im Hörfunkbereich bestehen jedoch auch zahlreiche crossmediale Verflechtungen. Insbesondere Medienkonzerne mit starken Stellungen im Printbereich sind auch an Hörfunksendern beteiligt. Gerade im lokalen Bereich ergibt sich eine publizistische Konzentration.
Im Tageszeitungsmarkt hat sich die horizontale Konzentration zuletzt nicht wesentlich erhöht. Dagegen steigt die publizistische Konzentration weiter an. Die Bildung von Zentralredaktionen und zunehmende verlagsübergreifende inhaltliche Kooperationen führen zu einer inhaltlichen Angleichung der Titel. Dies betrifft neben den Printprodukten auch die mit diesen verbundenen Digitalangebote. Wirtschaftlich stehen die Zeitungsverlage wegen rückläufiger Auflagen- und Umsatzzahlen immer stärker unter Druck. Auch der Zeitschriftenmarkt ist von Auflagenrückgängen und rückläufigen Werbeeinnahmen betroffen Publikumsverlage erzielen mit ihren Angeboten sowohl im Printbereich als auch im Onlinebereich dennoch hohe Reichweiten.
„Den Besonderheiten des Marktes im Onlinebereich kann nicht ohne weiteres mit den für die analoge Welt entwickelten und etablierten Maßnahmen begegnet werden.“
Der Begriff „Onlinemedien“ umfasst vielfältige über IP-Netze verbreitete Angebotstypen. Die einzelnen Angebote und Dienste unterliegen bisweilen unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen. Seitens der KEK wird gefordert, alle publizistischen Medien in einer Konzentrationskontrolle zu erfassen. Die Position der Medienintermediäre ist dabei besonders, weil bei diesen aufgrund der spezifischen Charakteristika von digitalen Märkten, vor allem Netzwerk-, Skalen- und Lock-in-Effekte, eine starke Tendenz zur Bildung von natürlichen Monopolen besteht. Soziale Medien erlauben es zudem einer breiten Nutzerschaft, aus der passiven Rolle der Konsumenten herauszutreten und sich selbst öffentlich zu artikulieren und somit aktiv am öffentlichen Diskurs teilzunehmen. Den Besonderheiten des Marktes im Onlinebereich kann nicht ohne weiteres mit den für die analoge Welt entwickelten und etablierten Maßnahmen begegnet werden. Hier bedarf es neuer Ansätze und einer engeren Verzahnung bestehender Regulierungskonzepte. Auf die besondere Bedeutung von Plattformen, insbesondere Medienintermediären, sowie Social Media wird im Bericht vertieft eingegangen.
Beurteilung der Entwicklung der Konzentration im Allgemeinen
Auf den ersten Blick haben sich an der Konzentration im Medienbereich seit dem vergangenen Konzentrationsbericht der KEK keine wesentlichen Veränderungen ergeben. Im Bereich des bundesweiten privaten Fernsehens sind weiterhin die beiden Sendergruppen RTL und ProSiebenSat.1 klar dominant. Diesen steht bezogen auf die Zuschaueranteile ein noch stärkeres öffentlich-rechtliches Programmangebot entgegen. Die große Zahl der übrigen bundesweiten Programme sorgt für eine weitere Steigerung der inhaltlichen Vielfalt. Allerdings entfallen auf diese Vielzahl an Programmen insgesamt nur rund 10 Prozent der Zuschaueranteile. Im Printbereich setzt sich der Abwärtstrend bei den Auflagenzahlen fort, auf dem Hörfunkmarkt gibt es eine nur geringe Dynamik. Auf den zweiten Blick wird allerdings eine Entwicklung deutlich, die sich bereits jetzt zunehmend, künftig aber wohl noch sehr viel stärker auf die Art und Weise der Meinungsbildung auswirken wird. Die altersbezogene Analyse der Nutzungszeiten einzelner Medienangebote und -gattungen zeigt einen deutlichen Wandel in der Mediennutzung, insbesondere – aber nicht ausschließlich – in jüngeren Altersgruppen. Klassische Medienangebotewie lineares Fernsehen und noch stärker die Tageszeitungen verlieren zunehmend an Nutzungszeit und Nutzern. Beiden Gattungen kommt bislang eine wichtige Funktion hinsichtlich der Information über das Tagesgeschehen und der allgemeinen Nachrichtenvermittlung zu. Von der sich verändernden Mediennutzung profitieren dagegen Video-Streaming-Angebote und weitere Angebote im Onlinebereich. Insbesondere Intermediären wie Suchmaschinen und Social Media-Angeboten kommt bereits gegenwärtig ein hoher Einfluss auf die Meinungsbildung zu. Die spezifische Plattformökonomie und die damit verbundene, bereits im vergangenen Konzentrationsbericht der KEK beschriebene „Plattformrevolution“ beeinflussen Entwicklungen im Medienbereich nachhaltig. Hierauf hat das gegenwärtige Medienkonzentrationsrecht praktisch keine Antworten. Nachdrücklich unterstützt die KEK daher die dringend gebotene und von Seiten des Gesetzgebers nun konzeptionell angegangene Reformierung des bestehenden Fernsehzentrierten Medienkonzentrationsrechts.