Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net
Am vergangenen Montag wurde in Leipzig ein neuer Intendant gewählt. Der bisherige Verwaltungsdirektor erhielt 33 von 48 Stimmen des Rundfunkrates. Ein knappes Ergebnis – bei 32 lag das Quorum – für Ralf Ludwig. Ab 1. November wird er die Gegenwart und Zukunft der Dreiländeranstalt wesentlich prägen. Im Vorfeld des Votums wurde viel über das Verfahren diskutiert, wurde mangelnde Transparenz bei der Auswahl des Kandidaten beklagt. Sicher können die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen im MDR-Staatsvertrag ein größeres Mitspracherecht der Belegschaft und eine Nominierung von mindestens zwei Kandidaten festschreiben, doch nicht die Medienpolitik der Länder wurde von einigen Rundfunkratsmitgliedern kritisiert, sondern die Arbeit des Verwaltungsrates. Hier wurden jedoch die Falschen ins Visier genommen: Der Verwaltungsrat mit ihrer Vorsitzenden Birgit Diezel ist bei dem Auswahlverfahren über die gesetzlichen Vorgaben weit hinaus gegangen, indem er die Stelle ausgeschrieben und Vertreter verschiedener Gremien des MDR beratend eingeladen hatte, die Entscheidung zu begleiten.
Es ist schon bezeichnend, dass sich die Kritik des Personalrates und von Mitgliedern des Rundfunkrates von Anfang an nicht gegen die Person Ludwigs richtete, sondern gegen das Verfahren, da man sich lieber einen Journalisten als künftigen Senderchef gewünscht hatte und keinen „Zahlenmenschen“, war zu hören. Man warf dem 54-Jährigen vor, bisher nicht publizistisch gearbeitet zu haben als ob für den Geschäftsführer eines Zeitungsverlages journalistische Kompetenz, Voraussetzung für seinen Job wäre. Damit wurde die Wahl eines neuen Intendanten im MDR zu einer Richtungswahl: Konsequente Reformen, Besinnung auf den Kernauftrag und Prioritäten im Programm oder die Hoffnung unter Verweis auf „hohe Qualität“ auf mehr finanzielle Spielräume für neue journalistische Angebote und einen Ausbau der Redaktionen.
Mit ihren Beschlüssen vom 20. Januar 2023 hatte die Rundfunkkommission der Länder deutlich gesagt, wohin der öffentlich-rechtliche Rundfunk bis 2030 steuern wird: „Das Ziel in den Reformfeldern „Strukturen und Zusammenarbeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten optimieren und Beitragsstabilität sichern“ und „Good Governance weiter stärken“ ist, transparenter, effizienter und sparsamer zu wirtschaften.“ Das bedeutet Reformen nicht nur in der Verwaltung, sondern auch im redaktionellen Bereich. Das heißt im Kern insgesamt weniger Programm mit weniger Mitarbeitern. Dass eine solche Strategie dem Personalrat nicht passt, ist klar. Seine Forderung, bei dem Vertrag mit Ludwig auf das sogenannte „Ruhegeld“ zu verzichten, ist nachvollziehbar. Doch ebenso notwendig wären auch Vorschläge, wo im täglichen Redaktionsalltag gespart und mit welchen Reformen der MDR ohne Aufforderung durch die Medienpolitik, aktiv werden könne.
„Die Reformüberlegungen des neuen Intendanten waren sicher nicht sehr diplomatisch und hatten einige Mitglieder des Kontrollgremiums auch verleitet, gegen ihn zu stimmen.“
Ralf Ludwig machte bei seiner Vorstellung im Rundfunkrat am 13. März eine einfache Rechnung auf: Das strukturelle Defizit des MDR betrage 2023 35 Millionen Euro, die bis Ende der Gebührenperiode durch Rücklagen geschlossen werden können. Diese Reserven seien dann aber aufgebraucht und deshalb müsste stärker als bisher gespart werden. Das bedeute auch Verzicht beim Programm. „Weniger ist mehr“, so Ludwig. Der Etat des Senders betrage gegenwärtig jährlich 615 Millionen Euro, 80 Prozent stammten aus dem Rundfunkbeitrag. Nicht ohne Grund verwies der künftige Intendant auf die Empfehlung der Gebührenkommission KEF, die normale Personalfluktuation der nächsten Jahre zu nutzen, um Arbeitsplätze abzubauen. So würden bis 2030 etwa 400 Mitarbeiter aus Altersgründen den Sender verlassen, das entspräche 20 Prozent der festangestellten Belegschaft.
Die Wahl Ludwigs bedeutet für den MDR keinen „Neuanfang“, wie einige Rundfunkratsmitglieder monierten, sondern eine Fortsetzung des erfolgreichen Transformations- und Reformkurses von Karola Wille. Unter dem ARD-Vorsitz des MDR hatte der Senderverbund 2017 sein bis heute größtes Sparprogramm beschlossen. Auch im Sender wurden wichtige Umstrukturierungen vorgenommen. Ralf Ludwig leitet seit sechs Jahren dabei das einzige wirkliche Reformvorhaben der ARD, die Einführung einer einheitlichen Software für die Verwaltung. Seit Januar wird es schrittweise umgesetzt.
Dass das bisherige Tempo nicht ausreicht, vor allem im Verbund der neun ARD-Sender die Umgestaltungen beschleunigt werden, mehr und effektiver zusammengearbeitet und Doppeleinrichtungen abgebaut werden müssen, machte Ludwig vor dem Rundfunkrat deutlich. Aus seiner Arbeit in der ARD-Finanzkommission ist er mit den schwerfälligen Strukturen und Bremsmechanismen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestens vertraut. Für ihn ist klar, dass das Vertrauen in das beitragsfinanzierte System nur mit konsequenten Veränderungen, die zu Kostensenkungen und einem differenzierteren Angebot für alle Altersgruppen führen, erreicht werden kann.
Diese Überlegungen des neuen Intendanten waren sicher nicht sehr diplomatisch und hatten einige Mitglieder des Kontrollgremiums auch verleitet, gegen ihn zu stimmen. Doch der bisherige Stellvertreter von Karola Wille, der seit 1999 beim MDR und seit 2015 Verwaltungsdirektor ist, erweckte, auch bei den Fragen der Rundfunkratsmitglieder, nicht den Eindruck, dass er sich von seinem notwendigen Reformkurs abbringen lassen wird.