Interview mit Thomas Hacker, MdB, Medienpolitischer Sprecher der Fraktion der Freien Demokraten
In der vergangenen Woche hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth ihre Pläne für eine große Reform der Filmförderung vorgestellt. Neben der Novelle des Filmfördergesetzes (FFG), die bis Ende 2024 durch den Deutschen Bundestag beschlossen werden muss, haben Diskussionsentwürfe für ein Steueranreizmodell und eine Investitionsabgabe für Diskussionen und teilweise auch Widerspruch, gesorgt. Beim Steueranreizmodell würden Produzenten von Filmen und High-End-Serien sowie Produktionsdienstleister bis zu 30 Prozent der anerkannten deutschen Herstellungskosten in Form einer aus dem Aufkommen der Körperschaft- und Einkommensteuer finanzierten Filmförderzulage erhalten. Videoabrufdienste und Fernsehveranstalter, die sich an das deutsche Publikum richten, sollen durch eine Investitionsabgabe in Höhe von 20 Prozent auf den Nettoumsatz bzw. die Veröffentlichungskosten (bei ARD und ZDF) gezwungen werden, in deutsche Produktionen zu investieren.
medienpolitik.net: Herr Hacker, Claudia Roth hat drei Papiere zur Reform der Filmförderung vorgestellt. Entsprechen diese Entwürfe Ihre Erwartungen an die angekündigte große Reform?
Hacker: Die vorgestellten Entwürfe zur Reform der Filmförderung sind erste Vorschläge der Verwaltung und entsprechen höchstens in Teilen unseren Erwartungen an eine sinnvolle große Reform. Das neue FFG, das ab 2025 in Kraft treten soll, beinhaltet bedeutende Änderungen, die wir größtenteils teilen. Allerdings gibt es, wie bei jeder Reform, Detailfragen und Differenzen, zum Beispiel bei der Streichung von Medialeistungen. Auch zur Förderung des Kinos als Kulturort findet sich eher wenig. Insgesamt scheint die Reform einen Schritt in die richtige Richtung zu sein, doch es bleibt bei uns eine gewisse Skepsis hinsichtlich der Umsetzung und Effektivität der vorgeschlagenen Änderungen.
medienpolitik.net: Kann damit das Ziel erreicht werden, den Filmstandort Deutschland zu stärken und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern?
Hacker: Die Reformen zielen darauf ab, die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und den Filmstandort Deutschland zu stärken. Die Konzentration auf Talent- und Referenzfilme sowie die größere Automatisierung der Förderung könnten zu einem wettbewerbsfähigeren und anerkannten deutschen Film beitragen. Die Anreizförderung über das Steuersystem begrüße ich ausdrücklich, jedoch sind auch hier weitere Detailfragen zu besprechen und vor allem Verbündete zur Umsetzung bei den Haushaltspolitikern und den Bundesländern zu suchen.
medienpolitik.net: Das novellierte FFG verbessert vor allem die Filmfinanzierung und damit die Situation der Produzenten. Die Interessen der Verleiher und Kinos werden anscheinend weniger berücksichtigt. Wie problematisch ist das aus Ihrer Sicht?
Hacker: Es ist problematisch, wenn die Interessen von Verleihern und Kinos weniger berücksichtigt werden, da diese Akteure wesentliche Teile der Filmbranche darstellen. Eine einseitige Fokussierung auf die Filmfinanzierung und Produzenten könnte langfristig zu einem Ungleichgewicht führen, das die Vielfalt und die Verfügbarkeit von Filmen einschränken könnte. Deshalb brauchen wir auch verlässliche Aussagen zu zukünftigen Unterstützung des Kulturortes Kino, von Arthouse zum Mainstream, vom ländlichen Raum zur Großstadt.
„Eine einseitige Fokussierung auf die Filmfinanzierung und Produzenten könnte langfristig zu einem Ungleichgewicht führen“
medienpolitik.net: Ein großer Teil der Förderung soll künftig „automatisch“ erfolgen, eine Auswahl durch Jurys soll entfallen. Trägt das dazu bei, die Qualität deutscher Filme zu erhöhen und die sogenannte „Filmschwemme“ zu reduzieren?
Hacker: Die Umstellung auf eine automatisierte Förderung wird Vorteile haben, wie z.B. eine effizientere und transparentere Mittelvergabe. Allerdings könnte die Abschaffung von Jury-Entscheidungen auch dazu führen, dass kreative und riskante Projekte weniger Förderung erhalten. Ob dies letztlich die Qualität der deutschen Filme erhöht und die sogenannte „Filmschwemme“ reduziert, bleibt abzuwarten.
medienpolitik.net: Beim Investitionsabgabegesetz sollen nicht nur ausländische Plattformen, sondern auch Mediatheken deutschen TV-Sender zur Kasse gebeten werden. Wie bewerten Sie das?
Hacker: Die Einführung einer Investitionsabgabe für sowohl ausländische Plattformen als auch Mediatheken deutscher TV-Sender sehen wir kritisch. Während es wichtig ist, die Finanzierung der Filmförderung zu sichern, muss die Höhe der Abgabe sorgfältig abgewogen werden. Eine übermäßige Belastung könnte die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen einschränken. Es ist notwendig, eine Balance zu finden, die einerseits die wichtige Arbeit der FFA unterstützt, andererseits aber auch die finanzielle Belastung für die beteiligten Akteure in einem vertretbaren Rahmen hält.
„Gerade die Investitionsverpflichtung ist das Gegenteil von dem was wir mit der Reform auf den Weg bringen wollen.“
medienpolitik.net: Die Investitionsverpflichtung soll 20 Prozent betragen und die bisherigen Abgaben an die FFA sollen bleiben. Zudem investieren die Sender bereits jetzt Millionen in die Länderförderung. Ist das ein sinnvoller Plan, die deutschen Sender hier noch mehr zu belasten?
Hacker: Gerade die Investitionsverpflichtung ist das Gegenteil von dem was wir mit der Reform auf den Weg bringen wollen. Sie ist bürokratisch, kompliziert, europarechtlich zumindest in der vorgeschlagenen Höhe fraglich und könnte auch durch Produktionen z.B. in Tschechien oder Österreich erfüllt werden. Sie würde in der letzten Konsequenz Produktionen aus Deutschland eher vertreiben Die EU-Kommission hat bereits gegenüber Ländern wie Italien, Frankreich und Dänemark signalisiert, dass solche Verpflichtungen nicht zu hoch angesetzt werden dürfen und national begründet sein müssen. Eine Investitionsverpflichtung wird die Branche belasten und damit ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit einschränken. Daher ist es entscheidend, die Maßnahme umzusetzen, die den deutschen Film entfesselt, also die Anreizförderung, und nicht ein wirkungsloses Bürokratiemonster.
medienpolitik.net: Ein weiterer Streitpunkt scheint die Einbeziehung der Länder beim Steueranreizmodell zu sein. Die Länder müssen dem zustimmen, weil sie auf einen Teil der Körperschaftssteuer verzichten müssen. Damit wird die Bundesförderung zu einer Bund-Länder-Förderung. Die Länder fördern Film- und TV-Produktionen bereits zu einem Drittel. Wie sehen Sie die Bedeutung und die Realisierungschancen für ein Steueranreizmodell?
Hacker: Die Einbeziehung der Länder in das Steueranreizmodell ist komplex, aber notwendig. Die Bundesförderung zu einer Bund-Länder-Förderung zu machen, wäre der ganz große Wurf. Durch das Steueranreizmodell verbessern wir die Wettbewerbsfähigkeit der Branche in allen Bundesländern. Jetzt ist schnelles, gemeinsames Handeln gefragt: Bund und Länder!